Johanna 'Hanka' Grothendieck

Verlegeort
Brunnenstraße 165
Bezirk/Ortsteil
Mitte
Verlegedatum
22. März 2017
Geboren
21. August 1900 in Hamburg-Blankenese
Beruf
Künstlerin
Flucht
1933 nach Frankeireich
Überlebt

Johanna „Hanka“ Grothendieck wurde am 21. August 1900 in Hamburg geboren. Viel wissen wir über den autobiografischen Roman „Eine Frau“, an dem Hanka zeitlebens arbeitete und der Einblicke in ihr eigenes Leben und das ihrer Familie gibt. <br />
Hankas Vater Albert war ein Lebemann, der schnell zu Geld gekommen war, es aber auch schnell wieder verlor. Als zweites von fünf Kindern erlebte sie den wirtschaftlichen und sozialen Abstieg der zwischenzeitlich gutbürgerlichen Familie von Beginn an mit. Aufgrund des wachsenden Geldmangels, die der Vater durch Großmannssucht verursachte und die durch Krieg, Inflation und Wirtschaftskrise nur verstärkt wurden, musste Hanka das Lyzeum verlassen und trat mit siebzehn Jahren eine Ausbildung als Kindergärtnerin an, die sie jedoch bald abbrach. Schon in den ersten Jahren ihrer Jugend war Hanka ein aufmüpfiger und rebellischer Charakter; sie hatte mit Familienmitglieder eine problematische Beziehung und entfernte sich früh von den Vorstellung eines bürgerlichen Lebens. So brach sie mit dem bisherigen konventionellen Leben und nahm Schauspielunterricht, schrieb Gedichte und Prosa und wollte Teil der Worspweder Künstlerkolonie werden. <br />
Das künstlerische Leben stellte sich aber als schwierig heraus, die nächsten Jahre waren geprägt von Ausprobieren, Herumfahren und finanziellen Nöten. Sie machte Zufallsbekanntschaften und knüpfte neue Bindungen, letztlich kehrte sie aber nach Hamburg zurück. Sie kam in Kontakt mit vielen Vertretern der Reformbewegungen und der „Freideutschen Jugend“ und wurde Teil der Theatergruppe „Die Kampfbühne“. Mit ihren Auftritten und durch die während des Wanderlebens geknüpften Kontakte erzielte sie einige Erfolge als Schauspielerin. <br />
Ihr eigentliches Lebensziel war es jedoch, Schriftstellerin zu werden, weshalb sie sich nach einiger Zeit von ihrem Schauspielberuf trennte, um als Redakteurin bei der Wochenzeitung „Der Pranger“, einer Zeitung, die von und für Hamburger Prosituierte herausgegeben wurde, zu arbeiten. <br />
In diesem Milieu lernte Hanke 1921 Alf Raddatz kennen, den sie heiratete, obwohl beide Anhänger der freien Liebe waren. Sie bekamen 1925 eine Tochter namens Frode, die aber „Maidi“ genannt wurde. Zusammen gingen sie nach Berlin, wo sich das Paar mit Gelegenheitsarbeiten und kleinen Betrügereien durchschlug. Schon bald scheinen sie ihre Tochter an Hankas Eltern abgegeben zu haben. Sie bewegten sich in der Berliner Künstler- und Anarchistenszene, doch muss betont werden, dass der „Glamour“ der vermeintlichen „Goldenen“ Zwanziger nicht bis ihre ärmlichen Kellerbehausungen reichte. Streit, andauernde Trennung, bittere Armut und Existenzangst scheinen die prägenden Faktoren in ihrem gemeinsamen Leben gewesen zu sein. Das Paar trennte sich 1925 endgültig, ohne sich jedoch scheiden zu lassen. Hanka lernte um 1926 den jüdisch-russischen Anarchisten Alexander Schapiro, genannt Sascha, kennen. Beide verliebten sich augenblicklich und begannen ein anstrengendes Beziehungsleben. Sascha arbeitete als Teilzeit-Fotograf und gemeinsam bauten Sascha und Hanka ein bescheidenes Fotoatelier auf.<br />
Am 28. März 1928 kam ihr Sohn Alexander Grothendieck zur Welt. Die folgenden fünf Jahre verbrachte das Paar mit Tochter Maidi und Alexander in Berlin.<br />
Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 konnte sich Sascha seines Lebens in Deutschland nicht mehr sicher sein und er floh im Sommer 1933 ohne Abschied von den Kindern zu nehmen nach Paris. Zum Jahreswechsel 1933/34 beschloss Hanka, ihrem Lebensgefährten zu folgen. Sie gab ihren Sohn in eine Hamburger Pflegefamilie und brachte ihre Tochter in einer Anstalt für geistig behinderte Kinder unter. Es ist wenig darüber überliefert, wie sie zu dem Entschluss kam, ihre Kinder zurückzulassen. <br />
Hanka lebte erst mit Sascha in Paris, wo er wieder als Straßenfotograf arbeitete. Vermutlich ging Sascha 1936 nach Spanien, um sich dort auf anarchistischer Seite am Bürgerkrieg zu beteiligen, während Hanka 1937 nach Nîmes übersiedelte. Ob und wie lang Hanka auch in Spanien war, lässt sich nicht sagen, aber da es ein umfangreiches Polizeidossier über ihren Aufenthalt in Frankreich gibt, kann sie nicht lang weggewesen sein. Nach dem Sieg der Franquisten kehrten viele der linken SpanienkämpferInnen nach Frankreich zurück, unter ihnen ein desillusionierter Sascha Schapiro. In dieser Zeit ließ das Paar Alexander aus Hamburg zu sich kommen, Sascha nahm seinen Sohn in Paris in Empfang und brachte ihn zu Hanka nach Nîmes, wo sie noch einige Monate zusammenleben sollten. Dann wurde Sascha im Oktober 1939 als feindlicher Ausländer verhaftet und im berüchtigten Lager Le Vernet in den Pyrenäen interniert. Von dort aus wurde er im Sommer 1942 über Drancy nach Auschwitz deportiert und ermordet. <br />
Hanka und ihr Sohn wurden im „Camp de Rieucros“, einem Internierungslager in der Stadt Mende, interniert. Als die Wehrmacht im November 1942 den bis dato unter Selbstverwaltung des Vichy-Regimes gestellten Süden besetzte, wurde der junge Alexander im Collège Cévenol in Chambon-sur-Lignon aufgenommen. Das College war von französischen AntifaschistInnen gegründet worden und versteckte viele jüdische Jugendliche, die sonst deportiert worden wären. Hanka wurde währenddessen im berüchtigten Camp de Gurs und von da weiter im Camp de Brens festgehalten, wo sie aufgrund einer Tuberkuloseerkrankung schwere gesundheitliche Schäden erlitt.<br />
In der Nachkriegszeit lebte sie mit ihrem Sohn zusammen in Montpellier und Paris. Das Verhältnis zu ihrem Sohn, der ein bahnbrechender Mathematiker wurde, muss nach dem Krieg sehr schwierig und von viel Streit geprägt gewesen sein. Am 16. Dezember 1957 starb Hanka Grothendieck an den Folgen der Tuberkulose.<br />
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Johanna „Hanka“ Grothendieck wurde am 21. August 1900 in Hamburg geboren. Viel wissen wir über den autobiografischen Roman „Eine Frau“, an dem Hanka zeitlebens arbeitete und der Einblicke in ihr eigenes Leben und das ihrer Familie gibt.
Hankas Vater Albert war ein Lebemann, der schnell zu Geld gekommen war, es aber auch schnell wieder verlor. Als zweites von fünf Kindern erlebte sie den wirtschaftlichen und sozialen Abstieg der zwischenzeitlich gutbürgerlichen Familie von Beginn an mit. Aufgrund des wachsenden Geldmangels, die der Vater durch Großmannssucht verursachte und die durch Krieg, Inflation und Wirtschaftskrise nur verstärkt wurden, musste Hanka das Lyzeum verlassen und trat mit siebzehn Jahren eine Ausbildung als Kindergärtnerin an, die sie jedoch bald abbrach. Schon in den ersten Jahren ihrer Jugend war Hanka ein aufmüpfiger und rebellischer Charakter; sie hatte mit Familienmitglieder eine problematische Beziehung und entfernte sich früh von den Vorstellung eines bürgerlichen Lebens. So brach sie mit dem bisherigen konventionellen Leben und nahm Schauspielunterricht, schrieb Gedichte und Prosa und wollte Teil der Worspweder Künstlerkolonie werden.
Das künstlerische Leben stellte sich aber als schwierig heraus, die nächsten Jahre waren geprägt von Ausprobieren, Herumfahren und finanziellen Nöten. Sie machte Zufallsbekanntschaften und knüpfte neue Bindungen, letztlich kehrte sie aber nach Hamburg zurück. Sie kam in Kontakt mit vielen Vertretern der Reformbewegungen und der „Freideutschen Jugend“ und wurde Teil der Theatergruppe „Die Kampfbühne“. Mit ihren Auftritten und durch die während des Wanderlebens geknüpften Kontakte erzielte sie einige Erfolge als Schauspielerin.
Ihr eigentliches Lebensziel war es jedoch, Schriftstellerin zu werden, weshalb sie sich nach einiger Zeit von ihrem Schauspielberuf trennte, um als Redakteurin bei der Wochenzeitung „Der Pranger“, einer Zeitung, die von und für Hamburger Prosituierte herausgegeben wurde, zu arbeiten.
In diesem Milieu lernte Hanke 1921 Alf Raddatz kennen, den sie heiratete, obwohl beide Anhänger der freien Liebe waren. Sie bekamen 1925 eine Tochter namens Frode, die aber „Maidi“ genannt wurde. Zusammen gingen sie nach Berlin, wo sich das Paar mit Gelegenheitsarbeiten und kleinen Betrügereien durchschlug. Schon bald scheinen sie ihre Tochter an Hankas Eltern abgegeben zu haben. Sie bewegten sich in der Berliner Künstler- und Anarchistenszene, doch muss betont werden, dass der „Glamour“ der vermeintlichen „Goldenen“ Zwanziger nicht bis ihre ärmlichen Kellerbehausungen reichte. Streit, andauernde Trennung, bittere Armut und Existenzangst scheinen die prägenden Faktoren in ihrem gemeinsamen Leben gewesen zu sein. Das Paar trennte sich 1925 endgültig, ohne sich jedoch scheiden zu lassen. Hanka lernte um 1926 den jüdisch-russischen Anarchisten Alexander Schapiro, genannt Sascha, kennen. Beide verliebten sich augenblicklich und begannen ein anstrengendes Beziehungsleben. Sascha arbeitete als Teilzeit-Fotograf und gemeinsam bauten Sascha und Hanka ein bescheidenes Fotoatelier auf.
Am 28. März 1928 kam ihr Sohn Alexander Grothendieck zur Welt. Die folgenden fünf Jahre verbrachte das Paar mit Tochter Maidi und Alexander in Berlin.
Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 konnte sich Sascha seines Lebens in Deutschland nicht mehr sicher sein und er floh im Sommer 1933 ohne Abschied von den Kindern zu nehmen nach Paris. Zum Jahreswechsel 1933/34 beschloss Hanka, ihrem Lebensgefährten zu folgen. Sie gab ihren Sohn in eine Hamburger Pflegefamilie und brachte ihre Tochter in einer Anstalt für geistig behinderte Kinder unter. Es ist wenig darüber überliefert, wie sie zu dem Entschluss kam, ihre Kinder zurückzulassen.
Hanka lebte erst mit Sascha in Paris, wo er wieder als Straßenfotograf arbeitete. Vermutlich ging Sascha 1936 nach Spanien, um sich dort auf anarchistischer Seite am Bürgerkrieg zu beteiligen, während Hanka 1937 nach Nîmes übersiedelte. Ob und wie lang Hanka auch in Spanien war, lässt sich nicht sagen, aber da es ein umfangreiches Polizeidossier über ihren Aufenthalt in Frankreich gibt, kann sie nicht lang weggewesen sein. Nach dem Sieg der Franquisten kehrten viele der linken SpanienkämpferInnen nach Frankreich zurück, unter ihnen ein desillusionierter Sascha Schapiro. In dieser Zeit ließ das Paar Alexander aus Hamburg zu sich kommen, Sascha nahm seinen Sohn in Paris in Empfang und brachte ihn zu Hanka nach Nîmes, wo sie noch einige Monate zusammenleben sollten. Dann wurde Sascha im Oktober 1939 als feindlicher Ausländer verhaftet und im berüchtigten Lager Le Vernet in den Pyrenäen interniert. Von dort aus wurde er im Sommer 1942 über Drancy nach Auschwitz deportiert und ermordet.
Hanka und ihr Sohn wurden im „Camp de Rieucros“, einem Internierungslager in der Stadt Mende, interniert. Als die Wehrmacht im November 1942 den bis dato unter Selbstverwaltung des Vichy-Regimes gestellten Süden besetzte, wurde der junge Alexander im Collège Cévenol in Chambon-sur-Lignon aufgenommen. Das College war von französischen AntifaschistInnen gegründet worden und versteckte viele jüdische Jugendliche, die sonst deportiert worden wären. Hanka wurde währenddessen im berüchtigten Camp de Gurs und von da weiter im Camp de Brens festgehalten, wo sie aufgrund einer Tuberkuloseerkrankung schwere gesundheitliche Schäden erlitt.
In der Nachkriegszeit lebte sie mit ihrem Sohn zusammen in Montpellier und Paris. Das Verhältnis zu ihrem Sohn, der ein bahnbrechender Mathematiker wurde, muss nach dem Krieg sehr schwierig und von viel Streit geprägt gewesen sein. Am 16. Dezember 1957 starb Hanka Grothendieck an den Folgen der Tuberkulose.