Julius Jastrowitz

Verlegeort
Mommsenstr. 47
Bezirk/Ortsteil
Charlottenburg
Verlegedatum
22. Februar 2019
Geboren
13. März 1876 in Berlin
Deportation
am 12. Januar 1943 nach Auschwitz
Ermordet
1943 in Auschwitz

Julius Jastrowitz kam am 13. März 1876 in Berlin zur Welt. Seine Eltern waren Ludwig Jastrowitz und Pauline Jastrowitz geb. Isaak. Der Vater war Schneidermeister und arbeitete die meiste Zeit seines Berufslebens für die Militär-Effekten-Handlung Mohr und Speyer in der Jägerstraße. Julius hatte einen Bruder, Benno, und drei Schwestern, Rosa, Ernestine und Betty. Seine Jugend verbrachte Julius vornehmlich in der Spandauer Vorstadt, seine Eltern zogen von der Kleinen Hamburger in die Oranien- und dann in die Rosenthaler Straße. 1896 wohnten sie wiederum in die Linienstraße 76. Im nächsten Jahr erhielt Julius seinen ersten eigenen Eintrag ins Adressbuch, mit der gleichen Anschrift wie sein Vater in der Linienstraße 76. Julius war inzwischen Kaufmann, hatte seine Lehre bei der Textilfirma Gebrüder Iklé, Mechanischen Stickereien, der Schweizer Brüder Julius und Josef Iklé in der Breiten Straße 1/2 absolviert. Bei den Gebrüdern Iklé blieb er angestellt als Reisender bis er 1913 zusammen mit seinem Kollegen Max Hirsch die Knopffabrik Duisberg & Co in der Köpenicker Straße 133 kaufte. Der Firmengründer Martin Duisberg war 1912 gestorben und seine Witwe verkaufte die Fabrik. Die Firma florierte unter den neuen Besitzern. 1922 – Julius wohnte nun mit seiner verwitweten Mutter in der Zionskirchstraße 28 – heiratete er die Witwe Betty Presch geb. Moses.<br />
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Julius ließ sich im Adressbuch in den folgenden Jahren sowohl mit der alten Adresse Zionskirchstraße 28, wie auch mit der Anschrift Greifswalder Straße 191 eintragen, er war zu Betty gezogen. 1926 wechselten Julius und Betty mit Bettys Kindern in eine 6-Zimmer-Wohnung in der Mommsenstraße 47, 2. Stock links, die später von Verwandten und Freunden als „sehr elegant und vornehm eingerichtet“ beschrieben wurde. Julius und Bettys Ehe blieb kinderlos.<br />
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Die Knopffabrik prosperierte, wurde ausgebaut, hatte etwa 50 Angestellte. Zu ihr gehörte auch eine Filiale in Gablonz in Böhmen. Julius Jastrowitz war Eigentümer des Fabrikgrundstücks und eines Hauses in der Exerzierstraße. Noch 1937 bescheinigte die IHK (Industrie- und Handelskammer), das Unternehmen sei „vollkaufmännisch, widme sich der Fabrikation und Großhandel von Knöpfen, Schließen, Schnallen aus Galalith und Metall“. Zu diesem Zeitpunkt waren die Nationalsozialisten bereits vier Jahre an der Macht, hatten Judenfeindlichkeit zur offiziellen Politik erklärt, Judenboykotte ausgerufen. Sicherlich hat das auch die Knopffabrik betroffen. 1939 wurden schließlich Julius und Max Hirsch gezwungen, die Firma aufzugeben, am 20. Mai 1939 schieden beide aus. Die IHK teilte mit: „…es handelt sich um die mit polizeilicher Genehmigung erfolgende Arisierung… den ausscheidenden Gesellschaftern ist eine Abfindung nicht gewährt worden, vielmehr war ihnen lediglich das vorhandene Inventar und Warenlager bezahlt worden.“ Ob die 8500 RM, die ihnen zugesprochen wurden, dem tatsächlichen Wert des Lagers entsprachen und ob sie sie überhaupt erhielten, sei dahingestellt. Käufer waren ein Erich Koch und ein Paul Beckmann.<br />
<br />
Juden konnten nicht mehr frei über ihr Vermögen verfügen, ihre Konten waren als „Sicherheitskonten“ gesperrt, sie durften lediglich monatlich eine dem Existenzminimum entsprechende Summe abheben. Das war eine der vielen Einschränkungen des Berufs- und Alltagslebens, die über Juden via Verordnungen verhängt worden waren, die größte Zahl davon nach den Pogromen vom November 1938. Zur Ablieferung von Wertgegenständen und anderem – etwa Radios – kamen zahlreiche Verbote hinzu – Theater, Kinos, Konzerte, öffentliche Verkehrsmittel u.ä. – und auch die Zwangseinweisung von Untermietern, um Wohnraum für Nichtjuden frei zu machen. 1941 (Ilse hatte 1934 geheiratet, Manfred war glücklich ausgewandert) lebten in Jastrowitz’ Wohnung noch zwei weitere Ehepaare, ein Junggeselle und eine alleinstehende ältere Dame.<br />
Anfang 1943 wurde Julius Jastrowitz mit seiner Frau Betty in das Sammellager Große Hamburger Straße 26 verbracht. Am 12. Januar 1943 wurden sie nach Auschwitz deportiert, im gleichen Zug wie die Schriftstellerin Else Ury, die die beliebten „Nesthäkchen“-Geschichten geschrieben hatte. Auch Jastrowitz’ Untermieter Ida und Hans David waren in diesem Zug. In Auschwitz wurden von 1196 Deportierten lediglich 127 Männer zur Zwangsarbeit ausgesucht, Julius war sicherlich nicht darunter, da er bereits auf der Deportationsliste als nicht arbeitsfähig eingestuft war. So wurden er und Betty mit allen übrigen Opfern in den Gaskammern ermordet.<br />
<br />
Untermieter Richard Bandmann und seine Frau Frieda wurden verschont, da letztere nicht Jüdin war. Sie haben später bezeugt, dass die Wohnung mit Ausnahme ihres Zimmers versiegelt wurde, dennoch öfter uniformierte Leute etwas „geholt“ hätten. Alles andere wurde von dem Deutschen Reich „eingezogen“, sprich geraubt. Der Versteigehrungserlös erbrachte allerdings nur 512.- RM. Nach dem Krieg wird ein Gericht feststellen, dass solche „Sonderverwertungen“ wohl sehr massiv gewesen sein mussten, da der Erlös des Restes so niedrig ausfiel. Ein Gutachter hatte für das Gericht den Neuwert der einst vorhandenen Möbel auf ca. 50000 DM geschätzt.<br />
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Bettys Bruder Georg Moses, seine Frau Hertha und der 7-jährige Sohn Gerd wurden am 4. November 1942 nach Theresienstadt deportiert. Alle drei wurden am 23. Januar 1943 nach Auschwitz weiterverschleppt und dort ermordet. Für sie liegen Stolpersteine in der Pommernstraße in Gartz an der Oder. Julius’ Schwester Betty und ihr Mann Herrmann Baranski deportierte man am 28. Oktober 1942 nach Theresienstadt, wo beide an den unbeschreiblich schlechten dortigen Lebensumständen starben. Ihre Tochter Edith und deren Mann Bruno Neumann waren schon vorher, am 14. April 1942 in das Warschauer Ghetto deportiert worden, wo auch sie zu Tode kamen. Die Tochter Ruth Neumann konnte durch einen Kindertransport nach England gerettet werden. Alle fünf hatten in Schöneiche bei Berlin gelebt, dort erinnern in der Eichenstraße 24 und 26 fünf Stolpersteine an sie. Zwei Söhne, Erich und Heinz Baranski, konnten rechtzeitig Deutschland verlassen, wie auch Julius’ Bruder Benno. Auch die Schwester Rosa und die Kinder von Ernestine, Meta und Bruno, überlebten, Ernestine war möglicherweise schon früher gestorben, sie ist in keinem Gedenkbuch vermerkt.

Julius Jastrowitz kam am 13. März 1876 in Berlin zur Welt. Seine Eltern waren Ludwig Jastrowitz und Pauline Jastrowitz geb. Isaak. Der Vater war Schneidermeister und arbeitete die meiste Zeit seines Berufslebens für die Militär-Effekten-Handlung Mohr und Speyer in der Jägerstraße. Julius hatte einen Bruder, Benno, und drei Schwestern, Rosa, Ernestine und Betty. Seine Jugend verbrachte Julius vornehmlich in der Spandauer Vorstadt, seine Eltern zogen von der Kleinen Hamburger in die Oranien- und dann in die Rosenthaler Straße. 1896 wohnten sie wiederum in die Linienstraße 76. Im nächsten Jahr erhielt Julius seinen ersten eigenen Eintrag ins Adressbuch, mit der gleichen Anschrift wie sein Vater in der Linienstraße 76. Julius war inzwischen Kaufmann, hatte seine Lehre bei der Textilfirma Gebrüder Iklé, Mechanischen Stickereien, der Schweizer Brüder Julius und Josef Iklé in der Breiten Straße 1/2 absolviert. Bei den Gebrüdern Iklé blieb er angestellt als Reisender bis er 1913 zusammen mit seinem Kollegen Max Hirsch die Knopffabrik Duisberg & Co in der Köpenicker Straße 133 kaufte. Der Firmengründer Martin Duisberg war 1912 gestorben und seine Witwe verkaufte die Fabrik. Die Firma florierte unter den neuen Besitzern. 1922 – Julius wohnte nun mit seiner verwitweten Mutter in der Zionskirchstraße 28 – heiratete er die Witwe Betty Presch geb. Moses.

Julius ließ sich im Adressbuch in den folgenden Jahren sowohl mit der alten Adresse Zionskirchstraße 28, wie auch mit der Anschrift Greifswalder Straße 191 eintragen, er war zu Betty gezogen. 1926 wechselten Julius und Betty mit Bettys Kindern in eine 6-Zimmer-Wohnung in der Mommsenstraße 47, 2. Stock links, die später von Verwandten und Freunden als „sehr elegant und vornehm eingerichtet“ beschrieben wurde. Julius und Bettys Ehe blieb kinderlos.

Die Knopffabrik prosperierte, wurde ausgebaut, hatte etwa 50 Angestellte. Zu ihr gehörte auch eine Filiale in Gablonz in Böhmen. Julius Jastrowitz war Eigentümer des Fabrikgrundstücks und eines Hauses in der Exerzierstraße. Noch 1937 bescheinigte die IHK (Industrie- und Handelskammer), das Unternehmen sei „vollkaufmännisch, widme sich der Fabrikation und Großhandel von Knöpfen, Schließen, Schnallen aus Galalith und Metall“. Zu diesem Zeitpunkt waren die Nationalsozialisten bereits vier Jahre an der Macht, hatten Judenfeindlichkeit zur offiziellen Politik erklärt, Judenboykotte ausgerufen. Sicherlich hat das auch die Knopffabrik betroffen. 1939 wurden schließlich Julius und Max Hirsch gezwungen, die Firma aufzugeben, am 20. Mai 1939 schieden beide aus. Die IHK teilte mit: „…es handelt sich um die mit polizeilicher Genehmigung erfolgende Arisierung… den ausscheidenden Gesellschaftern ist eine Abfindung nicht gewährt worden, vielmehr war ihnen lediglich das vorhandene Inventar und Warenlager bezahlt worden.“ Ob die 8500 RM, die ihnen zugesprochen wurden, dem tatsächlichen Wert des Lagers entsprachen und ob sie sie überhaupt erhielten, sei dahingestellt. Käufer waren ein Erich Koch und ein Paul Beckmann.

Juden konnten nicht mehr frei über ihr Vermögen verfügen, ihre Konten waren als „Sicherheitskonten“ gesperrt, sie durften lediglich monatlich eine dem Existenzminimum entsprechende Summe abheben. Das war eine der vielen Einschränkungen des Berufs- und Alltagslebens, die über Juden via Verordnungen verhängt worden waren, die größte Zahl davon nach den Pogromen vom November 1938. Zur Ablieferung von Wertgegenständen und anderem – etwa Radios – kamen zahlreiche Verbote hinzu – Theater, Kinos, Konzerte, öffentliche Verkehrsmittel u.ä. – und auch die Zwangseinweisung von Untermietern, um Wohnraum für Nichtjuden frei zu machen. 1941 (Ilse hatte 1934 geheiratet, Manfred war glücklich ausgewandert) lebten in Jastrowitz’ Wohnung noch zwei weitere Ehepaare, ein Junggeselle und eine alleinstehende ältere Dame.
Anfang 1943 wurde Julius Jastrowitz mit seiner Frau Betty in das Sammellager Große Hamburger Straße 26 verbracht. Am 12. Januar 1943 wurden sie nach Auschwitz deportiert, im gleichen Zug wie die Schriftstellerin Else Ury, die die beliebten „Nesthäkchen“-Geschichten geschrieben hatte. Auch Jastrowitz’ Untermieter Ida und Hans David waren in diesem Zug. In Auschwitz wurden von 1196 Deportierten lediglich 127 Männer zur Zwangsarbeit ausgesucht, Julius war sicherlich nicht darunter, da er bereits auf der Deportationsliste als nicht arbeitsfähig eingestuft war. So wurden er und Betty mit allen übrigen Opfern in den Gaskammern ermordet.

Untermieter Richard Bandmann und seine Frau Frieda wurden verschont, da letztere nicht Jüdin war. Sie haben später bezeugt, dass die Wohnung mit Ausnahme ihres Zimmers versiegelt wurde, dennoch öfter uniformierte Leute etwas „geholt“ hätten. Alles andere wurde von dem Deutschen Reich „eingezogen“, sprich geraubt. Der Versteigehrungserlös erbrachte allerdings nur 512.- RM. Nach dem Krieg wird ein Gericht feststellen, dass solche „Sonderverwertungen“ wohl sehr massiv gewesen sein mussten, da der Erlös des Restes so niedrig ausfiel. Ein Gutachter hatte für das Gericht den Neuwert der einst vorhandenen Möbel auf ca. 50000 DM geschätzt.

Bettys Bruder Georg Moses, seine Frau Hertha und der 7-jährige Sohn Gerd wurden am 4. November 1942 nach Theresienstadt deportiert. Alle drei wurden am 23. Januar 1943 nach Auschwitz weiterverschleppt und dort ermordet. Für sie liegen Stolpersteine in der Pommernstraße in Gartz an der Oder. Julius’ Schwester Betty und ihr Mann Herrmann Baranski deportierte man am 28. Oktober 1942 nach Theresienstadt, wo beide an den unbeschreiblich schlechten dortigen Lebensumständen starben. Ihre Tochter Edith und deren Mann Bruno Neumann waren schon vorher, am 14. April 1942 in das Warschauer Ghetto deportiert worden, wo auch sie zu Tode kamen. Die Tochter Ruth Neumann konnte durch einen Kindertransport nach England gerettet werden. Alle fünf hatten in Schöneiche bei Berlin gelebt, dort erinnern in der Eichenstraße 24 und 26 fünf Stolpersteine an sie. Zwei Söhne, Erich und Heinz Baranski, konnten rechtzeitig Deutschland verlassen, wie auch Julius’ Bruder Benno. Auch die Schwester Rosa und die Kinder von Ernestine, Meta und Bruno, überlebten, Ernestine war möglicherweise schon früher gestorben, sie ist in keinem Gedenkbuch vermerkt.