Eloise (Alice) Kirschstein geb. Scheidt

Verlegeort
Wrangelstr. 6 -7
Bezirk/Ortsteil
Steglitz
Verlegedatum
02. Dezember 2017
Geboren
12. Juli 1878 in Würzburg
Flucht in den Tod
07. September 1942 in Berlin

Eloise, genannt Alice Scheidt kam am 12. Juli 1878 in Würzburg als Tochter des Bankiers Josef Scheidt und seiner Frau Friederika, geborene Oberndorfer zur Welt. Ihre Geschwister waren Flora (1875 oder 1876), Julius (1877) und Mathilde (1880). <br />
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Alice heiratete den Kaufmann Sallusch (Sally) Kirschstein und lebte mit ihm in Quedlinburg in der Heilige-Geist-Straße 4 im eigenen Haus. Ihr Mann betrieb dort ein Warenhaus.<br />
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Der Sohn Hans kam am 17. Januar 1903 auf die Welt. Er studierte Jura, wurde promoviert und lebte in Leipzig. Er heiratete Alice Goldenberg, die am 1. Juni 1914 in Leipzig geboren war. Seine Schwiegermutter, Scheindel Goldenberg, geborene Gewürtz lebte verwitwet in Leipzig und war ohne Einkommen und Vermögen, deswegen unterstützte Hans Kirschstein sie finanziell.<br />
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1936 starb Sally Kirschstein, und Alice Kirschstein lebte fortan alleine in der 7-Zimmer-Wohnung in der Heilige Geist Straße 4 in Quedlinburg.<br />
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Am 13. Juli 1938 starb ihr lediger Bruder Julius, der in Bayreuth ein Haus in der Maxstraße 49 besaß; dieses Haus erbten Alice und ihre Schwester Mathilde je zur Hälfte.<br />
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1939 sollte Quedlinburg „judenfrei“ gemacht werden, deswegen musste Alice Kirschstein ausziehen. Sie konnte nicht alleine wohnen, weil sie fast erblindet war. Deswegen zog sie Anfang des Jahres 1941 nach Berlin, zunächst in die Apostel-Paulus-Straße 21/22 nach Schöneberg, dann in das Jüdische Blindenheim in Steglitz, Wrangelstraße 6/7. Sie hatte eine Pflegerin, Ruth Moritz, die sie aus eigenem Vermögen bezahlte. Im März 1941 bevollmächtigte sie zur Erledigung ihrer Angelegenheiten die „FWI Gesellschaft zur Förderung wirtschaftlicher Interessen von in Deutschland wohnhaften oder wohnhaft gewesenen Juden m.b.H.“. Zeugen bei der Beurkundung dieser Vollmacht waren ihre Pflegerin Ruth Moritz und ihre Nichte Charlotte Cahn. Ihr Bevollmächtigter musste für von ihr gewünschte Zahlungen (mit denen sie u.a. die Schwiegermutter ihres Sohnes an dessen Stelle unterstützte) jeweils bei der Devisenstelle die Freigabe der Zahlung beantragen. 1942 musste das Haus in Bayreuth verkauft werden. <br />
<br />
Im November 1941 wurde Alice Kirschstein zusammen mit den anderen Bewohnern des Blindenheims in der Wrangelstraße 6/7 in das Jüdische Blinden- und Taubstummenheim in der Parkstrasse 22 in Weißensee gebracht. Am 13. Januar 1942 wurde ihre Pflegerin Ruth Moritz mit ihren Eltern, Siegmund Moritz und Martha Moritz, geborene Sternfeld, aus der Schwäbischen Straße 11 nach Riga deportiert.<br />
Alice Kirschstein nahm sich am 7. September 1942 angesichts ihrer bevorstehenden Deportation das Leben. Mit der am 14. September 1942 erfolgten Deportation nach Theresienstadt wurden 17 ihrer ehemaligen Mitbewohner aus der Wrangelstraße nach Theresienstadt deportiert.<br />
<br />
Ihr Sohn Hans, der 1941 mit seiner Frau nach Bolivien emigiriert war, wanderte 1946 in die USA ein. Er starb am 11. Mai 1958 auf einer Reise in London, seine Witwe nannte sich nun statt Alice Kirschstein Goldie Kirstein. Sie lebte in Chicago und Israel. 1960 stellte sie Entschädigungsansprüche, nahm diese allerdings wieder zurück, weil ihr die Spezifizierung des Schadens nicht gelang. Sie heiratete wieder, und zwar einen Herrn Windmüller.<br />
<br />
Die Schwester von Alice Kirschstein, Mathilde, hatte den Kaufmann Heinrich Cahn (geboren am 27.November 1878) geheiratet, 1905 wurde in Bayreuth deren Tochter Charlotte geboren, 1908 die Tochter Anne. Heinrich Cahn betrieb in dem ihm gehörenden Haus Richard-Wagner-Straße 7 in Bayreuth einen Groß- und Einzelhandel mit Kurz- Weiß- und Manufakturwaren. Das Geschäft befand sich im Erdgeschoss, darüber wohnte Jette Cahn, Privatiere, die Schwester von Heinrich Cahn, und im 2. Stock wohnte Heinrich Cahn mit seiner Familie. Die Richard-Wagner-Straße ist eine Verlängerung der Maxstraße, wo sein Schwager Julius Scheidt in der Nummer 49 wohnte. Heinrich Cahn beging am 18.Januar 1939 Suizid. Mathilde und Charlotte Cahn wurden am 29.November 1941 von Nürnberg nach Riga in das Außenlager Jungfernhof des Ghettos Riga deportiert. Von dort wurden sie am 26.März 1942 in den Wald von Bikernieki gebracht und mit 1600 bis 1700 anderen Menschen erschossen.<br />
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Anne Cahn konnte 1938 emigrieren, sie hatte Herrn Rosenthal geheiratet. Sie wohnte 1974 in Los Angeles, wo sie Pages of Testimony für ihre ermordeten Familienmitglieder verfasste

Eloise, genannt Alice Scheidt kam am 12. Juli 1878 in Würzburg als Tochter des Bankiers Josef Scheidt und seiner Frau Friederika, geborene Oberndorfer zur Welt. Ihre Geschwister waren Flora (1875 oder 1876), Julius (1877) und Mathilde (1880).

Alice heiratete den Kaufmann Sallusch (Sally) Kirschstein und lebte mit ihm in Quedlinburg in der Heilige-Geist-Straße 4 im eigenen Haus. Ihr Mann betrieb dort ein Warenhaus.

Der Sohn Hans kam am 17. Januar 1903 auf die Welt. Er studierte Jura, wurde promoviert und lebte in Leipzig. Er heiratete Alice Goldenberg, die am 1. Juni 1914 in Leipzig geboren war. Seine Schwiegermutter, Scheindel Goldenberg, geborene Gewürtz lebte verwitwet in Leipzig und war ohne Einkommen und Vermögen, deswegen unterstützte Hans Kirschstein sie finanziell.

1936 starb Sally Kirschstein, und Alice Kirschstein lebte fortan alleine in der 7-Zimmer-Wohnung in der Heilige Geist Straße 4 in Quedlinburg.

Am 13. Juli 1938 starb ihr lediger Bruder Julius, der in Bayreuth ein Haus in der Maxstraße 49 besaß; dieses Haus erbten Alice und ihre Schwester Mathilde je zur Hälfte.

1939 sollte Quedlinburg „judenfrei“ gemacht werden, deswegen musste Alice Kirschstein ausziehen. Sie konnte nicht alleine wohnen, weil sie fast erblindet war. Deswegen zog sie Anfang des Jahres 1941 nach Berlin, zunächst in die Apostel-Paulus-Straße 21/22 nach Schöneberg, dann in das Jüdische Blindenheim in Steglitz, Wrangelstraße 6/7. Sie hatte eine Pflegerin, Ruth Moritz, die sie aus eigenem Vermögen bezahlte. Im März 1941 bevollmächtigte sie zur Erledigung ihrer Angelegenheiten die „FWI Gesellschaft zur Förderung wirtschaftlicher Interessen von in Deutschland wohnhaften oder wohnhaft gewesenen Juden m.b.H.“. Zeugen bei der Beurkundung dieser Vollmacht waren ihre Pflegerin Ruth Moritz und ihre Nichte Charlotte Cahn. Ihr Bevollmächtigter musste für von ihr gewünschte Zahlungen (mit denen sie u.a. die Schwiegermutter ihres Sohnes an dessen Stelle unterstützte) jeweils bei der Devisenstelle die Freigabe der Zahlung beantragen. 1942 musste das Haus in Bayreuth verkauft werden.

Im November 1941 wurde Alice Kirschstein zusammen mit den anderen Bewohnern des Blindenheims in der Wrangelstraße 6/7 in das Jüdische Blinden- und Taubstummenheim in der Parkstrasse 22 in Weißensee gebracht. Am 13. Januar 1942 wurde ihre Pflegerin Ruth Moritz mit ihren Eltern, Siegmund Moritz und Martha Moritz, geborene Sternfeld, aus der Schwäbischen Straße 11 nach Riga deportiert.
Alice Kirschstein nahm sich am 7. September 1942 angesichts ihrer bevorstehenden Deportation das Leben. Mit der am 14. September 1942 erfolgten Deportation nach Theresienstadt wurden 17 ihrer ehemaligen Mitbewohner aus der Wrangelstraße nach Theresienstadt deportiert.

Ihr Sohn Hans, der 1941 mit seiner Frau nach Bolivien emigiriert war, wanderte 1946 in die USA ein. Er starb am 11. Mai 1958 auf einer Reise in London, seine Witwe nannte sich nun statt Alice Kirschstein Goldie Kirstein. Sie lebte in Chicago und Israel. 1960 stellte sie Entschädigungsansprüche, nahm diese allerdings wieder zurück, weil ihr die Spezifizierung des Schadens nicht gelang. Sie heiratete wieder, und zwar einen Herrn Windmüller.

Die Schwester von Alice Kirschstein, Mathilde, hatte den Kaufmann Heinrich Cahn (geboren am 27.November 1878) geheiratet, 1905 wurde in Bayreuth deren Tochter Charlotte geboren, 1908 die Tochter Anne. Heinrich Cahn betrieb in dem ihm gehörenden Haus Richard-Wagner-Straße 7 in Bayreuth einen Groß- und Einzelhandel mit Kurz- Weiß- und Manufakturwaren. Das Geschäft befand sich im Erdgeschoss, darüber wohnte Jette Cahn, Privatiere, die Schwester von Heinrich Cahn, und im 2. Stock wohnte Heinrich Cahn mit seiner Familie. Die Richard-Wagner-Straße ist eine Verlängerung der Maxstraße, wo sein Schwager Julius Scheidt in der Nummer 49 wohnte. Heinrich Cahn beging am 18.Januar 1939 Suizid. Mathilde und Charlotte Cahn wurden am 29.November 1941 von Nürnberg nach Riga in das Außenlager Jungfernhof des Ghettos Riga deportiert. Von dort wurden sie am 26.März 1942 in den Wald von Bikernieki gebracht und mit 1600 bis 1700 anderen Menschen erschossen.

Anne Cahn konnte 1938 emigrieren, sie hatte Herrn Rosenthal geheiratet. Sie wohnte 1974 in Los Angeles, wo sie Pages of Testimony für ihre ermordeten Familienmitglieder verfasste