Heinrich Benjamin Simmenauer

Verlegeort
Nürnberger Straße 38
Historischer Name
Nürnberger Platz 3
Bezirk/Ortsteil
Wilmersdorf
Verlegedatum
23. Oktober 2019
Geboren
18. Oktober 1869 in Brzezinka (Oberschlesien)
Beruf
Kaufmann
Ermordet
06. April 1940 in der Heilanstalt Bernau

Am 23. Oktober 2019 wurden am Rand einer kleinen Grünanlage an der Nürnberger Straße 38 in Berlin-Wilmersdorf zwei Stolpersteine verlegt. Etwa an gleicher Stelle stand einst ein Wohn- und Geschäftshaus mit der Adresse Nürnberger Platz 3. Der Nürnberger Platz existiert heute nicht mehr. Im 2. Stock des Seitenflügels befand sich seit 1939 die letzte gemeinsame Wohnung des Kaufmanns Heinrich Simmenauer und seiner Ehefrau Selma, geborene Ottenstein. <br />
<br />
Heinrich Simmenauer war am 18. Oktober 1869 in Brzezinka bei Gleiwitz in Oberschlesien geboren worden, seine Frau Selma kam am 30. November 1879 in Berlin auf die Welt. Das Ehepaar heiratete am 27. Dezember 1900 und bekam im Abstand von wenigen Jahren drei Kinder.<br />
<br />
Heinrich Simmenauer führte seit 1908 einen Gewerbebetrieb für Knöpfe und Kurzwaren sowie Bedarfsartikel für Schneider und Kürschner. Sein Geschäft befand sich seit 1932 in zentraler Lage an der Neuen Friedrichstraße 38-40, doch konnte er sich nach dem Boykott 1933 dort nicht halten. Der letzte Standort vor der endgültigen Schließung im Jahr 1936 war in der Elberfelder Straße in Berlin-Moabit. Nach Schließung des Ladens hatte das Ehepaar kein festes Einkommen und musste von Ersparnissen leben.<br />
<br />
Im gleichen Zeitraum hatten Heinrich und Selma Simmenauer mehrere Male die Wohnung gewechselt. Nürnberger Platz 3 war die letzte Meldeadresse. Im Januar 1940 wurde Heinrich Simmenauer in die Heilanstalt Bernau eingewiesen. Die Gründe für diese Einweisung sind unbekannt. Auch die Umstände seines in der Heilanstalt eingetretenen Todes am 6. April 1940 sind ungeklärt. Als offizielle Todesursache ist „div. Herzerkrankungen und Arteriosklerose“ registriert, aber es ist sehr wahrscheinlich, dass Heinrich Simmenauer vorsätzlich getötet wurde. Sein Leichnam wurde nach Berlin überführt und am 10. April 1940 im Jüdischen Friedhof Berlin-Weißensee bestattet. Selma Simmenauer als einzige Angehörige begleitete seinen letzten Weg.<br />
<br />
Die drei erwachsenen Kinder Hilde, Jenny und Felix Simmenauer lebten zu dem Zeitpunkt nicht mehr in Berlin. Hilde und Jenny waren 1937 nach England bzw. USA geflüchtet, Felix mit seiner Frau Charlotte flüchtete 1938 in die Vereinigten Staaten. Sie gingen nach Chicago, wo bereits Jenny Simmenauer lebte. <br />
<br />
Selma Simmenauer musste nach dem Tod ihres Mannes die Wohnung am Nürnberger Platz 3 räumen. Juden durften in dem Haus nicht mehr wohnen. Sie zog in die Güntzelstraße 19-20 und war 1941 als Mitbewohnerin bei dem Ehepaar Adolf und Dora Bernstein gemeldet.<br />
Im November 1941 erkrankte sie schwer und musste in der Schöneberger Bavaria – Klinik mehrfach operiert werden. Sie schrieb in einem verzweifelten Brief an ihre Kinder: <br />
„Wie Ihr seht, der liebe Gott hat mich beschützt u. so hoffe ich denn, daß er Euch Mittel und Wege finden läßt, mich zu Euch zu bringen, denn ich habe große Sehnsucht………Ihr müßt sehen bald etwas für mich zu tun, denn ich allein vermag es nicht.“<br />
<br />
Aus der Güntzelstraße wurde sie am 28. März 1942 mit dem Transport „Trawniki Welle b XI“ zusammen mit 974 anderen jüdischen Männern, Frauen und Kindern aus Berlin deportiert. Sie wurde sehr wahrscheinlich in das Ghetto Piaski eingewiesen. Nicht nur ihr Todesort, sondern auch das Todesdatum ist ungeklärt. Das Ehepaar Bernstein wurde am 14. September 1942 nach Theresienstadt deportiert, wo beide nach nur wenigen Wochen als „verstorben“ registriert wurden. <br />
<br />
1963 strengten Hilde, Jenny und Felix Simmenauer ein Verfahren beim Entschädigungsamt Berlin an. Sie erhofften sich, im Zuge dieses Verfahrens mehr über die letzten Monate und Wochen im Leben ihrer Mutter zu erfahren. Diese Hoffnung erfüllte sich nicht. Die Akte der Vermögensverwertungsstelle beim Oberfinanzpräsidenten, die für Selma Simmenauer bei ihrer Deportation angelegt worden war, existierte zu dem Zeitpunkt nicht mehr. In diesen Akten befinden sich oft mehr oder weniger detaillierte Angaben über die Lebenssituation und die Inhaftierung vor dem Transport. Wann Selma Simmenauers Akte vernichtet wurde, ist ungeklärt.<br />
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Felix Simmenauer <br />
Innenarchitekt<br />
geb. 7. Oktober 1903 in Berlin <br />
gest. 8. September 1990 in Berlin<br />
<br />
<br />
Charlotte Simmenauer<br />
geb. Schwarzmann<br />
geb. 9. Oktober 1910 in Beuthen / OS <br />
gest. 25. Juni 1986 in Berlin<br />
<br />
Nach dem Tod seiner Frau, mit der Felix Simmenauer 49 Jahre verheiratet war, nahm er Kontakt mit verschiedenen Institutionen im In- und Ausland auf. Er suchte nach einer passenden Einrichtung, der er sein umfangreiches Archiv vermachen könnte. In den 1920er Jahren war Simmenauer ein erfolgreicher Leichtathlet des Sportvereins Bar Kochba und nahm an den Makkabiaden 1928 und 1932 teil. Er interessierte sich generell für die jüdische Sportbewegung. An der im Jahr 1988 veranstalteten Ausstellung „Jüdische Sportler in Berlin 1898 bis 1938“ im Martin-Gropius-Bau nahm er großen Anteil. Unter dem Titel „Die Goldmedaille“ verfasste er seine Autobiografie, deren Schwerpunkt seine sportliche Karriere ist. <br />
<br />
Felix Simmenauer entschied sich letztendlich 1990, kurz bevor er im September starb, außer seinem Archiv mit insgesamt ca. 1500 Dokumenten auch sein Vermögen dem Jüdischen Museum Berlin zu vermachen – ein Museum, das damals noch gar nicht bestand, sondern erst 10 Jahre später als selbständige Institution gegründet wurde. In seinem notariellen Testament setzte er das Jüdische Museum als Alleinerbin ein. Ein separat verfasstes Vermächtnis, das dem Testament beigegeben ist, legt Zweck und Verwendung des Vermögens fest. <br />
<br />
Es ging Felix Simmenauer darum, das Andenken an seine Eltern zu wahren. <br />
Eine Selma und Heinrich Simmenauer-Stiftung sollte errichtet werden, um biografische Forschungen zu unterstützen, die sich aus der Museumsarbeit ergeben und für die es üblicherweise keinen Etat gibt. <br />
<br />
Die (museumsinterne) Stiftung, benannt nach seinen Eltern, hätte eine Säule für die Erinnerungsarbeit des Jüdischen Museums Berlin sein können. Sie wurde nie errichtet. <br />
Außer ihren Namen an der Sponsorenwand in der Eingangshalle des Museums erinnert nichts an sie. <br />
<br />
Nach zweijähriger Wartezeit wurden dann am 23. Oktober 2019 mit Unterstützung der 1975 gegründeten Gesellschaft für ein Jüdisches Museum in Berlin e.V. zwei Stolpersteine für Selma Simmenauer und Heinrich Simmenauer verlegt. <br />
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Am 23. Oktober 2019 wurden am Rand einer kleinen Grünanlage an der Nürnberger Straße 38 in Berlin-Wilmersdorf zwei Stolpersteine verlegt. Etwa an gleicher Stelle stand einst ein Wohn- und Geschäftshaus mit der Adresse Nürnberger Platz 3. Der Nürnberger Platz existiert heute nicht mehr. Im 2. Stock des Seitenflügels befand sich seit 1939 die letzte gemeinsame Wohnung des Kaufmanns Heinrich Simmenauer und seiner Ehefrau Selma, geborene Ottenstein.

Heinrich Simmenauer war am 18. Oktober 1869 in Brzezinka bei Gleiwitz in Oberschlesien geboren worden, seine Frau Selma kam am 30. November 1879 in Berlin auf die Welt. Das Ehepaar heiratete am 27. Dezember 1900 und bekam im Abstand von wenigen Jahren drei Kinder.

Heinrich Simmenauer führte seit 1908 einen Gewerbebetrieb für Knöpfe und Kurzwaren sowie Bedarfsartikel für Schneider und Kürschner. Sein Geschäft befand sich seit 1932 in zentraler Lage an der Neuen Friedrichstraße 38-40, doch konnte er sich nach dem Boykott 1933 dort nicht halten. Der letzte Standort vor der endgültigen Schließung im Jahr 1936 war in der Elberfelder Straße in Berlin-Moabit. Nach Schließung des Ladens hatte das Ehepaar kein festes Einkommen und musste von Ersparnissen leben.

Im gleichen Zeitraum hatten Heinrich und Selma Simmenauer mehrere Male die Wohnung gewechselt. Nürnberger Platz 3 war die letzte Meldeadresse. Im Januar 1940 wurde Heinrich Simmenauer in die Heilanstalt Bernau eingewiesen. Die Gründe für diese Einweisung sind unbekannt. Auch die Umstände seines in der Heilanstalt eingetretenen Todes am 6. April 1940 sind ungeklärt. Als offizielle Todesursache ist „div. Herzerkrankungen und Arteriosklerose“ registriert, aber es ist sehr wahrscheinlich, dass Heinrich Simmenauer vorsätzlich getötet wurde. Sein Leichnam wurde nach Berlin überführt und am 10. April 1940 im Jüdischen Friedhof Berlin-Weißensee bestattet. Selma Simmenauer als einzige Angehörige begleitete seinen letzten Weg.

Die drei erwachsenen Kinder Hilde, Jenny und Felix Simmenauer lebten zu dem Zeitpunkt nicht mehr in Berlin. Hilde und Jenny waren 1937 nach England bzw. USA geflüchtet, Felix mit seiner Frau Charlotte flüchtete 1938 in die Vereinigten Staaten. Sie gingen nach Chicago, wo bereits Jenny Simmenauer lebte.

Selma Simmenauer musste nach dem Tod ihres Mannes die Wohnung am Nürnberger Platz 3 räumen. Juden durften in dem Haus nicht mehr wohnen. Sie zog in die Güntzelstraße 19-20 und war 1941 als Mitbewohnerin bei dem Ehepaar Adolf und Dora Bernstein gemeldet.
Im November 1941 erkrankte sie schwer und musste in der Schöneberger Bavaria – Klinik mehrfach operiert werden. Sie schrieb in einem verzweifelten Brief an ihre Kinder:
„Wie Ihr seht, der liebe Gott hat mich beschützt u. so hoffe ich denn, daß er Euch Mittel und Wege finden läßt, mich zu Euch zu bringen, denn ich habe große Sehnsucht………Ihr müßt sehen bald etwas für mich zu tun, denn ich allein vermag es nicht.“

Aus der Güntzelstraße wurde sie am 28. März 1942 mit dem Transport „Trawniki Welle b XI“ zusammen mit 974 anderen jüdischen Männern, Frauen und Kindern aus Berlin deportiert. Sie wurde sehr wahrscheinlich in das Ghetto Piaski eingewiesen. Nicht nur ihr Todesort, sondern auch das Todesdatum ist ungeklärt. Das Ehepaar Bernstein wurde am 14. September 1942 nach Theresienstadt deportiert, wo beide nach nur wenigen Wochen als „verstorben“ registriert wurden.

1963 strengten Hilde, Jenny und Felix Simmenauer ein Verfahren beim Entschädigungsamt Berlin an. Sie erhofften sich, im Zuge dieses Verfahrens mehr über die letzten Monate und Wochen im Leben ihrer Mutter zu erfahren. Diese Hoffnung erfüllte sich nicht. Die Akte der Vermögensverwertungsstelle beim Oberfinanzpräsidenten, die für Selma Simmenauer bei ihrer Deportation angelegt worden war, existierte zu dem Zeitpunkt nicht mehr. In diesen Akten befinden sich oft mehr oder weniger detaillierte Angaben über die Lebenssituation und die Inhaftierung vor dem Transport. Wann Selma Simmenauers Akte vernichtet wurde, ist ungeklärt.



Felix Simmenauer
Innenarchitekt
geb. 7. Oktober 1903 in Berlin
gest. 8. September 1990 in Berlin


Charlotte Simmenauer
geb. Schwarzmann
geb. 9. Oktober 1910 in Beuthen / OS
gest. 25. Juni 1986 in Berlin

Nach dem Tod seiner Frau, mit der Felix Simmenauer 49 Jahre verheiratet war, nahm er Kontakt mit verschiedenen Institutionen im In- und Ausland auf. Er suchte nach einer passenden Einrichtung, der er sein umfangreiches Archiv vermachen könnte. In den 1920er Jahren war Simmenauer ein erfolgreicher Leichtathlet des Sportvereins Bar Kochba und nahm an den Makkabiaden 1928 und 1932 teil. Er interessierte sich generell für die jüdische Sportbewegung. An der im Jahr 1988 veranstalteten Ausstellung „Jüdische Sportler in Berlin 1898 bis 1938“ im Martin-Gropius-Bau nahm er großen Anteil. Unter dem Titel „Die Goldmedaille“ verfasste er seine Autobiografie, deren Schwerpunkt seine sportliche Karriere ist.

Felix Simmenauer entschied sich letztendlich 1990, kurz bevor er im September starb, außer seinem Archiv mit insgesamt ca. 1500 Dokumenten auch sein Vermögen dem Jüdischen Museum Berlin zu vermachen – ein Museum, das damals noch gar nicht bestand, sondern erst 10 Jahre später als selbständige Institution gegründet wurde. In seinem notariellen Testament setzte er das Jüdische Museum als Alleinerbin ein. Ein separat verfasstes Vermächtnis, das dem Testament beigegeben ist, legt Zweck und Verwendung des Vermögens fest.

Es ging Felix Simmenauer darum, das Andenken an seine Eltern zu wahren.
Eine Selma und Heinrich Simmenauer-Stiftung sollte errichtet werden, um biografische Forschungen zu unterstützen, die sich aus der Museumsarbeit ergeben und für die es üblicherweise keinen Etat gibt.

Die (museumsinterne) Stiftung, benannt nach seinen Eltern, hätte eine Säule für die Erinnerungsarbeit des Jüdischen Museums Berlin sein können. Sie wurde nie errichtet.
Außer ihren Namen an der Sponsorenwand in der Eingangshalle des Museums erinnert nichts an sie.

Nach zweijähriger Wartezeit wurden dann am 23. Oktober 2019 mit Unterstützung der 1975 gegründeten Gesellschaft für ein Jüdisches Museum in Berlin e.V. zwei Stolpersteine für Selma Simmenauer und Heinrich Simmenauer verlegt.