Samuel Silberstein

Verlegeort
Fritschestr. 54
Bezirk/Ortsteil
Charlottenburg
Verlegedatum
25. Februar 2020
Geboren
1868 in Löbau in Westpreußen / Lubawa
Beruf
Textilkaufmann
Deportation
am 16. Dezember 1942 nach Theresienstadt
Ermordet
Mai 1944 in Theresienstadt

Samuel Silberstein wurde 1868 als Schmul Silberstein in Löbau/Westpreußen geboren. Seine Eltern waren Wolf und Minna Silberstein. Im Alter von 28 Jahren heiratete er 1896 die drei Jahre jüngere Ernestine Feibel. Sie kam aus einer Nachbargemeinde.<br />
Der erste Sohn starb bald nach der Geburt. Töchterchen Meta wurde 1898 geboren, Sohn Hermann im Dezember 1899. Der 1901 ebenfalls in Löbau geborene Sohn Walter starb als junger Mann an einer Lungenentzündung.<br />
Löbau hatte einst eine lebendige jüdische Gemeinde, aber ab den 1880er-Jahren verließen viele jüdische Familien die Stadt, weil sie in größeren Städten eine bessere Zukunft sahen. So siedelten auch die Silbersteins Anfang des neuen Jahrhunderts in das rund 550 km entfernte Berlin um. Dort kamen 1909 noch die Nachzügler Bianka und Martin, ein Zwillingspärchen, zur Welt.<br />
Die Silbersteins waren liberale Juden. Die Kinder besuchten öffentliche Schulen und wuchsen in großbürgerlichem Wohlstand auf. Nach mehreren Umzügen innerhalb Berlins bezogen die Silbersteins eine komfortable 4-Zimmer-Wohnung in der Fritschestr. 54 in Charlottenburg. Samuel Silberstein war als Textilkaufmann selbstständig und hatte ein Geschäft in der Fritzstraße in Charlottenburg. Er war beruflich viel unterwegs, begleitete seine Sprösslinge aber eng bei der Ausbildung und Berufswahl. „Schmuhl“ wurde schon damals als Spott- und Schimpfwort gegen Juden gebraucht; vermutlich nannte sich der Familienvater deshalb bald nach der Ankunft in Berlin nur noch Samuel.<br />
Das Familienleben wurde von den Kindern als harmonisch, ihre Kindheit als glücklich und unbeschwert beschrieben. Ob es primär am engen familiären Zusammenhalt lag, dass Hermann und die Zwillinge auch im Erwachsenenalter noch in der elterlichen Wohnung wohnten, ist nicht überliefert.<br />
Anfang 1933 fiel der erste große Schatten auf die Familie. Martin, der eine beeindruckende Karriere in einem Konfektionsbetrieb in Berlins Konfektionsviertel um den Hausvogteiplatz gemacht hatte, wurde infolge der Judenboykotte arbeitslos und konnte auch in den Jahren danach keine Festanstellung mehr finden. Die gefundenen Unterlagen deuten darauf hin, dass auch die Geschäftstätigkeit des Vaters in Laufe der 1930er-Jahre deutlich zurückging.<br />
Am 10. November 1938 erlebten Samuel und Sohn Hermann in dessen Ladengeschäft in der Kronenstr. 56 die Gewaltexzesse des Novemberterrors. Wie durch ein Wunder überlebte der Vater unverletzt; Hermann aber kam nur knapp mit dem Leben davon und verlor kurz später mit seiner Firma seine wirtschaftliche Existenz.<br />
Dies dürfte das einschneidendste Ereignis in der Familiengeschichte der Silbersteins gewesen sein, das nicht nur den Übergang von systematischer Diskriminierung und Entrechtung zur systematischen Vernichtung markierte; es bedeutete auch den Beginn eines drastischen sozialen Abstiegs und den Zerfall der Familie Silberstein. Hermann, Martin und Bianka gelang 1939/1940 die Flucht ins Ausland; Bianka lebte fortan in London, während Hermann und Martin auf Umwegen in die USA gelangten. Aller dreier Weg blieb aber bis zum Ende sehr steinig, geprägt vom Verlust der Familie, fehlenden beruflichen Perspektiven und wirtschaftlichen Notlagen, auch aufgrund erheblicher verfolgungsbedingter gesundheitlicher Probleme.<br />
Die Eltern blieben in Deutschland. Sie hatten sich, aus welchen Gründen auch immer, nicht zur Flucht entschließen können. Oder fehlte es an den finanziellen Mitteln für eine Flucht? Der einstige Wohlstand der Familie dürfte zu dieser Zeit schon erheblich geschrumpft sein, zumal Juden immer mehr finanzielle Mittel über „Judenvermögensabgaben“ etc. entzogen wurden. Auch war es inzwischen insbesondere für ältere Menschen fast unmöglich geworden, eine Einreisegenehmigung in ein anderes Land zu bekommen. Ebenso ungeklärt ist, warum Meta in Berlin blieb, aber als Älteste der Kinder fühlte sie sich sicher besonders für die Eltern verantwortlich.<br />
1941 wurden Samuel und Ernestine Silberstein gezwungen, ihr Zuhause in der Fritschestr. zu verlassen und fast ihren gesamten restlichen Besitz zurückzulassen. Sie wurden in das Altersheim in der Großen Hamburger Straße gebracht. Mit Beginn der Deportationen nach Theresienstadt Anfang Juni 1942 wurde das Gebäude zu einem Sammellager umfunktioniert; die Möbel wurden entfernt, um möglichst viele Menschen unterzubringen. Statt Betten gab es nur noch Stroh auf nacktem Boden; die Fenster wurden vergittert.<br />
Ob und, falls ja, unter welchen Umständen es noch Begegnungen zwischen den Eltern und ihrer Tochter Meta geben konnte, ist nicht bekannt. Ende Oktober 1942 wurden Meta und ihr Mann Bruno Pohle (siehe die Stolpersteine in der Bismarckstr. 108 in Charlottenburg) nach Riga deportiert. Samuel und Ernestine Silberstein sollten keines ihrer Kinder je wiedersehen. Knapp zwei Monate später, am 16. Dezember 1942, wurden sie in einem der sogenannten Alterstransporte nach Theresienstadt deportiert. Ernestine starb im August 1943; Samuel schaffte es noch irgendwie, bis Mai 1944 zu überleben.<br />

Samuel Silberstein wurde 1868 als Schmul Silberstein in Löbau/Westpreußen geboren. Seine Eltern waren Wolf und Minna Silberstein. Im Alter von 28 Jahren heiratete er 1896 die drei Jahre jüngere Ernestine Feibel. Sie kam aus einer Nachbargemeinde.
Der erste Sohn starb bald nach der Geburt. Töchterchen Meta wurde 1898 geboren, Sohn Hermann im Dezember 1899. Der 1901 ebenfalls in Löbau geborene Sohn Walter starb als junger Mann an einer Lungenentzündung.
Löbau hatte einst eine lebendige jüdische Gemeinde, aber ab den 1880er-Jahren verließen viele jüdische Familien die Stadt, weil sie in größeren Städten eine bessere Zukunft sahen. So siedelten auch die Silbersteins Anfang des neuen Jahrhunderts in das rund 550 km entfernte Berlin um. Dort kamen 1909 noch die Nachzügler Bianka und Martin, ein Zwillingspärchen, zur Welt.
Die Silbersteins waren liberale Juden. Die Kinder besuchten öffentliche Schulen und wuchsen in großbürgerlichem Wohlstand auf. Nach mehreren Umzügen innerhalb Berlins bezogen die Silbersteins eine komfortable 4-Zimmer-Wohnung in der Fritschestr. 54 in Charlottenburg. Samuel Silberstein war als Textilkaufmann selbstständig und hatte ein Geschäft in der Fritzstraße in Charlottenburg. Er war beruflich viel unterwegs, begleitete seine Sprösslinge aber eng bei der Ausbildung und Berufswahl. „Schmuhl“ wurde schon damals als Spott- und Schimpfwort gegen Juden gebraucht; vermutlich nannte sich der Familienvater deshalb bald nach der Ankunft in Berlin nur noch Samuel.
Das Familienleben wurde von den Kindern als harmonisch, ihre Kindheit als glücklich und unbeschwert beschrieben. Ob es primär am engen familiären Zusammenhalt lag, dass Hermann und die Zwillinge auch im Erwachsenenalter noch in der elterlichen Wohnung wohnten, ist nicht überliefert.
Anfang 1933 fiel der erste große Schatten auf die Familie. Martin, der eine beeindruckende Karriere in einem Konfektionsbetrieb in Berlins Konfektionsviertel um den Hausvogteiplatz gemacht hatte, wurde infolge der Judenboykotte arbeitslos und konnte auch in den Jahren danach keine Festanstellung mehr finden. Die gefundenen Unterlagen deuten darauf hin, dass auch die Geschäftstätigkeit des Vaters in Laufe der 1930er-Jahre deutlich zurückging.
Am 10. November 1938 erlebten Samuel und Sohn Hermann in dessen Ladengeschäft in der Kronenstr. 56 die Gewaltexzesse des Novemberterrors. Wie durch ein Wunder überlebte der Vater unverletzt; Hermann aber kam nur knapp mit dem Leben davon und verlor kurz später mit seiner Firma seine wirtschaftliche Existenz.
Dies dürfte das einschneidendste Ereignis in der Familiengeschichte der Silbersteins gewesen sein, das nicht nur den Übergang von systematischer Diskriminierung und Entrechtung zur systematischen Vernichtung markierte; es bedeutete auch den Beginn eines drastischen sozialen Abstiegs und den Zerfall der Familie Silberstein. Hermann, Martin und Bianka gelang 1939/1940 die Flucht ins Ausland; Bianka lebte fortan in London, während Hermann und Martin auf Umwegen in die USA gelangten. Aller dreier Weg blieb aber bis zum Ende sehr steinig, geprägt vom Verlust der Familie, fehlenden beruflichen Perspektiven und wirtschaftlichen Notlagen, auch aufgrund erheblicher verfolgungsbedingter gesundheitlicher Probleme.
Die Eltern blieben in Deutschland. Sie hatten sich, aus welchen Gründen auch immer, nicht zur Flucht entschließen können. Oder fehlte es an den finanziellen Mitteln für eine Flucht? Der einstige Wohlstand der Familie dürfte zu dieser Zeit schon erheblich geschrumpft sein, zumal Juden immer mehr finanzielle Mittel über „Judenvermögensabgaben“ etc. entzogen wurden. Auch war es inzwischen insbesondere für ältere Menschen fast unmöglich geworden, eine Einreisegenehmigung in ein anderes Land zu bekommen. Ebenso ungeklärt ist, warum Meta in Berlin blieb, aber als Älteste der Kinder fühlte sie sich sicher besonders für die Eltern verantwortlich.
1941 wurden Samuel und Ernestine Silberstein gezwungen, ihr Zuhause in der Fritschestr. zu verlassen und fast ihren gesamten restlichen Besitz zurückzulassen. Sie wurden in das Altersheim in der Großen Hamburger Straße gebracht. Mit Beginn der Deportationen nach Theresienstadt Anfang Juni 1942 wurde das Gebäude zu einem Sammellager umfunktioniert; die Möbel wurden entfernt, um möglichst viele Menschen unterzubringen. Statt Betten gab es nur noch Stroh auf nacktem Boden; die Fenster wurden vergittert.
Ob und, falls ja, unter welchen Umständen es noch Begegnungen zwischen den Eltern und ihrer Tochter Meta geben konnte, ist nicht bekannt. Ende Oktober 1942 wurden Meta und ihr Mann Bruno Pohle (siehe die Stolpersteine in der Bismarckstr. 108 in Charlottenburg) nach Riga deportiert. Samuel und Ernestine Silberstein sollten keines ihrer Kinder je wiedersehen. Knapp zwei Monate später, am 16. Dezember 1942, wurden sie in einem der sogenannten Alterstransporte nach Theresienstadt deportiert. Ernestine starb im August 1943; Samuel schaffte es noch irgendwie, bis Mai 1944 zu überleben.