Alice Rönnekamp geb. Lindemann

Verlegeort
Torstraße 94
Historischer Name
Lothringer Straße 63
Bezirk/Ortsteil
Mitte
Verlegedatum
2018
Geboren
13. Februar 1903 in Berlin
Beruf
Arbeiterin
Zwangsarbeit
in einer Lautsprecherfabrik (Berlin/Kreuzberg)
Deportation
am 28. März 1942 nach Piaski
Ermordet

Alice Lindemann wurde am 13. Februar 1903 in der Dragoner Straße, der heutigen Max-Beer-Straße, in der Nähe des Alexanderplatzes geboren. Ihre Eltern waren Joseph Lindemann (Jg. 1871) und seine Ehefrau Jenny, geb. Cohnhagen, (Jg. 1872). Alice hatte eine Schwester, Ernestine, und drei Brüder, Max, Kurt und Armin. Die Familie war nicht wohlhabend. Alice war Arbeiterin und lebte mit 25 noch bei ihren Eltern, inzwischen in der Auguststraße 46.<br />
1926 oder 1927 lernte Alice einen gutaussehenden und charmanten Kieler kennen, Charles Rönnekamp, der als Buffetier in der von Alices Vater frequentierten Stammkneipe in der Rückerstraße arbeitete. Er wohnte ganz in der Nähe, in der Mulackstraße . Seine Absichten waren ernst, er bewarb sich als Busfahrer bei der BVG und wurde angestellt. Charles Rönnekamp und Alice Lindemann heirateten am 28. Dezember 1928 und wohnten zunächst in der Mulackstraße. Die jüdischen Eltern von Alice hatten gegen die Heirat mit einem nichtjüdischen Partner keine Einwände. <br />
Wenige Jahre nach der Hochzeit kam Charles Rönnekamps nichtehelicher Sohn Horst zu den Eheleuten. Alice akzeptierte die neue Situation und adoptierte das Kind 1934. Etwa zur gleichen Zeit bezog die Familie eine Wohnung in der Lothringer Straße 63 (heute Torstraße 94). Alice liebte den kleinen Jungen hingebungsvoll und war eine vorbildliche Hausfrau und Mutter. Das Jugendamt, das die Adoptivmutter begleitete, bestätigte den guten Ruf der Familie.<br />
Alice, die noch regelmäßig mit ihren Eltern und Geschwistern den Sabbat in der elterlichen Wohnung feierte, ließ sich 1938 evangelisch taufen. Die evangelische Segensgemeinde im Prenzlauer Berg half ihr bei den Formalitäten. Am 9. Oktober 1938 wurde sie von Pfarrer Knieschke in der Messiaskapelle in der Kastanienallee 22 getauft; ihr Ehemann war einer der Taufpaten. Wir dürfen vermuten, dass die Taufe und die Ehe mit einem evangelisch getauften Mann für Alice die Hoffnung auf eine gesicherte Zukunft bedeuteten.<br />
Charles Rönnekamp ließ sich aber 1941 von seiner Frau scheiden und ging eine neuen Ehe ein. Alice war immer noch in der Wohnung in der Lothringer Straße gemeldet, wohnte aber nicht mehr dort, sondern als Untermieterin in der Linienstraße 2. Sie wurde zur Zwangsarbeit bei der Lautsprecherfabrik Grass & Worff (Grawor) in Kreuzberg verpflichtet.<br />
Ihr geliebter Adoptivsohn, inzwischen zehn Jahre alt, lebte nicht mehr bei ihr. Er überlebte die Nazi-Herrschaft und den Krieg – vermutlich zunächst in einem Kinderheim, nach Kriegsende in einem Jugendwohnheim – und starb in den 1970er-Jahren im Wedding.<br />
Im März 1942 wurde Alice Rönnekamp in das Sammellager in der Levetzowstraße in Moabit verschleppt. Sie gab als Besitz an: „1 Rock, 1 Bluse, 1 Pullover, 2 Paar Strümpfe, 1 Paar Handschuhe, 1 Paar Schuhe“ und vermerkte in ihrer Vermögenserklärung: „Ich habe noch nie Vermögen und Wertsachen besessen, da ich vom 14. Lebensjahr immer Fabrikarbeiterin war und nie mehr verdient habe als wöchentlich 17-18 Mark mit Abzug“.<br />
Alice Rönnekamp wurde am 28. März 1942 mit dem „11. Osttransport“ nach Piaski deportiert. In der Deportationsliste wird sie unter der lfd. Nummer 517 als arbeitsfähig bezeichnet. Ob sie im Durchgangslager Piaski Hilfsarbeiten leisten musste, dort oder im nahen Vernichtungslager Belzec starb, ließ sich nicht ermitteln.

Alice Lindemann wurde am 13. Februar 1903 in der Dragoner Straße, der heutigen Max-Beer-Straße, in der Nähe des Alexanderplatzes geboren. Ihre Eltern waren Joseph Lindemann (Jg. 1871) und seine Ehefrau Jenny, geb. Cohnhagen, (Jg. 1872). Alice hatte eine Schwester, Ernestine, und drei Brüder, Max, Kurt und Armin. Die Familie war nicht wohlhabend. Alice war Arbeiterin und lebte mit 25 noch bei ihren Eltern, inzwischen in der Auguststraße 46.
1926 oder 1927 lernte Alice einen gutaussehenden und charmanten Kieler kennen, Charles Rönnekamp, der als Buffetier in der von Alices Vater frequentierten Stammkneipe in der Rückerstraße arbeitete. Er wohnte ganz in der Nähe, in der Mulackstraße . Seine Absichten waren ernst, er bewarb sich als Busfahrer bei der BVG und wurde angestellt. Charles Rönnekamp und Alice Lindemann heirateten am 28. Dezember 1928 und wohnten zunächst in der Mulackstraße. Die jüdischen Eltern von Alice hatten gegen die Heirat mit einem nichtjüdischen Partner keine Einwände.
Wenige Jahre nach der Hochzeit kam Charles Rönnekamps nichtehelicher Sohn Horst zu den Eheleuten. Alice akzeptierte die neue Situation und adoptierte das Kind 1934. Etwa zur gleichen Zeit bezog die Familie eine Wohnung in der Lothringer Straße 63 (heute Torstraße 94). Alice liebte den kleinen Jungen hingebungsvoll und war eine vorbildliche Hausfrau und Mutter. Das Jugendamt, das die Adoptivmutter begleitete, bestätigte den guten Ruf der Familie.
Alice, die noch regelmäßig mit ihren Eltern und Geschwistern den Sabbat in der elterlichen Wohnung feierte, ließ sich 1938 evangelisch taufen. Die evangelische Segensgemeinde im Prenzlauer Berg half ihr bei den Formalitäten. Am 9. Oktober 1938 wurde sie von Pfarrer Knieschke in der Messiaskapelle in der Kastanienallee 22 getauft; ihr Ehemann war einer der Taufpaten. Wir dürfen vermuten, dass die Taufe und die Ehe mit einem evangelisch getauften Mann für Alice die Hoffnung auf eine gesicherte Zukunft bedeuteten.
Charles Rönnekamp ließ sich aber 1941 von seiner Frau scheiden und ging eine neuen Ehe ein. Alice war immer noch in der Wohnung in der Lothringer Straße gemeldet, wohnte aber nicht mehr dort, sondern als Untermieterin in der Linienstraße 2. Sie wurde zur Zwangsarbeit bei der Lautsprecherfabrik Grass & Worff (Grawor) in Kreuzberg verpflichtet.
Ihr geliebter Adoptivsohn, inzwischen zehn Jahre alt, lebte nicht mehr bei ihr. Er überlebte die Nazi-Herrschaft und den Krieg – vermutlich zunächst in einem Kinderheim, nach Kriegsende in einem Jugendwohnheim – und starb in den 1970er-Jahren im Wedding.
Im März 1942 wurde Alice Rönnekamp in das Sammellager in der Levetzowstraße in Moabit verschleppt. Sie gab als Besitz an: „1 Rock, 1 Bluse, 1 Pullover, 2 Paar Strümpfe, 1 Paar Handschuhe, 1 Paar Schuhe“ und vermerkte in ihrer Vermögenserklärung: „Ich habe noch nie Vermögen und Wertsachen besessen, da ich vom 14. Lebensjahr immer Fabrikarbeiterin war und nie mehr verdient habe als wöchentlich 17-18 Mark mit Abzug“.
Alice Rönnekamp wurde am 28. März 1942 mit dem „11. Osttransport“ nach Piaski deportiert. In der Deportationsliste wird sie unter der lfd. Nummer 517 als arbeitsfähig bezeichnet. Ob sie im Durchgangslager Piaski Hilfsarbeiten leisten musste, dort oder im nahen Vernichtungslager Belzec starb, ließ sich nicht ermitteln.