Sara Frieda Raphaelson

Verlegeort
Augsburger Str. 42 -44
Bezirk/Ortsteil
Charlottenburg
Verlegedatum
23. Oktober 2019
Geboren
14. September 1899 in Mönchengladbach
Deportation
am 18. Oktober 1941 nach Lodz / Litzmannstadt
Ermordet
09. Mai 1942 in Chelmno / Kulmhof

Der Familienstamm Raphaelson tritt erstmalig mit Hiob Raphael, der sich entsprechend dem Napoleonischen Dekret von 1808 in Levi Raphaelson umbenannte, in Herford aktenkundig in Erscheinung. <br />
Sara Frieda Raphaelson, genannt Frieda, war die am 14. September 1899 erstgeborene Tochter des Textilfabrikanten Louis Raphaelson und seiner Frau Elisabeth geb. Salomons, die einer Amsterdamer Familie entstammte. Frieda hatte fünf Geschwister.<br />
Ihr Vater betrieb nach seinem Wegzug von Herford in Mönchengladbach – dem „niederrheinischen Manchester“ – als Textilfabrikant eine größere Baumwollweberei und Ausrüstung. Er war dort zudem als Musikmäzen bekannt.<br />
Louis Raphaelson beteiligte sich 1913 in Berlin an der Knaben- und Herrenanzugfabrik Flesch. Die Familie war gerade nach Berlin, Holzmarkt, übergesiedelt, als er am 14. Januar 1914 an einer Lungenentzündung verstarb. Die Witwe Elisabeth ging mit ihren insgesamt sechs Kindern 1914 zurück nach Mönchengladbach. Für sie liegt ein Stolperstein in Mönchengladbach.<br />
Sara Frieda besuchte 1905 im Alter von fünf Jahren die jüdische Volksschule in Mönchengladbach, um wenige Jahre später auf die dortige Höhere-Töchter-Schule zu wechseln. Während ihres kurzen ersten Berliner Aufenthalts besuchte sie vorübergehend das Mädchengymnasium Kaiserin-Augusta-Schule. 1914 nahm sie nach ihrer Rückkehr in Mönchengladbach eine Schneiderinnenlehre auf, die sie mit 18 Jahren abschloss. Anschließend arbeitete sie in verschiedenen Modeateliers in Mönchengladbach.<br />
1928 siedelte sie nach Berlin über, wo bereits ihre Schwester Anna (Aenne) seit 1924 eine Anstellung als Direktrice in dem Berliner Damenwäscheatelier ETAM hatte. 1929 findet sich erstmalig ein Eintrag von Frieda in der Berliner Kastanienallee. Danach wechselte sie in die Schönhauser Allee. Durch Abendkurse bildete sie sich zur Schneidermeisterin weiter. <br />
Als es für Juden immer schwieriger wurde, ihren Beruf auszuüben, zog sie 1934 ins Bayerische Viertel zu ihrer jüdischen Kundschaft und wohnte in der Augsburgerstraße 35, wo sie ein kleines Atelier einrichtete. Das im Zweiten Weltkrieg zerstörte Wohnhaus muss an der heutigen Nummer 42–44 gestanden haben. Das Bayrische Viertel war bereits seit der Jahrhundertwende ein Anziehungspunkt für jüdische Berliner.<br />
Am 18. Oktober 1941 begannen die ersten systematischen Deportationen aus Berlin nach „Osten“. Frieda wurde als ledige Jüdin mit diesem ersten Transport gemeinsam mit ca. 1090 weiteren Berliner Juden in Viehtransportern vom Güterbahnhof Grunewald, Gleis 17, aus nach Lodz ins Ghetto Litzmannstadt deportiert. Sie musste dafür auch noch ein Bahnticket für ca. 100 RM bei der Deutschen Reichsbahn bezahlen.<br />
In Litzmannstadt wurde ihr in der Alexanderhofstr. 9, in der Unterkunft 7a (direkt an der Ghettomauer in der Nähe des Gestapogefängnisses) ein Platz in einer 60 m² großen Wohnung zugewiesen, in welcher bereits zahlreiche andere Juden (überwiegend aus Polen) einquartiert waren. Ein Zeitzeuge aus Mönchengladbach berichtete: „Man schlief mit 80 Personen in einem Raum, wie die Sardinen zusammengepfercht auf dem Boden liegend in Kleidern …“<br />
Zu Friedas Überraschung wurde ihr jüngerer lediger Bruder Karl Heinrich, der in Köln lebte, mit dem IV. Transport aus dem Rheinland, der am 30. Oktober 1941 von Köln abging, ebenfalls nach Lodz deportiert. Der Judenrat in Lodz wies ihm einen Platz in derselben Unterkunft Alexanderhof 9/7a zu.<br />
Nach sechsmonatigem Ghetto-Aufenthalt, der von Hunger und Krankheit bestimmt war, fiel Frieda Raphaelson unter die sogenannte Aussiedlungsaktion. Der Ältestenrat der Juden hatte die Deportation zu organisieren und die betroffenen Personen auszuwählen. Anfang Mai wurde Frieda bekannt gegeben, dass sie am 8. Mai 1942 mit weiteren 1000 Ghetto-Juden mit unbekanntem Ziel „ausgesiedelt“ werde. Frieda hatte sich mit den anderen Leidensgenossen jeweils mit 15 kg Gepäck zum Bahnhof Radogoszcz (Radegast) am nördlichen Rand des Ghettos zur Verladung zu begeben. Sie hat sich vermutlich noch von ihrem Bruder Karl Heinrich verabschieden können, der wenig später, am 29. Juni 1942, im Ghettohospital Lodz – angeblich – an Darmkatarrh verstarb. Für ihn liegt ein Stolperstein in Köln.<br />
Am Morgen des 9. Mai 1942 wurden jeweils ca. 60 Personen mit Peitschenhieben in einen geschlossenen Kastenwagen, ähnlich einem Möbelwagen, getrieben. Nachdem die Türen an dem LKW geschlossen waren, leitete man mit einem Schlauch die Abgase des Wagens in das dunkle Innere. Nach etwa zehn Minuten waren die armen Opfer erstickt. Der LKW fuhr langsam in ein circa 4 km entferntes „Waldlager“ bei Chelmno / Kulmhof, wo bereits Massengräber ausgehoben waren. Die Toten wurden von einem jüdischen Sonderkommando, das häufig ausgetauscht und anschließend ebenfalls getötet wurde, verscharrt.<br />
So muss das Ende von Frieda Raphaelson gewesen sein.<br />
Der französische Regisseur und Produzent Claude Lanzmann hat nach langen Recherchen 1985 in einem zehnstündigen Dokumentarfilm Zeitzeugen aus Kulmhof befragt und die Aussagen dokumentiert.<br />

Der Familienstamm Raphaelson tritt erstmalig mit Hiob Raphael, der sich entsprechend dem Napoleonischen Dekret von 1808 in Levi Raphaelson umbenannte, in Herford aktenkundig in Erscheinung.
Sara Frieda Raphaelson, genannt Frieda, war die am 14. September 1899 erstgeborene Tochter des Textilfabrikanten Louis Raphaelson und seiner Frau Elisabeth geb. Salomons, die einer Amsterdamer Familie entstammte. Frieda hatte fünf Geschwister.
Ihr Vater betrieb nach seinem Wegzug von Herford in Mönchengladbach – dem „niederrheinischen Manchester“ – als Textilfabrikant eine größere Baumwollweberei und Ausrüstung. Er war dort zudem als Musikmäzen bekannt.
Louis Raphaelson beteiligte sich 1913 in Berlin an der Knaben- und Herrenanzugfabrik Flesch. Die Familie war gerade nach Berlin, Holzmarkt, übergesiedelt, als er am 14. Januar 1914 an einer Lungenentzündung verstarb. Die Witwe Elisabeth ging mit ihren insgesamt sechs Kindern 1914 zurück nach Mönchengladbach. Für sie liegt ein Stolperstein in Mönchengladbach.
Sara Frieda besuchte 1905 im Alter von fünf Jahren die jüdische Volksschule in Mönchengladbach, um wenige Jahre später auf die dortige Höhere-Töchter-Schule zu wechseln. Während ihres kurzen ersten Berliner Aufenthalts besuchte sie vorübergehend das Mädchengymnasium Kaiserin-Augusta-Schule. 1914 nahm sie nach ihrer Rückkehr in Mönchengladbach eine Schneiderinnenlehre auf, die sie mit 18 Jahren abschloss. Anschließend arbeitete sie in verschiedenen Modeateliers in Mönchengladbach.
1928 siedelte sie nach Berlin über, wo bereits ihre Schwester Anna (Aenne) seit 1924 eine Anstellung als Direktrice in dem Berliner Damenwäscheatelier ETAM hatte. 1929 findet sich erstmalig ein Eintrag von Frieda in der Berliner Kastanienallee. Danach wechselte sie in die Schönhauser Allee. Durch Abendkurse bildete sie sich zur Schneidermeisterin weiter.
Als es für Juden immer schwieriger wurde, ihren Beruf auszuüben, zog sie 1934 ins Bayerische Viertel zu ihrer jüdischen Kundschaft und wohnte in der Augsburgerstraße 35, wo sie ein kleines Atelier einrichtete. Das im Zweiten Weltkrieg zerstörte Wohnhaus muss an der heutigen Nummer 42–44 gestanden haben. Das Bayrische Viertel war bereits seit der Jahrhundertwende ein Anziehungspunkt für jüdische Berliner.
Am 18. Oktober 1941 begannen die ersten systematischen Deportationen aus Berlin nach „Osten“. Frieda wurde als ledige Jüdin mit diesem ersten Transport gemeinsam mit ca. 1090 weiteren Berliner Juden in Viehtransportern vom Güterbahnhof Grunewald, Gleis 17, aus nach Lodz ins Ghetto Litzmannstadt deportiert. Sie musste dafür auch noch ein Bahnticket für ca. 100 RM bei der Deutschen Reichsbahn bezahlen.
In Litzmannstadt wurde ihr in der Alexanderhofstr. 9, in der Unterkunft 7a (direkt an der Ghettomauer in der Nähe des Gestapogefängnisses) ein Platz in einer 60 m² großen Wohnung zugewiesen, in welcher bereits zahlreiche andere Juden (überwiegend aus Polen) einquartiert waren. Ein Zeitzeuge aus Mönchengladbach berichtete: „Man schlief mit 80 Personen in einem Raum, wie die Sardinen zusammengepfercht auf dem Boden liegend in Kleidern …“
Zu Friedas Überraschung wurde ihr jüngerer lediger Bruder Karl Heinrich, der in Köln lebte, mit dem IV. Transport aus dem Rheinland, der am 30. Oktober 1941 von Köln abging, ebenfalls nach Lodz deportiert. Der Judenrat in Lodz wies ihm einen Platz in derselben Unterkunft Alexanderhof 9/7a zu.
Nach sechsmonatigem Ghetto-Aufenthalt, der von Hunger und Krankheit bestimmt war, fiel Frieda Raphaelson unter die sogenannte Aussiedlungsaktion. Der Ältestenrat der Juden hatte die Deportation zu organisieren und die betroffenen Personen auszuwählen. Anfang Mai wurde Frieda bekannt gegeben, dass sie am 8. Mai 1942 mit weiteren 1000 Ghetto-Juden mit unbekanntem Ziel „ausgesiedelt“ werde. Frieda hatte sich mit den anderen Leidensgenossen jeweils mit 15 kg Gepäck zum Bahnhof Radogoszcz (Radegast) am nördlichen Rand des Ghettos zur Verladung zu begeben. Sie hat sich vermutlich noch von ihrem Bruder Karl Heinrich verabschieden können, der wenig später, am 29. Juni 1942, im Ghettohospital Lodz – angeblich – an Darmkatarrh verstarb. Für ihn liegt ein Stolperstein in Köln.
Am Morgen des 9. Mai 1942 wurden jeweils ca. 60 Personen mit Peitschenhieben in einen geschlossenen Kastenwagen, ähnlich einem Möbelwagen, getrieben. Nachdem die Türen an dem LKW geschlossen waren, leitete man mit einem Schlauch die Abgase des Wagens in das dunkle Innere. Nach etwa zehn Minuten waren die armen Opfer erstickt. Der LKW fuhr langsam in ein circa 4 km entferntes „Waldlager“ bei Chelmno / Kulmhof, wo bereits Massengräber ausgehoben waren. Die Toten wurden von einem jüdischen Sonderkommando, das häufig ausgetauscht und anschließend ebenfalls getötet wurde, verscharrt.
So muss das Ende von Frieda Raphaelson gewesen sein.
Der französische Regisseur und Produzent Claude Lanzmann hat nach langen Recherchen 1985 in einem zehnstündigen Dokumentarfilm Zeitzeugen aus Kulmhof befragt und die Aussagen dokumentiert.