Dr. Gerhard Braun

Verlegeort
Nürnberger Str. 66
Bezirk/Ortsteil
Schöneberg
Verlegedatum
08. Mai 2019
Geboren
1893 in
Flucht
1939 England
Verhaftet
1938 in Sachsenhausen ("Schutzhaft")
Überlebt

Gerhard Felix Braun wurde am 11. November 1893 in Berlin geboren. Er war der älteste Sohn und das zweite Kind des späteren geheimen Justizrats Felix Friedmann-Braun und seiner Ehefrau Gertrud Friedmann-Braun. Die Wohnung in der Nürnbergerstraße 66, wo die Stolpersteine zur Erinnerung an Gerhard und seine Angehörigen verlegt worden sind, war sein Heim für drei Jahrzehnte. Nach dem Tode des Vaters 1934 wurde der Haushalt aufgelöst, und Gerhard zog mit seiner eigenen Familie und seiner Arztpraxis in eine andere Wohnung in demselben Haus. Hier wurde er am 11.11.1938 inhaftiert. Es war sein 45. Geburtstag.<br />
Gerhard war von Beruf Frauenarzt und Geburtshelfer. Seine medizinische Ausbildung wurde vom Ersten Weltkrieg unterbrochen. Er hat den ganzen Krieg hindurch an der Westfront als Feldarzt gedient und hat das Eiserne Kreuz erhalten. Kurz vor Kriegsende wurde er Amerikanischer Kriegsgefangener. In den 1920er Jahren eröffnete er eine Privatpraxis als Frauenarzt mit einem Beratungsraum in der Familienwohnung in der Nürnbergerstraße 66. Die gut gehende Praxis hat sich bis 1933 ständig erweitert; er war auch Kassenarzt und wurde von der Stadt Berlin als Leiter der Ärztlichen Beratungsstelle (Schwangerenfürsorge) Wedding angestellt. Gerhard liebte seine Arbeit und war bei seinen Patienten beliebt. Dazu hat er glänzend Klavier gespielt; er war Komponist und Dichter, und ein lebhafter und amüsanter Gefährte.<br />
Am 6.8.1927 hat er sich mit Anneliese geb. Finster verheiratet. Im selben Jahr adoptierte er Annelieses einjährige Tochter Ruth (auch Rüthli genannt), deren Geburt er überwacht hatte. Gerhard war von Geburt an Christ, aber wegen seiner Abstammung galt er als “Volljude”. Seit 1933 stand er deswegen unter wachsendem Druck. Zunächst wurde ihm die leitende Stelle in Wedding entzogen. Einige Jahre später verlor er die Kassenzulassung. Im Herbst 1938 durfte er nur noch Juden ärztlich behandeln. Zu den Verlusten an Berufseinkommen kamen Vermögen-sabgaben, von den seelischen Leiden jener Jahre ganz zu schweigen <br />
Am 11.11.1938 wurde er von der Gestapo, im Rahmen der allgemeinen Verfolgungsmaßnahmen nach dem Kristallnachtpogrom, verhaftet und in das Konzentrationslager Sachsenhausen verbracht, wo er 5½ Wochen lang misshandelt wurde. Über seine Verhaftung hat Gerhard einen bewegenden Bericht geschrieben, wovon sich eine Abschrift im Archiv der Gedenkstätte Sachsenhausen befindet. Am 17. Dezember 1938 wurde er von dort unter der Bedingung alsbaldiger Auswanderung entlassen. Er kam, gesundheitlich gebrochen, wie ein Geist nach Hause, wo Anneliese gerade eine kleine vorzeitige Weihnachtsfeier für die 12-jährige Rüthli veranstaltete, die noch vor Weihnachten unter Begleitung einer Freundin, nach England reiste. Gerhard und Anneliese sind am 27.1.1939 ebenfalls nach England gereist. Wie bei den anderen Mitgliedern der Familie, wurde das gesamte Vermögen von den Behörden in Berlin beschlagnahmt. Einer von zwei “Lifts” mit Umzugsgut wurde im Hamburger Freihafen festgehalten und verschleudert. Bei der Einreise in England musste Gerhard sich verpflichten keinerlei Anstellung anzunehmen und sich in keinerlei Geschäft, Beruf oder Beschäftigung zu betätigen. Marcel Wolfers, ein in England angesiedeltes Mitglied einer mit den Friedmanns und den Brauns über viele Jahrzehnte befreundeten Familie, hat die für die Einwanderung notwendige Garantie gegeben und Gerhard, Anneliese und Rüthli von Januar 1939 bis zum Herbst 1942 Unterhalt gewährt.<br />
Ursprünglich hatte Gerhard mit seiner Familie nach Amerika auswandern wollen. Diese Hoffnung zerschlug sich. Gerhard wurde einige Monate lang von den britischen Behörden interniert und verbrachte viele Monate im Krankenhaus mit Magengeschwüren; er musste sich mehreren schweren Operationen unterziehen. Endlich erteilten ihm die englischen Behörden die Genehmigung zur beruflichen Betätigung in beschränktem Umfang und am 14.9.1942 fand er Anstellung am Selly Oak Hospital, Birmingham, die er bis zum 31.1.1946 ausübte. Da er aber keine englische Qualifikation besaß, durfte er nur als Junior Medical Officer (Unterarzt) arbeiten und musste daher als gesundheitlich beschädigter Fünfzigjähriger die schwere Krankenhausarbeit leisten, die gewöhnlich jungen Ärzten im Alter von 25 - 30 Jahren auferlegt wird. Er liebte es, wieder als Arzt zu arbeiten. Aber die Sorgen der arbeitslosen Jahre und die Überarbeitung der darauf folgenden Zeit, beides Folgen der erzwungenen Existenz im Ausland, schädigten seine ohnehin angegriffene Gesundheit. Zuletzt wurde er zunehmend deprimiert und körperlich krank. Er starb im Mai 1946 im Alter von 52 Jahren.<br />

Gerhard Felix Braun wurde am 11. November 1893 in Berlin geboren. Er war der älteste Sohn und das zweite Kind des späteren geheimen Justizrats Felix Friedmann-Braun und seiner Ehefrau Gertrud Friedmann-Braun. Die Wohnung in der Nürnbergerstraße 66, wo die Stolpersteine zur Erinnerung an Gerhard und seine Angehörigen verlegt worden sind, war sein Heim für drei Jahrzehnte. Nach dem Tode des Vaters 1934 wurde der Haushalt aufgelöst, und Gerhard zog mit seiner eigenen Familie und seiner Arztpraxis in eine andere Wohnung in demselben Haus. Hier wurde er am 11.11.1938 inhaftiert. Es war sein 45. Geburtstag.
Gerhard war von Beruf Frauenarzt und Geburtshelfer. Seine medizinische Ausbildung wurde vom Ersten Weltkrieg unterbrochen. Er hat den ganzen Krieg hindurch an der Westfront als Feldarzt gedient und hat das Eiserne Kreuz erhalten. Kurz vor Kriegsende wurde er Amerikanischer Kriegsgefangener. In den 1920er Jahren eröffnete er eine Privatpraxis als Frauenarzt mit einem Beratungsraum in der Familienwohnung in der Nürnbergerstraße 66. Die gut gehende Praxis hat sich bis 1933 ständig erweitert; er war auch Kassenarzt und wurde von der Stadt Berlin als Leiter der Ärztlichen Beratungsstelle (Schwangerenfürsorge) Wedding angestellt. Gerhard liebte seine Arbeit und war bei seinen Patienten beliebt. Dazu hat er glänzend Klavier gespielt; er war Komponist und Dichter, und ein lebhafter und amüsanter Gefährte.
Am 6.8.1927 hat er sich mit Anneliese geb. Finster verheiratet. Im selben Jahr adoptierte er Annelieses einjährige Tochter Ruth (auch Rüthli genannt), deren Geburt er überwacht hatte. Gerhard war von Geburt an Christ, aber wegen seiner Abstammung galt er als “Volljude”. Seit 1933 stand er deswegen unter wachsendem Druck. Zunächst wurde ihm die leitende Stelle in Wedding entzogen. Einige Jahre später verlor er die Kassenzulassung. Im Herbst 1938 durfte er nur noch Juden ärztlich behandeln. Zu den Verlusten an Berufseinkommen kamen Vermögen-sabgaben, von den seelischen Leiden jener Jahre ganz zu schweigen
Am 11.11.1938 wurde er von der Gestapo, im Rahmen der allgemeinen Verfolgungsmaßnahmen nach dem Kristallnachtpogrom, verhaftet und in das Konzentrationslager Sachsenhausen verbracht, wo er 5½ Wochen lang misshandelt wurde. Über seine Verhaftung hat Gerhard einen bewegenden Bericht geschrieben, wovon sich eine Abschrift im Archiv der Gedenkstätte Sachsenhausen befindet. Am 17. Dezember 1938 wurde er von dort unter der Bedingung alsbaldiger Auswanderung entlassen. Er kam, gesundheitlich gebrochen, wie ein Geist nach Hause, wo Anneliese gerade eine kleine vorzeitige Weihnachtsfeier für die 12-jährige Rüthli veranstaltete, die noch vor Weihnachten unter Begleitung einer Freundin, nach England reiste. Gerhard und Anneliese sind am 27.1.1939 ebenfalls nach England gereist. Wie bei den anderen Mitgliedern der Familie, wurde das gesamte Vermögen von den Behörden in Berlin beschlagnahmt. Einer von zwei “Lifts” mit Umzugsgut wurde im Hamburger Freihafen festgehalten und verschleudert. Bei der Einreise in England musste Gerhard sich verpflichten keinerlei Anstellung anzunehmen und sich in keinerlei Geschäft, Beruf oder Beschäftigung zu betätigen. Marcel Wolfers, ein in England angesiedeltes Mitglied einer mit den Friedmanns und den Brauns über viele Jahrzehnte befreundeten Familie, hat die für die Einwanderung notwendige Garantie gegeben und Gerhard, Anneliese und Rüthli von Januar 1939 bis zum Herbst 1942 Unterhalt gewährt.
Ursprünglich hatte Gerhard mit seiner Familie nach Amerika auswandern wollen. Diese Hoffnung zerschlug sich. Gerhard wurde einige Monate lang von den britischen Behörden interniert und verbrachte viele Monate im Krankenhaus mit Magengeschwüren; er musste sich mehreren schweren Operationen unterziehen. Endlich erteilten ihm die englischen Behörden die Genehmigung zur beruflichen Betätigung in beschränktem Umfang und am 14.9.1942 fand er Anstellung am Selly Oak Hospital, Birmingham, die er bis zum 31.1.1946 ausübte. Da er aber keine englische Qualifikation besaß, durfte er nur als Junior Medical Officer (Unterarzt) arbeiten und musste daher als gesundheitlich beschädigter Fünfzigjähriger die schwere Krankenhausarbeit leisten, die gewöhnlich jungen Ärzten im Alter von 25 - 30 Jahren auferlegt wird. Er liebte es, wieder als Arzt zu arbeiten. Aber die Sorgen der arbeitslosen Jahre und die Überarbeitung der darauf folgenden Zeit, beides Folgen der erzwungenen Existenz im Ausland, schädigten seine ohnehin angegriffene Gesundheit. Zuletzt wurde er zunehmend deprimiert und körperlich krank. Er starb im Mai 1946 im Alter von 52 Jahren.