James (Shymon Josef) Bachner

Verlegeort
Berolinastraße 32
Historischer Name
Landsberger Straße 32
Bezirk/Ortsteil
Mitte
Geboren
24. Mai 1922 in Berlin
Überlebt

James (Shymon Josef) wurde am 24. Mai 1922 als erstes Kind von Erna und Abraham Bachner in Berlin geboren. Bereits mit fünf Jahren nahm James Hebräisch-Unterricht und im Juni 1935 feierte er seine Bar Mitzvah. Er und sein jüngerer Bruder Fred gingen auf eine jüdische Schule und waren Mitglieder in jüdischen Organisationen und James besuchte auch den jüdischen Sportclub Hakoah. Ihre Eltern betrieben ein Herren-Konfektions-Geschäft. Die Familie lebte in der Nähe des Geschäftes, in einer Achtraumwohnung in der damaligen Kaiser-Wilhelm-Straße 30 in Berlin-Mitte.<br />
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Nach der Machtübernahme Hitlers 1933 und den antijüdischen Maßnahmen im gesamten Land bekam auch Familie Bachner die Repressionen zu spüren. Als das Geschäft infolge des „Judenboykotts“ schlechter lief, zog die Familie 1934 in eine billigere Fünfzimmerwohnung in die Landsberger Straße 32, wo sie von den Nachbarn gemieden wurden. Nun distanzierten sich auch deutsche Mitschüler von James und seinem Bruder Fred und wollten nicht mehr mit ihnen spielen. James erlangte im April 1936 zwar einen Abschluss an der jüdischen Volksschule, durfte als Jude jedoch kein Abitur oder eine Fortbildung aufnehmen.<br />
Laut James unternahm die Familie seit 1934 verschiedene Versuche aus Deutschland auszuwandern, welche jedoch scheiterten. Da die Familie zusammenbleiben wollte, sollten die Kinder 1938 nicht mit dem Youth Aliyah Movement (hebräisch: Aliyat Hano'ar) nach Palästina ausreisen. Die Familie musste 1934 die polnische Staatsbürgerschaft beantragen und 1938/39 das Geschäft aufgeben.<br />
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Vom 27. bis zum 29. Oktober 1938 wurden in einer ersten Massenausweisung ca. 10.000 bis 17.000 polnische Juden nach Polen abgeschoben. In den frühen Morgenstunden des 28. Oktober 1938 erhielten Abraham und James einen Ausweisungsbescheid von der Polizei. Beide waren von der sogenannten „Polenaktion“ betroffen, wonach polnische Juden aus dem Deutschen Reich zwangsausgewiesen wurden. Während James sich seiner Verhaftung entziehen konnte, da sein Bescheid fälschlicherweise auf „Johannes Bachner“ ausgestellt worden war, gelang Abraham die Flucht durch den Dienstboteneingang. Um einer erneuten Verhaftung zu entgehen, wollten Abraham und James vor Ablauf der Passgültigkeit nach Polen zu ihren Verwandten reisen. Über Frankfurt an der Oder nahmen Vater und Sohn den Zug bis zur deutsch-polnischen Grenze in Bytom/Beuthen. Der Grenzübergang wurde sowohl von der deutschen als auch von der polnischen Seite versperrt und die Ausgewiesenen mussten die Nacht auf dem offenen Feld verbringen. Die lokale jüdische Gemeinde versorgte die Menschen mit Essen und Decken, da die polnischen Beamten auf Befehle am Montag warten mussten. Anschließend wurden sie in eine Schulhalle verlegt und sollten von der polnischen Stadtpolizei registriert werden. Unter dem Vorwand die Toilette zu benutzen, konnten Abraham und James vor der Registrierung verschwinden und fuhren mit dem Zug nach Chrzanów/Krenau, wo sie am späten Abend bei Abrahams Onkel Samuel eintrafen. Unterdessen blieben Erna und Fred in Berlin, beide konnten erst im Juni 1939 mit neuen Pässen nach Polen folgen.<br />
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In Chrzanów hatten Abraham und James keine Arbeitserlaubnis und waren aufgrund fehlender polnischer Sprachkenntnisse von ihren Verwandten vor Ort abhängig. Jedoch konnten sie sich auf Jiddisch verständigen. Dort bewohnte die wiedervereinte Familie eine eigene Wohnung in einem Zweifamilienhaus. James arbeitete zunächst als Reklamezeichner. Bei Ausbruch des Zweiten Weltkriegs floh die Familie Bachner vor dem Anmarsch der Wehrmacht landeinwärts, aber wurde bereits am nächsten Tag eingeholt und zurückgeschickt. Infolge der deutschen Annexion von Danzig und Oberschlesien wurden alle Ortsnamen eingedeutscht. Die Stadt Chrzanów, nun Krenau, wurde Sitz der deutschen Verwaltung und alle Juden im Umkreis wurden in ein offenes Ghetto umgesiedelt, das für drei Jahre bestand. Die Familie wohnte in einem kleinen Zimmer mit drei Betten und einem Heizofen.<br />
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Vom 3. November 1940 bis September 1943 wurde James als Zwangsarbeiter für Straßenarbeiten und in der Lokomotivenfabrik „Fablok“ eingesetzt und hielt sich in den Reichsautobahnlagern Otmęt/Ottmuth, Gogolin und dem Zwangsarbeiterlager Trzebina/Trebenau auf. Nachdem er zu Beginn beim Reichsautobahnbau zwischen Wrocław/Breslau und Opole/Oppeln mitarbeitete, wurde er als medizinischer Assistent in der Krankenstube eingesetzt. Er wurde als Zwangsarbeiter beim Stellvertreter des Reichsführer SS für den „Fremdvölkischen Arbeitseinsatz in Oberschlesien“ in Breslau angemeldet. Das Lager Trebenau und seine Barracken waren im September 1942 noch im Aufbau und ohne warmes Wasser breiteten sich Krankheiten wie Typhus aus. Da James mit einem Wachmann die Apotheke besuchen durfte und die Kranken zur Desinfektion nach Krenau gehen mussten, konnte er ein paar Mal seine Familie besuchen.<br />
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Im September/Oktober 1943 musste James aus Trebenau einen 30 km langen Fußmarsch in das KZ Auschwitz -Birkenau antreten. Er beschreibt den Winter 1943 als „lowest point in his life“, da die Schikanen, Verletzungen und Toten nicht mehr zu ertragen waren. Nach zwei Monaten ergriff er die Chance, für einen weiteren Transport „selektiert“ zu werden und verließ Auschwitz . James wurde mit 2.000 weiteren Männern zum ehemaligen Warschauer Ghetto deportiert, wo er bei Aufräumarbeiten und der Wiedereinrichtung von Baracken Zwangsarbeit verrichten musste. Am 13. August kam er in das KZ Dachau in Bayern, nachdem er einen zweitägigen „Todesmarsch“ nach Posen und eine mehrtägige Fahrt in einem Viehzug überlebt hatte. Daraufhin wurde James in das Waldlager V und VI bei Ampfing deportiert. Sein Bruder Fred traf am 28. Januar 1945 im KZ Dachau ein. Mit LKWs kam er ebenfalls ins Waldlager V und VI bei Ampfing, wo er auf James traf. Als das Waldlager am 20./21. April 1945 aufgelöst wurde, fuhr der Zug von Mühldorf nur bis Taufkirchen, als im Radio das Ende des Krieges ausgerufen wurde. James und Fred sprangen aus dem fahrenden Waggon und versteckten sich im Wald. Sie übernachteten in Bauernhöfen bis die Alliierten eintrafen. James Bachner beschreibt seine Befreiung mit den Worten: „That magical day was Tuesday, May 1, 1945. We laughed, cried, and jumped for joy! We were free! We were alive! We had actually made it!“<br />
Die Brüder lebten zunächst in München, bis sie ihren Vater 1946 in Berlin wiederfanden und zusammen am 3. Januar 1947 in die USA emigrierten. James Bachner lebte zuletzt in South California und starb 2019 wenige Tage vor seinem 97. Geburtstag.<br />

James (Shymon Josef) wurde am 24. Mai 1922 als erstes Kind von Erna und Abraham Bachner in Berlin geboren. Bereits mit fünf Jahren nahm James Hebräisch-Unterricht und im Juni 1935 feierte er seine Bar Mitzvah. Er und sein jüngerer Bruder Fred gingen auf eine jüdische Schule und waren Mitglieder in jüdischen Organisationen und James besuchte auch den jüdischen Sportclub Hakoah. Ihre Eltern betrieben ein Herren-Konfektions-Geschäft. Die Familie lebte in der Nähe des Geschäftes, in einer Achtraumwohnung in der damaligen Kaiser-Wilhelm-Straße 30 in Berlin-Mitte.

Nach der Machtübernahme Hitlers 1933 und den antijüdischen Maßnahmen im gesamten Land bekam auch Familie Bachner die Repressionen zu spüren. Als das Geschäft infolge des „Judenboykotts“ schlechter lief, zog die Familie 1934 in eine billigere Fünfzimmerwohnung in die Landsberger Straße 32, wo sie von den Nachbarn gemieden wurden. Nun distanzierten sich auch deutsche Mitschüler von James und seinem Bruder Fred und wollten nicht mehr mit ihnen spielen. James erlangte im April 1936 zwar einen Abschluss an der jüdischen Volksschule, durfte als Jude jedoch kein Abitur oder eine Fortbildung aufnehmen.
Laut James unternahm die Familie seit 1934 verschiedene Versuche aus Deutschland auszuwandern, welche jedoch scheiterten. Da die Familie zusammenbleiben wollte, sollten die Kinder 1938 nicht mit dem Youth Aliyah Movement (hebräisch: Aliyat Hano'ar) nach Palästina ausreisen. Die Familie musste 1934 die polnische Staatsbürgerschaft beantragen und 1938/39 das Geschäft aufgeben.

Vom 27. bis zum 29. Oktober 1938 wurden in einer ersten Massenausweisung ca. 10.000 bis 17.000 polnische Juden nach Polen abgeschoben. In den frühen Morgenstunden des 28. Oktober 1938 erhielten Abraham und James einen Ausweisungsbescheid von der Polizei. Beide waren von der sogenannten „Polenaktion“ betroffen, wonach polnische Juden aus dem Deutschen Reich zwangsausgewiesen wurden. Während James sich seiner Verhaftung entziehen konnte, da sein Bescheid fälschlicherweise auf „Johannes Bachner“ ausgestellt worden war, gelang Abraham die Flucht durch den Dienstboteneingang. Um einer erneuten Verhaftung zu entgehen, wollten Abraham und James vor Ablauf der Passgültigkeit nach Polen zu ihren Verwandten reisen. Über Frankfurt an der Oder nahmen Vater und Sohn den Zug bis zur deutsch-polnischen Grenze in Bytom/Beuthen. Der Grenzübergang wurde sowohl von der deutschen als auch von der polnischen Seite versperrt und die Ausgewiesenen mussten die Nacht auf dem offenen Feld verbringen. Die lokale jüdische Gemeinde versorgte die Menschen mit Essen und Decken, da die polnischen Beamten auf Befehle am Montag warten mussten. Anschließend wurden sie in eine Schulhalle verlegt und sollten von der polnischen Stadtpolizei registriert werden. Unter dem Vorwand die Toilette zu benutzen, konnten Abraham und James vor der Registrierung verschwinden und fuhren mit dem Zug nach Chrzanów/Krenau, wo sie am späten Abend bei Abrahams Onkel Samuel eintrafen. Unterdessen blieben Erna und Fred in Berlin, beide konnten erst im Juni 1939 mit neuen Pässen nach Polen folgen.

In Chrzanów hatten Abraham und James keine Arbeitserlaubnis und waren aufgrund fehlender polnischer Sprachkenntnisse von ihren Verwandten vor Ort abhängig. Jedoch konnten sie sich auf Jiddisch verständigen. Dort bewohnte die wiedervereinte Familie eine eigene Wohnung in einem Zweifamilienhaus. James arbeitete zunächst als Reklamezeichner. Bei Ausbruch des Zweiten Weltkriegs floh die Familie Bachner vor dem Anmarsch der Wehrmacht landeinwärts, aber wurde bereits am nächsten Tag eingeholt und zurückgeschickt. Infolge der deutschen Annexion von Danzig und Oberschlesien wurden alle Ortsnamen eingedeutscht. Die Stadt Chrzanów, nun Krenau, wurde Sitz der deutschen Verwaltung und alle Juden im Umkreis wurden in ein offenes Ghetto umgesiedelt, das für drei Jahre bestand. Die Familie wohnte in einem kleinen Zimmer mit drei Betten und einem Heizofen.

Vom 3. November 1940 bis September 1943 wurde James als Zwangsarbeiter für Straßenarbeiten und in der Lokomotivenfabrik „Fablok“ eingesetzt und hielt sich in den Reichsautobahnlagern Otmęt/Ottmuth, Gogolin und dem Zwangsarbeiterlager Trzebina/Trebenau auf. Nachdem er zu Beginn beim Reichsautobahnbau zwischen Wrocław/Breslau und Opole/Oppeln mitarbeitete, wurde er als medizinischer Assistent in der Krankenstube eingesetzt. Er wurde als Zwangsarbeiter beim Stellvertreter des Reichsführer SS für den „Fremdvölkischen Arbeitseinsatz in Oberschlesien“ in Breslau angemeldet. Das Lager Trebenau und seine Barracken waren im September 1942 noch im Aufbau und ohne warmes Wasser breiteten sich Krankheiten wie Typhus aus. Da James mit einem Wachmann die Apotheke besuchen durfte und die Kranken zur Desinfektion nach Krenau gehen mussten, konnte er ein paar Mal seine Familie besuchen.

Im September/Oktober 1943 musste James aus Trebenau einen 30 km langen Fußmarsch in das KZ Auschwitz -Birkenau antreten. Er beschreibt den Winter 1943 als „lowest point in his life“, da die Schikanen, Verletzungen und Toten nicht mehr zu ertragen waren. Nach zwei Monaten ergriff er die Chance, für einen weiteren Transport „selektiert“ zu werden und verließ Auschwitz . James wurde mit 2.000 weiteren Männern zum ehemaligen Warschauer Ghetto deportiert, wo er bei Aufräumarbeiten und der Wiedereinrichtung von Baracken Zwangsarbeit verrichten musste. Am 13. August kam er in das KZ Dachau in Bayern, nachdem er einen zweitägigen „Todesmarsch“ nach Posen und eine mehrtägige Fahrt in einem Viehzug überlebt hatte. Daraufhin wurde James in das Waldlager V und VI bei Ampfing deportiert. Sein Bruder Fred traf am 28. Januar 1945 im KZ Dachau ein. Mit LKWs kam er ebenfalls ins Waldlager V und VI bei Ampfing, wo er auf James traf. Als das Waldlager am 20./21. April 1945 aufgelöst wurde, fuhr der Zug von Mühldorf nur bis Taufkirchen, als im Radio das Ende des Krieges ausgerufen wurde. James und Fred sprangen aus dem fahrenden Waggon und versteckten sich im Wald. Sie übernachteten in Bauernhöfen bis die Alliierten eintrafen. James Bachner beschreibt seine Befreiung mit den Worten: „That magical day was Tuesday, May 1, 1945. We laughed, cried, and jumped for joy! We were free! We were alive! We had actually made it!“
Die Brüder lebten zunächst in München, bis sie ihren Vater 1946 in Berlin wiederfanden und zusammen am 3. Januar 1947 in die USA emigrierten. James Bachner lebte zuletzt in South California und starb 2019 wenige Tage vor seinem 97. Geburtstag.