Alice Mielzynski

Verlegeort
Krausnickstraße 8
Bezirk/Ortsteil
Mitte
Geboren
17. November 1905 in Berlin
Deportation
am 18. Mai 1943 nach Theresienstadt
Ermordet

Als für Ida und Alice Wielzynski Stolpersteine verlegt wurden, war über die beiden Frauen so gut wie nichts bekannt. Einzig die Informationen aus dem Gedenkbuch gaben Anhaltspunkte für weitere Nachforschungen: die Geburtsdaten, das Datum der Deportation nach Theresienstadt und die Adresse Krausnickstr. 8.<br />
<br />
Erst eine Recherche, die ich über den Säugling Berl Hirschfeld (siehe dort) durchführte, brachte Klarheit über die Identität der beiden Frauen. Berl Hirschfeld wurde im Alter von knapp fünf Monaten deportiert, ebenfalls aus der Krausnickstr. 8, im selben Transport wie Ida und Alice Mielzynski. Es war klar, dass sich das Kind unter der Obhut der beiden Frauen befunden haben musste. Über eine Familie Wielzynski war jedoch nichts in Erfahrung zu bringen – weder in den Berliner Adressbüchern noch in sonstigen Quellen zu Opfern des Nationalsozialismus. Als ich nach einer Frau mit Namen Hirschfeld suchte, die 1942 ein Kind geboren haben konnte, stieß ich auf Dorothea Hirschfeld, eine geborene Mielzynski. Weitere Nachforschungen ergaben, dass tatsächlich eine fehlerhafte Schreibung vorliegt und die beiden Frauen in Wirklichkeit Ida und Alice Mielzynski hießen.<br />
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Alice Mielzynski wurde am 17. Mai 1905 in Berlin geboren. Ihr Vater Robert Mielzynski war Schneidermeister und lebte damals mit seiner Frau Ida, geb. Budzislawski, in der Immanuelkirchstraße. Sie hatte noch zwei jüngere Schwestern: Dorothea, geboren am 2. Januar 1907, und Babette, geboren am 12. Januar 1912. Einzig der Schwester Babette gelang 1939 mit Mann und Kind die Flucht ins Ausland.<br />
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Nach dem Besuch der Gemeindeschule absolvierte Alice Mielzynski 1921–1923 eine kaufmännische Lehre bei der Firma Hesselberg & Herz, wo sie bis 1933 als Buchhalterin und Expedientin tätig war. 1933 musste die Firma liquidieren, einer der Inhaber, Dr. Erich Herz, gründete daraufhin eine Fabrikation von Weißwaren und stellte Alice Mielzynski wieder ein. Bis zur „Arisierung“ des Betriebes 1939 konnte sie dort arbeiten.<br />
<br />
Im Juni 1938 wurde der Familienvater, Robert Mielzynski, im Rahmen der Aktion „Arbeitsscheu Reich“ ins KZ Buchenwald verschleppt. Er durchlief mehrere andere Konzentrationslager, bevor er am 19. Oktober 1942 nach Auschwitz deportiert wurde, wo er einen Monat später ums Leben kam.<br />
<br />
Zum Zeitpunkt der Volkszählung 1939 war Ida Mielzynski mit ihren Töchtern Alice und Dorothea sowie Dorotheas Ehemann Martin Hirschfeld in der Linienstr. 239 wohnhaft. Der letzte, vermutlich nicht frei gewählte Wohnsitz der Familie war in der Krausnickstr. 8. <br />
<br />
Alice Mielzynski wurde zur Zwangsarbeit eingezogen. Zuletzt, von Oktober 1940 bis Februar 1943, war sie als Fabrikarbeiterin bei Petrix in Oberschöneweide eingesetzt. Im Rahmen der „Fabrik-Aktion“ im Februar 1943 wurde auch Alice Mielzynski verhaftet und in ein Sammellager gebracht, um von dort deportiert zu werden. Ihr Schwager Martin Hirschfeld, der bei der Jüdischen Gemeinde angestellt war, erreichte jedoch, dass sie wieder freikam. Bei der Uniformschneiderei Michalski leistete sie danach weiter Zwangsarbeit. Am 10. Mai 1943 war diese „Gnadenfrist“ – so Alice Mielzynskis eigene Worte – abgelaufen: Zusammen mit ihrer Mutter und dem fünf Monate alten Kind ihrer Schwester Dorothea wurde sie ins Sammellager Große Hamburger Straße gebracht. Dort herrschten erbärmliche Zustände: 406 Personen für einen Transport nach Auschwitz waren inhaftiert, weitere 100 Menschen erwarteten ihre Deportation nach Theresienstadt. Mit 24 anderen teilten sich die Mielzynskis ein Zimmer, Ungeziefer raubte ihnen den Schlaf. Am 18. Mai schließlich verließ der Deportationszug mit Ida und Alice Mielzynski und dem kleinen Berl Hirschfeld Berlin in Richtung Theresienstadt. <br />
<br />
Im Ghetto Theresienstadt wurde Alice Mielzynski zunächst für Bürodienste herangezogen, später musste sie in den Glimmerwerkstätten arbeiten. Ihre Mutter Ida wurde erst im Säuglingsheim eingesetzt, wo sie auch ihren Enkel betreute, danach musste sie schwere Hausarbeit verrichten.<br />
<br />
Alice Mielzynski überlebte Theresienstadt, ebenso wie ihre Mutter Ida: Als im Rahmen einer Vereinbarung zwischen Himmler und dem ehemaligen Schweizer Bundespräsidenten Musy 1200 Häftlinge aus Theresienstadt in die Schweiz ausreisen konnten, meldeten sich beide Frauen, wenn auch misstrauisch, für den Transport an. Am 5. Februar 1945 bestiegen sie den Zug, kurz vor der Schweizer Grenze durften sie endlich ihre „Judensterne“ abreißen und gelangten am 7. Februar 1945 nach St. Gallen.<br />
<br />
In einem Flüchtlingslager in der Schweiz lernte Alice Mielzynski einen der Bewachungssoldaten, Marcel Monnier, näher kennen. Sie heiratete ihn im Dezember 1945 und schenkte 1946 einem Sohn das Leben. Bis zu ihrem Tod am 30. Juni 1990 lebte sie in der Schweiz.

Als für Ida und Alice Wielzynski Stolpersteine verlegt wurden, war über die beiden Frauen so gut wie nichts bekannt. Einzig die Informationen aus dem Gedenkbuch gaben Anhaltspunkte für weitere Nachforschungen: die Geburtsdaten, das Datum der Deportation nach Theresienstadt und die Adresse Krausnickstr. 8.

Erst eine Recherche, die ich über den Säugling Berl Hirschfeld (siehe dort) durchführte, brachte Klarheit über die Identität der beiden Frauen. Berl Hirschfeld wurde im Alter von knapp fünf Monaten deportiert, ebenfalls aus der Krausnickstr. 8, im selben Transport wie Ida und Alice Mielzynski. Es war klar, dass sich das Kind unter der Obhut der beiden Frauen befunden haben musste. Über eine Familie Wielzynski war jedoch nichts in Erfahrung zu bringen – weder in den Berliner Adressbüchern noch in sonstigen Quellen zu Opfern des Nationalsozialismus. Als ich nach einer Frau mit Namen Hirschfeld suchte, die 1942 ein Kind geboren haben konnte, stieß ich auf Dorothea Hirschfeld, eine geborene Mielzynski. Weitere Nachforschungen ergaben, dass tatsächlich eine fehlerhafte Schreibung vorliegt und die beiden Frauen in Wirklichkeit Ida und Alice Mielzynski hießen.

Alice Mielzynski wurde am 17. Mai 1905 in Berlin geboren. Ihr Vater Robert Mielzynski war Schneidermeister und lebte damals mit seiner Frau Ida, geb. Budzislawski, in der Immanuelkirchstraße. Sie hatte noch zwei jüngere Schwestern: Dorothea, geboren am 2. Januar 1907, und Babette, geboren am 12. Januar 1912. Einzig der Schwester Babette gelang 1939 mit Mann und Kind die Flucht ins Ausland.

Nach dem Besuch der Gemeindeschule absolvierte Alice Mielzynski 1921–1923 eine kaufmännische Lehre bei der Firma Hesselberg & Herz, wo sie bis 1933 als Buchhalterin und Expedientin tätig war. 1933 musste die Firma liquidieren, einer der Inhaber, Dr. Erich Herz, gründete daraufhin eine Fabrikation von Weißwaren und stellte Alice Mielzynski wieder ein. Bis zur „Arisierung“ des Betriebes 1939 konnte sie dort arbeiten.

Im Juni 1938 wurde der Familienvater, Robert Mielzynski, im Rahmen der Aktion „Arbeitsscheu Reich“ ins KZ Buchenwald verschleppt. Er durchlief mehrere andere Konzentrationslager, bevor er am 19. Oktober 1942 nach Auschwitz deportiert wurde, wo er einen Monat später ums Leben kam.

Zum Zeitpunkt der Volkszählung 1939 war Ida Mielzynski mit ihren Töchtern Alice und Dorothea sowie Dorotheas Ehemann Martin Hirschfeld in der Linienstr. 239 wohnhaft. Der letzte, vermutlich nicht frei gewählte Wohnsitz der Familie war in der Krausnickstr. 8.

Alice Mielzynski wurde zur Zwangsarbeit eingezogen. Zuletzt, von Oktober 1940 bis Februar 1943, war sie als Fabrikarbeiterin bei Petrix in Oberschöneweide eingesetzt. Im Rahmen der „Fabrik-Aktion“ im Februar 1943 wurde auch Alice Mielzynski verhaftet und in ein Sammellager gebracht, um von dort deportiert zu werden. Ihr Schwager Martin Hirschfeld, der bei der Jüdischen Gemeinde angestellt war, erreichte jedoch, dass sie wieder freikam. Bei der Uniformschneiderei Michalski leistete sie danach weiter Zwangsarbeit. Am 10. Mai 1943 war diese „Gnadenfrist“ – so Alice Mielzynskis eigene Worte – abgelaufen: Zusammen mit ihrer Mutter und dem fünf Monate alten Kind ihrer Schwester Dorothea wurde sie ins Sammellager Große Hamburger Straße gebracht. Dort herrschten erbärmliche Zustände: 406 Personen für einen Transport nach Auschwitz waren inhaftiert, weitere 100 Menschen erwarteten ihre Deportation nach Theresienstadt. Mit 24 anderen teilten sich die Mielzynskis ein Zimmer, Ungeziefer raubte ihnen den Schlaf. Am 18. Mai schließlich verließ der Deportationszug mit Ida und Alice Mielzynski und dem kleinen Berl Hirschfeld Berlin in Richtung Theresienstadt.

Im Ghetto Theresienstadt wurde Alice Mielzynski zunächst für Bürodienste herangezogen, später musste sie in den Glimmerwerkstätten arbeiten. Ihre Mutter Ida wurde erst im Säuglingsheim eingesetzt, wo sie auch ihren Enkel betreute, danach musste sie schwere Hausarbeit verrichten.

Alice Mielzynski überlebte Theresienstadt, ebenso wie ihre Mutter Ida: Als im Rahmen einer Vereinbarung zwischen Himmler und dem ehemaligen Schweizer Bundespräsidenten Musy 1200 Häftlinge aus Theresienstadt in die Schweiz ausreisen konnten, meldeten sich beide Frauen, wenn auch misstrauisch, für den Transport an. Am 5. Februar 1945 bestiegen sie den Zug, kurz vor der Schweizer Grenze durften sie endlich ihre „Judensterne“ abreißen und gelangten am 7. Februar 1945 nach St. Gallen.

In einem Flüchtlingslager in der Schweiz lernte Alice Mielzynski einen der Bewachungssoldaten, Marcel Monnier, näher kennen. Sie heiratete ihn im Dezember 1945 und schenkte 1946 einem Sohn das Leben. Bis zu ihrem Tod am 30. Juni 1990 lebte sie in der Schweiz.