Werner Willy Voss

Verlegeort
Thomasiusstraße 5
Bezirk/Ortsteil
Moabit
Verlegedatum
08. August 2014
Geboren
22. Dezember 1903 in Berlin-Charlottenburg
Deportation
am 12. März 1943 nach Auschwitz
Ermordet
1944 in Auschwitz-Monowitz (Buna)

Werner Willy Voss wurde am 22. Dezember 1903 in Berlin geboren. Seine Eltern, der Kaufmann Eduard Voss (1864–1915) und Hanna Else Voss, geborene Lehwing (1871–1944), hatten 1894 in Berlin geheiratet. In Werners Geburtsjahr lebte die Familie in einer Wohnung in der Eisenacher Straße 118 in Charlottenburg (heute gehört die Adresse zu Schöneberg) nahe der Kleiststraße. Werner wuchs im Kreis von drei Brüdern auf: Seine älteren Brüder Kurt und Herbert waren in den Jahren 1897 und 1900 geboren worden; sein jüngerer Brüder Heinz kam 1907 zur Welt. Leider haben sich keine weiteren Quellen erhaltene, die einen Einblick in das Elternhaus, die Kindheit und Jugend von Werner Voss und seinen Geschwistern im Berlin der Kaiserzeit geben könnten. Seine Eltern gehörten aber aller Wahrscheinlichkeit nach zur jüdischen Gemeinde der Stadt.

Als Werner Voss elf Jahre alt war, starb sein Vater. Seine Mutter lebte als Witwe mit den heranwachsenden Kindern an der Adresse Kommandantenstraße 56 in Berlin-Kreuzberg. Werners ältester Bruder Kurt begann nach seinem Schulabschluss ein Medizinstudium. Er diente in den Kriegsjahren als Sanitätsgefreiter beim Feldartillerie-Regiment 269, wurde im Juni 1918 bei Gefechten an der Oise verwundet und starb im Feldlazarett 56 nahe der französischen Gemeinde Versigny – da war Werner gerade vierzehn Jahre alt. Nach seinem Schulabschluss begann er – wie bereits sein Bruder Herbert vor ihm – eine kaufmännische Ausbildung und arbeitete anschließend als kaufmännischer Angestellter in Berlin. Sein Bruder Heinz Voss ließ sich zum Optiker ausbilden. Bis Anfang der 1930er-Jahre lebten die Brüder zusammen mit ihrer verwitweten Mutter in der Kommandantenstraße, später in der Kiefholzstraße 190 in Treptow und ab 1933/1934 in der Kleiststraße 12 in Charlottenburg.

Mit der schrittweisen Entrechtung und Verfolgung von Juden seit 1933 – beziehungsweise aller Personen, die nach den Nürnberger Gesetzen im NS-Staat als Juden galten – begannen auch staatliche Zwangsmaßnahmen gegen Werner Voss und seine Familienangehörigen. Darunter fielen zahlreiche Maßnahmen der Diskriminierung und sozialen Ausgrenzung, des Entzugs staatsbürgerlicher Rechte sowie der Verdrängung aus dem Berufs- und Wirtschaftsleben. Bereits in der Zeit der Weimarer Republik war Berlin zum Schauplatz antisemitischer Ausschreitungen geworden und Anfang der 1930er-Jahre hatte die sichtbare Brutalität in Form von Straßenkämpfen, Saalschlachten und SA-Aufmärschen in den Straßen massiv zugenommen. Ab 1933 institutionalisierte sich der Rassismus mit Hilfe staatlicher Autorität, Erlasse und Sondergesetze drängten Werner Voss zunehmend in die Position eines Rechtlosen. In den 1930er-Jahren lernte er die 1911 in Eisleben geborene Lieselotte Katz kennen und sie heirateten im Jahr 1938. Zum Zeitpunkt der Volkszählung im Mai 1939 lebte das Ehepaar in der Thomasiusstraße 5 im Ortsteil Tiergarten. Zuletzt waren beide bei der Reichsvereinigung der Juden beschäftigt, Werner Voss als Monteur; Lieselotte als Köchin in der Kinderküche. Werners Bruder Herbert Voss flüchtete Ende der 1930er-Jahre aus Deutschland, vermutlich über Großbritannien, nach Australien, wo er ab November 1939 interniert war, bis er 1942 freigelassen wurde und in die australische Armee eintrat. Ob auch die Brüder Werner und Heinz Voss Pläne verfolgten mit ihren Familienangehörigen aus Deutschland zu entkommen, ist nicht bekannt. Sollten sie konkrete Schritte unternommen haben, so scheiterten diese. Spätestens Anfang der 1940er-Jahre wurde das Leben für Werner und Lieselotte Voss zum Existenzkampf. Um nur eine der vielen einschneidenden Maßnahmen zu nennen, die das Leben der Familienmitglieder in Berlin zunehmend einschränkten, konnten sie sich mit der Polizeiverordnung vom 1. September 1941 „über die Kennzeichnung der Juden“ nur noch mit stigmatisierendem „Judenstern“ in der Öffentlichkeit bewegen. Anfang 1943 mussten Werner und Lieselotte Voss umziehen und bezogen ein Zimmer im Verwaltungsbau des ehemaligen Jüdischen Krankenhauses in der Auguststraße 14/16.

Der Entrechtung folgte die Deportation: Werner und Lieselotte Voss wurden im Zuge der „Fabrik-Aktion“, bei der die letzten offiziell in der Hauptstadt verbliebenen Juden deportiert werden sollten, Ende Februar 1943 in Berlin verhaftet und in eines der Berliner Sammellager verschleppt. Von dort wurden sie am 12. März 1943 mit dem „36. Osttransport“ in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert. Laut Angaben von Familienangehörigen wurde Werner Voss als Häftlinge in das Lager selektiert und musste unter unmenschlichen Bedingungen in den Buna-Werken schwerste körperliche Zwangsarbeit leisten („Vernichtung durch Arbeit“). Viele der Gefangenen überlebten nur wenige Wochen, bevor sie durch direkte oder indirekte Gewalteinwirkung mittels planvoller Mangelernährung, Arbeitsstrapazen, versagter Medikamente und körperlichen Misshandlungen ermordet wurden. Werner Voss überlebte bis 1944 in Monowitz-Buna, bevor sich der 40-Jährige einer Typhusinfektion nicht mehr erwehren konnte. Von Lieselotte Voss gibt es keine Zeugnisse, ob sie erst in das Lager selektiert und später ermordet wurde oder unmittelbar nach Ankunft des Deportationstransports. In jedem Fall gehörte sie nicht zu den wenigen Überlebenden von Auschwitz.

Werners Mutter Hanna Else war am 17. März 1943 aus Berlin in das Ghetto Theresienstadt deportiert worden. Sie wurde am 18. Mai 1944 aus Theresienstadt weiter in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert und dort ermordet. Heinz Voss war bereits am 6. März 1943, wenige Tage vor seinem Bruder, mit seiner Ehefrau Ellen Voss, geborene Becker, und seinem 1937 in Berlin geborenen Sohn Kurt Michael Voss nach Auschwitz deportiert worden. Während Ellen und Kurt Michael Voss in Auschwitz ermordet wurden, überlebte Heinz Voss Zwangsarbeit und Lagerhaft sowie den Todesmarsch im Januar 1945 aus Auschwitz nach Mauthausen, wo er im Mai 1945 durch US-Truppen befreit wurde. Er emigrierte später in die USA, wo er den Namen Henry annahm. Sein Bruder Herbert Voss überlebte als Soldat der australischen Armee und wanderte nach Kriegsende ebenfalls in die USA aus.