Dr. Richard Hohenemser

Verlegeort
Havensteinstr. 26
Bezirk/Ortsteil
Lankwitz
Verlegedatum
16. Juni 2021
Geboren
10. August 1870 in Frankfurt am Main
Beruf
Musikwissenschaftler
Flucht in den Tod
08. April 1942 in Berlin

Dr. Richard Hohenemser kam am 10. August 1870 in Frankfurt am Main als Sohn des jüdischen Bankiers Heinrich Bernhard Hohenemser und dessen Frau Mathilde Sophie, geb. Löwengard, zur Welt und wuchs zusammen mit seinen fünf Geschwistern in einem liberalen jüdischen Umfeld auf. Sein Vater Heinrich Hohenemser war Teilhaber der familieneignenen Bank M.L. Hohenemser, Aufsichtsrat in zahlreichen Gesellschaften und Wirtschaftsvereinen und zuletzt Mitbegründer, Direktor bzw. Aufsichtsratsmitglied der 1871 gegründeten Deutschen Vereinsbank in Frankfurt.<br />
Richard war, wie auch zwei seiner Schwestern, von Geburt an blind, was sein Leben entscheidend prägte.<br />
Seine Ausbildung begann in dem namhaften, 1872 gegründeten und für die Ausbildung blinder jüdischer Jungen und Mädchen nach modernstem Standard eingerichteten Israelitischen Blindeninstitut „Auf der Hohen Warte“ in Wien, das er wohl bis zu seinem mittleren Schulabschluss besuchte.<br />
Im Anschluss daran machte er im Jahre 1891 das Abitur am Kgl. Kaiser Friedrich Gymnasium in Frankfurt (heute Heinrich von Gagern Gymnasium)<br />
Ab 1892 studierte er in Berlin und München Musikwissenschaft/Musikgeschichte und Philosophie und promovierte 1899 mit einer Arbeit zum Thema: „Welche Einflüsse hatte die Wiederbelebung der älteren Musik im 19. Jahrhundert auf die deutschen Komponisten?“.<br />
Bereits früh war Richard Hohenemser als Musikwissenschaftler publizistisch tätig und verfasste in den nächsten Jahrzehnten zahlreiche Werke, Biographien und Schriften über philosophische, psychologische und das Blindenwesen betreffende Artikel.<br />
Am 7. Januar 1905 heiratete Richard Hohenemser Alice Salt, die Tochter des englischen baptistischen Predigers Rev. Henry Richard Salt, und lebte mit seiner Familie zunächst bis 1919 in Berlin-Halensee. Am 3. Januar 1906 wurde der Sohn Kurt geboren und nach dem Glauben seiner Mutter, und wie es auch in der Familie Hohenemser schon früher praktiziert wurde, protestantisch getauft.<br />
1919 zog die Familie wieder nach Frankfurt, wo Kurt konfirmiert wurde und das Abitur machte. Erst 1931 kehrte das Ehepaar nach Berlin zurück und bezog die Wohnung in der Havensteinstraße 26 in Lankwitz.<br />
Ihr Sohn Kurt Hohenemser hatte nach seinem Maschinenbaustudium in Darmstadt eine Laufbahn an der Universität Göttingen im Fachbereich Angewandte Mechanik begonnen, aufgrund des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 7. April 1933 wurde er entlassen. Kurzzeitig war er als Luftfahrtingenieur bei den Fieseler Flugzeugwerken in Kassel tätig, von 1935 an lebte mit seiner Frau Katharina, geb. Dietrich, und den 1937 und 1940 geborenen Kindern Christoph und Veronika in Berlin-Johannisthal. Als persönlicher Vertrauter und Mitarbeiter Anton Flettners war er in dessen Flugzeugwerken tätig und maßgeblich an der Entwicklung des legendären Hubschraubers FI 282 „Kolibri“ beteiligt. Diese Tatsache sowie Flettners persönliche Kontakte zu wichtigen Vertretern des Nationalsozialismus schützten ihn (ebenso wie Flettners jüdische Ehefrau) vor weiteren Maßnahmen der Verfolgung. Der Versuch Kurt Hohenemsers, zusammen mit seiner Familie und seinen Eltern noch rechtzeitig nach England zu emigrieren, blieb erfolglos.<br />
Mit dem Beginn des Nationalsozialismus wurde es für den von seinen Veröffentlichungen lebenden jüdischen Musikwissenschaftler zunehmend unmöglich zu publizieren und damit den Lebensunterhalt weiter zu bestreiten. Als Jude unterlag er der Erfassung des gesamten in- und ausländischen Vermögens und dadurch der systematischen Requirierung des Privatvermögens. So war er gezwungen, eine Abgabe in Höhe von 20 Prozent seines Gesamtvermögens an das Deutsche Reich abzuführen. Obwohl die Eheleute in einer sogenannten privilegierten Mischehe lebten, gestaltete sich ihre Lebenssituation daher immer schwieriger. Als schließlich im Frühjahr 1942 die Beschlagnahmung ihrer Wohnung drohte, da diese von einem SS-Angehörigen beansprucht wurde, sahen sie keinen anderen Ausweg mehr als die Flucht in den Freitod.<br />
Nachdem Kurt vergeblich versucht hatte, seine Eltern telefonisch zu erreichen, wollten die in der Nähe wohnende Nichte Elisabeth Schumacher und ihr Mann sowie deren Freund Philipp Schaeffer am 8. April 1942 nach dem Ehepaar schauen. Da der Hauswart ihnen der Zutritt zur Wohnung verweigerte, versuchte Philipp Schaeffer, über den Balkon in die Wohnung zu gelangen, stürzte jedoch ab und verletzte sich schwer. Richard und Alice Hohenemser hatten sich zu diesem Zeitpunkt bereits mit Gas das Leben genommen.<br />
Sowohl Elisabeth und Kurt Schumacher als auch Philipp Schaeffer gehörten seit Beginn bzw. Mitte der 1930er-Jahre der Widerstandsgruppe „Rote Kapelle“ um Harro Schulze Boysen an. Im Zuge der Aufdeckung der „Roten Kapelle“ gerieten auch sie in das Visier der Gestapo. Am 12. September 1942 wurden Elisabeth und Kurt Schumacher in ihrer Wohnung in Tempelhof verhaftet. Beide wurden am 19. Dezember 1942 vom Reichskriegsgericht wegen „Vorbereitung zum Hochverrat" zum Tode verurteilt. Elisabeth wurde am 22. Dezember 1942 in Plötzensee enthauptet, ihr Mann eine dreiviertel Stunde zuvor dort erhängt. Zu ihrem Gedenken wurden am 25. September 2015 vor ihrem letzten Wohnsitz am Werner-Voß-Damm 42 in Tempelhof zwei Stolpersteine verlegt.<br />
Philipp Schaeffer, der nach seinem Sturz in einem Berliner Krankenhaus lag, wurde dort im Oktober verhaftet. Am 6. Februar 1943 wurde er vom Reichskriegsgericht zum Tode verurteilt und am 13. Mai 1943 im Strafgefängnis Plötzensee hingerichtet. Nach ihm wurde im Jahre 1952 die Bezirkszentralbibliothek Berlin-Mitte benannt.<br />
Wenige Monate nach dem Suizid von Richard und Alice Hohenemser nahmen sich auch seine beiden ebenfalls blinden alleinstehenden Schwestern Martha und Julie Klara Hohenemser in Frankfurt das Leben. Eine weitere Schwester, Paula Pauli, geb. Hohenemser, beging noch im September 1944 Selbstmord. Auch zwei seiner Cousins wurden Opfer des Nationalsozialismus; Emil Hohenemser verübte ebenfalls 1942 Selbstmord, sein Bruder Moritz wurde nach Theresienstadt deportiert, wo er im Januar 1943 ums Leben kam. Auch zum Gedenken an Paula Pauli sowie Emil und Moritz Hohenemser wurden in Frankfurt bereits Stolpersteine verlegt.

Dr. Richard Hohenemser kam am 10. August 1870 in Frankfurt am Main als Sohn des jüdischen Bankiers Heinrich Bernhard Hohenemser und dessen Frau Mathilde Sophie, geb. Löwengard, zur Welt und wuchs zusammen mit seinen fünf Geschwistern in einem liberalen jüdischen Umfeld auf. Sein Vater Heinrich Hohenemser war Teilhaber der familieneignenen Bank M.L. Hohenemser, Aufsichtsrat in zahlreichen Gesellschaften und Wirtschaftsvereinen und zuletzt Mitbegründer, Direktor bzw. Aufsichtsratsmitglied der 1871 gegründeten Deutschen Vereinsbank in Frankfurt.
Richard war, wie auch zwei seiner Schwestern, von Geburt an blind, was sein Leben entscheidend prägte.
Seine Ausbildung begann in dem namhaften, 1872 gegründeten und für die Ausbildung blinder jüdischer Jungen und Mädchen nach modernstem Standard eingerichteten Israelitischen Blindeninstitut „Auf der Hohen Warte“ in Wien, das er wohl bis zu seinem mittleren Schulabschluss besuchte.
Im Anschluss daran machte er im Jahre 1891 das Abitur am Kgl. Kaiser Friedrich Gymnasium in Frankfurt (heute Heinrich von Gagern Gymnasium)
Ab 1892 studierte er in Berlin und München Musikwissenschaft/Musikgeschichte und Philosophie und promovierte 1899 mit einer Arbeit zum Thema: „Welche Einflüsse hatte die Wiederbelebung der älteren Musik im 19. Jahrhundert auf die deutschen Komponisten?“.
Bereits früh war Richard Hohenemser als Musikwissenschaftler publizistisch tätig und verfasste in den nächsten Jahrzehnten zahlreiche Werke, Biographien und Schriften über philosophische, psychologische und das Blindenwesen betreffende Artikel.
Am 7. Januar 1905 heiratete Richard Hohenemser Alice Salt, die Tochter des englischen baptistischen Predigers Rev. Henry Richard Salt, und lebte mit seiner Familie zunächst bis 1919 in Berlin-Halensee. Am 3. Januar 1906 wurde der Sohn Kurt geboren und nach dem Glauben seiner Mutter, und wie es auch in der Familie Hohenemser schon früher praktiziert wurde, protestantisch getauft.
1919 zog die Familie wieder nach Frankfurt, wo Kurt konfirmiert wurde und das Abitur machte. Erst 1931 kehrte das Ehepaar nach Berlin zurück und bezog die Wohnung in der Havensteinstraße 26 in Lankwitz.
Ihr Sohn Kurt Hohenemser hatte nach seinem Maschinenbaustudium in Darmstadt eine Laufbahn an der Universität Göttingen im Fachbereich Angewandte Mechanik begonnen, aufgrund des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 7. April 1933 wurde er entlassen. Kurzzeitig war er als Luftfahrtingenieur bei den Fieseler Flugzeugwerken in Kassel tätig, von 1935 an lebte mit seiner Frau Katharina, geb. Dietrich, und den 1937 und 1940 geborenen Kindern Christoph und Veronika in Berlin-Johannisthal. Als persönlicher Vertrauter und Mitarbeiter Anton Flettners war er in dessen Flugzeugwerken tätig und maßgeblich an der Entwicklung des legendären Hubschraubers FI 282 „Kolibri“ beteiligt. Diese Tatsache sowie Flettners persönliche Kontakte zu wichtigen Vertretern des Nationalsozialismus schützten ihn (ebenso wie Flettners jüdische Ehefrau) vor weiteren Maßnahmen der Verfolgung. Der Versuch Kurt Hohenemsers, zusammen mit seiner Familie und seinen Eltern noch rechtzeitig nach England zu emigrieren, blieb erfolglos.
Mit dem Beginn des Nationalsozialismus wurde es für den von seinen Veröffentlichungen lebenden jüdischen Musikwissenschaftler zunehmend unmöglich zu publizieren und damit den Lebensunterhalt weiter zu bestreiten. Als Jude unterlag er der Erfassung des gesamten in- und ausländischen Vermögens und dadurch der systematischen Requirierung des Privatvermögens. So war er gezwungen, eine Abgabe in Höhe von 20 Prozent seines Gesamtvermögens an das Deutsche Reich abzuführen. Obwohl die Eheleute in einer sogenannten privilegierten Mischehe lebten, gestaltete sich ihre Lebenssituation daher immer schwieriger. Als schließlich im Frühjahr 1942 die Beschlagnahmung ihrer Wohnung drohte, da diese von einem SS-Angehörigen beansprucht wurde, sahen sie keinen anderen Ausweg mehr als die Flucht in den Freitod.
Nachdem Kurt vergeblich versucht hatte, seine Eltern telefonisch zu erreichen, wollten die in der Nähe wohnende Nichte Elisabeth Schumacher und ihr Mann sowie deren Freund Philipp Schaeffer am 8. April 1942 nach dem Ehepaar schauen. Da der Hauswart ihnen der Zutritt zur Wohnung verweigerte, versuchte Philipp Schaeffer, über den Balkon in die Wohnung zu gelangen, stürzte jedoch ab und verletzte sich schwer. Richard und Alice Hohenemser hatten sich zu diesem Zeitpunkt bereits mit Gas das Leben genommen.
Sowohl Elisabeth und Kurt Schumacher als auch Philipp Schaeffer gehörten seit Beginn bzw. Mitte der 1930er-Jahre der Widerstandsgruppe „Rote Kapelle“ um Harro Schulze Boysen an. Im Zuge der Aufdeckung der „Roten Kapelle“ gerieten auch sie in das Visier der Gestapo. Am 12. September 1942 wurden Elisabeth und Kurt Schumacher in ihrer Wohnung in Tempelhof verhaftet. Beide wurden am 19. Dezember 1942 vom Reichskriegsgericht wegen „Vorbereitung zum Hochverrat" zum Tode verurteilt. Elisabeth wurde am 22. Dezember 1942 in Plötzensee enthauptet, ihr Mann eine dreiviertel Stunde zuvor dort erhängt. Zu ihrem Gedenken wurden am 25. September 2015 vor ihrem letzten Wohnsitz am Werner-Voß-Damm 42 in Tempelhof zwei Stolpersteine verlegt.
Philipp Schaeffer, der nach seinem Sturz in einem Berliner Krankenhaus lag, wurde dort im Oktober verhaftet. Am 6. Februar 1943 wurde er vom Reichskriegsgericht zum Tode verurteilt und am 13. Mai 1943 im Strafgefängnis Plötzensee hingerichtet. Nach ihm wurde im Jahre 1952 die Bezirkszentralbibliothek Berlin-Mitte benannt.
Wenige Monate nach dem Suizid von Richard und Alice Hohenemser nahmen sich auch seine beiden ebenfalls blinden alleinstehenden Schwestern Martha und Julie Klara Hohenemser in Frankfurt das Leben. Eine weitere Schwester, Paula Pauli, geb. Hohenemser, beging noch im September 1944 Selbstmord. Auch zwei seiner Cousins wurden Opfer des Nationalsozialismus; Emil Hohenemser verübte ebenfalls 1942 Selbstmord, sein Bruder Moritz wurde nach Theresienstadt deportiert, wo er im Januar 1943 ums Leben kam. Auch zum Gedenken an Paula Pauli sowie Emil und Moritz Hohenemser wurden in Frankfurt bereits Stolpersteine verlegt.