Alice Essinger geb. Rosengarten

Verlegeort
Schützenstr. 4
Historischer Name
Schützenstr. 4
Bezirk/Ortsteil
Steglitz
Verlegedatum
18. Februar 2022
Geboren
09. Mai 1918 in Berlin
Flucht
1935 Niederlande
Verhaftet
August 1942 in Mechelen
Deportation
am 29. August 1942 nach Auschwitz
Ermordet
1942 in Auschwitz

Alice Rosengarten wurde am 9. Mai 1918 in Berlin geboren. Ihre Eltern waren der jüdische Kaufmann Hermann Rosengarten, geboren am 6. Februar 1884, und seine ebenfalls jüdische Ehefrau Selma, geborene Joske, die am 7. März 1893 zur Welt gekommen ist. Hermann Rosengarten führte seit 1910 gemeinsam mit seinem Vater Marcus dessen Mützenfabrik in der Jüdenstraße 53 in Berlin-Mitte. Alices Eltern haben 1913 geheiratet und lebten seit 1914 in der Schützenstraße 4 in Steglitz. Nachdem die Mützenfabrikation 1920 eingestellt worden war, machte sich ihr Vater Hermann 1921 mit einem Schuhwarenhandel selbstständig. Im selben Jahr wurde die Ehe von Alices Eltern geschieden. <br />
<br />
Ihre Mutter heiratete 1922 den Weinhändler Ernst Theodor Wachenheimer, der eine Weingroßhandlung in Friedenau in der Bismarckstraße 13 führte. Am 18. November 1923 wurde Alices Halbschwester Ingeburg geboren. Die Familie Wachenheimer lebte von 1925 bis 1934 in Charlottenburg in der Droysenstraße 5.<br />
<br />
Auch Alices Vater Hermann schloss am 5. Mai 1923 eine zweite Ehe mit Selma Hecht, geborene Halbeck (*21. Juni 1896 in Velten). Die Witwe des Wäschesalonbesitzers Siegfried Hecht war nicht jüdisch und brachte ihre zweijährige Tochter Hannelore, genannt Hanne, geboren am 18. Oktober 1920, mit in die Ehe. Hermann Rosengarten eröffnete Anfang der 1930er-Jahre in der Müllerstraße 182/183 im Wedding eine Radiohandlung. Von dem staatlich angeordneten Boykott jüdischer Geschäfte am 1. April 1933 war auch sein Geschäft betroffen. Daraufhin zog er mit seiner Familie, bei der inzwischen auch Alices Großmutter Salomea nach dem Tod des Großvaters Marcus Rosengarten lebte, sofort die Konsequenz: Hermann Rosengarten verließ unmittelbar nach den Übergriffen schon am 5. April 1933 Berlin und emigrierte in die Niederlande. Selma folgte mit ihrer Tochter Hanne und Alices Großmutter Salomea am 3. Juni 1933. Die Familie wurde in Amsterdam in der Beethovenstraat 148 ansässig. Alice folgte ihnen 1935 nach Holland und lebte wahrscheinlich ebenfalls in der Wohnung der Familie.<br />
<br />
Vermutlich dachte auch die Familie Wachenheimer damals bereits über eine Emigration nach, jedoch fiel es Alices Mutter Selma offenbar schwer, ihre alten Eltern zu verlassen. So schien es offenbar das Beste, wenn nur Alice in die vermeintlich sicheren Niederlande emigrierte. <br />
<br />
In Berlin gab es bei den Wachenheimers in rascher Folge mehrere Wohnungswechsel: 1935 wies das Berliner Adressbuch ihren Wohnsitz in der Waitzstraße 1 aus, 1936 in der Hektorstraße 17, 1937 und 1938 in der Sybelstraße 29 und schließlich 1939 in der Pension Meran/Inhaber L. Stein, Meraner Straße 6 im Bayerischen Viertel in Schöneberg. 1939 emigrierten Alices Mutter Selma, ihr Stiefvater Ernst Theodor und ihre Halbschwester Ingeburg Wachenheimer schließlich über England in die USA.<br />
<br />
In Amsterdam lernte Alice den Kaufmann Kurt Jakob David Essinger (*16. März 1904 in München) kennen. Am 17. Mai 1939 heirateten die beiden.<br />
Für Kurt Essinger war es die zweite Ehe. Seine erste Ehefrau Selma Salemon hatte er am 16. Dezember 1930 ebenfalls in Amsterdam geheiratet, allerdings lebte das Paar dann in München bei den Eltern von Kurt Essinger. Der gemeinsame Sohn Walter Ferdinand wurde am 28. Juli 1933 in München geboren. Im Dezember 1935 emigrierten Kurt Essinger und seine Familie mit seinem älteren Bruder Julius (*21. April 1902) nach Amsterdam. Dort gründeten die Brüder Essinger das Textilhandelsgeschäft SEWO. Es war sozusagen die Fortführung der väterlichen Firma Ferdinand Essinger – Münchener Textilwaren-Exportagentur, Kaufingerstraße 1–2, von der ihre Mutter, die Witwe Fanny Essinger, Inhaberin und die beiden Brüder bereits Gesellschafter waren. 1936 wurde in Amsterdam die Ehe von Kurt und Selma Essinger geschieden. Selma verließ die Niederlande und ging mit ihrem Sohn Walter Ferdinand in die Schweiz. <br />
<br />
Alice und Kurt Essinger wohnten in der Maesstraße 34. Am 1. Januar 1941 wurde der gemeinsame Sohn Robert geboren. Großvater Hermann Rosengarten hatte große Freude an seinem Enkelsohn, was er 1941 in einem Brief an seine Schwester Jenny Rozen, die bereits seit 1933 in Frankreich lebte, so ausdrückte: „Pumperls Junge, ein halbes Jahr alt, ist ein Prachtkerl! Jaja, so werden wir alle Großväter und ‑mütter!“<br />
<br />
Kurts Bruder Julius heiratete im April 1939 die aus Salzburg stammende Edith Morpurgo. Sie bezogen eine Wohnung in der Vijzelstraat 119/III in Amsterdam. Ihre Tochter Eveline Franziska wurde am 15. Februar 1940 geboren. Ihr Sohn René kam am 20. April 1942 zur Welt.<br />
Im August 1942 beschlossen Kurt Essinger und sein Bruder Julius, mit ihren Familien in die Schweiz zu fliehen. Der Plan gelang jedoch nicht. In Belgien wurden sie aufgegriffen und im Lager Mechelen inhaftiert. <br />
<br />
Am 29. August 1942 wurden Alice und Kurt Essinger zusammen mit Alices Schwager Julius und seiner Ehefrau Edith mit ihrer kleinen Tochter Eveline Franziska vom Sammellager Mechelen nach Auschwitz deportiert und ermordet. <br />
<br />
Alice und Kurt Essinger war es gelungen, ihren Sohn Robert vor ihrer Flucht bei Freunden zurückzulassen. Robert wurde vor der Deportation bewahrt und überlebte. Später wurde er von seiner Großmutter Selma Joske, geschiedene Rosengarten, verheiratete Wachenheimer, in die USA geholt. Dort nannte er sich Robert Essinger-Wachenheim und lebte zuletzt in Kalifornien.<br />
<br />
Kurts Bruder Julius und seine Frau Edith trennten sich ebenfalls vor der beabsichtigten Flucht von ihrem knapp vier Monate alten Sohn René. Das Baby wurde von der befreundeten Familie Ormeling versteckt. René überlebte wie sein Cousin Robert die Shoa. Ilse Drucker, geborene Sternheim, und Willem Ormeling wurden seine Vormunde. Aus Dankbarkeit für die Fürsorge der Pflegeeltern nahm René Essinger 1964 den Familiennamen Ormeling an.<br />
<br />
Alices Vater Hermann und ihre Großmutter Salomea wurden am 7. November 1942 verhaftet und in das Lager Westerbork überstellt. Drei Tage später wurden sie nach Auschwitz deportiert und ermordet.<br />
<br />
Alices leibliche Mutter Selma war nach dem Tod ihrer Mutter 1939 zusammen mit ihrem Mann und der gemeinsamen Tochter Ingeburg in die USA emigriert. Alices Großvater mütterlicherseits, Paul Joske, wurde am 17. August 1942 nach Theresienstadt deportiert und starb dort am 27. August 1942.<br />
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Alices Tante Jenny Rozen, die Schwester ihres Vaters Hermann, emigrierte mit ihrem Ehemann Josef und ihrer Tochter Jenny über Frankreich in die Schweiz. Alle drei überlebten.

Alice Rosengarten wurde am 9. Mai 1918 in Berlin geboren. Ihre Eltern waren der jüdische Kaufmann Hermann Rosengarten, geboren am 6. Februar 1884, und seine ebenfalls jüdische Ehefrau Selma, geborene Joske, die am 7. März 1893 zur Welt gekommen ist. Hermann Rosengarten führte seit 1910 gemeinsam mit seinem Vater Marcus dessen Mützenfabrik in der Jüdenstraße 53 in Berlin-Mitte. Alices Eltern haben 1913 geheiratet und lebten seit 1914 in der Schützenstraße 4 in Steglitz. Nachdem die Mützenfabrikation 1920 eingestellt worden war, machte sich ihr Vater Hermann 1921 mit einem Schuhwarenhandel selbstständig. Im selben Jahr wurde die Ehe von Alices Eltern geschieden.

Ihre Mutter heiratete 1922 den Weinhändler Ernst Theodor Wachenheimer, der eine Weingroßhandlung in Friedenau in der Bismarckstraße 13 führte. Am 18. November 1923 wurde Alices Halbschwester Ingeburg geboren. Die Familie Wachenheimer lebte von 1925 bis 1934 in Charlottenburg in der Droysenstraße 5.

Auch Alices Vater Hermann schloss am 5. Mai 1923 eine zweite Ehe mit Selma Hecht, geborene Halbeck (*21. Juni 1896 in Velten). Die Witwe des Wäschesalonbesitzers Siegfried Hecht war nicht jüdisch und brachte ihre zweijährige Tochter Hannelore, genannt Hanne, geboren am 18. Oktober 1920, mit in die Ehe. Hermann Rosengarten eröffnete Anfang der 1930er-Jahre in der Müllerstraße 182/183 im Wedding eine Radiohandlung. Von dem staatlich angeordneten Boykott jüdischer Geschäfte am 1. April 1933 war auch sein Geschäft betroffen. Daraufhin zog er mit seiner Familie, bei der inzwischen auch Alices Großmutter Salomea nach dem Tod des Großvaters Marcus Rosengarten lebte, sofort die Konsequenz: Hermann Rosengarten verließ unmittelbar nach den Übergriffen schon am 5. April 1933 Berlin und emigrierte in die Niederlande. Selma folgte mit ihrer Tochter Hanne und Alices Großmutter Salomea am 3. Juni 1933. Die Familie wurde in Amsterdam in der Beethovenstraat 148 ansässig. Alice folgte ihnen 1935 nach Holland und lebte wahrscheinlich ebenfalls in der Wohnung der Familie.

Vermutlich dachte auch die Familie Wachenheimer damals bereits über eine Emigration nach, jedoch fiel es Alices Mutter Selma offenbar schwer, ihre alten Eltern zu verlassen. So schien es offenbar das Beste, wenn nur Alice in die vermeintlich sicheren Niederlande emigrierte.

In Berlin gab es bei den Wachenheimers in rascher Folge mehrere Wohnungswechsel: 1935 wies das Berliner Adressbuch ihren Wohnsitz in der Waitzstraße 1 aus, 1936 in der Hektorstraße 17, 1937 und 1938 in der Sybelstraße 29 und schließlich 1939 in der Pension Meran/Inhaber L. Stein, Meraner Straße 6 im Bayerischen Viertel in Schöneberg. 1939 emigrierten Alices Mutter Selma, ihr Stiefvater Ernst Theodor und ihre Halbschwester Ingeburg Wachenheimer schließlich über England in die USA.

In Amsterdam lernte Alice den Kaufmann Kurt Jakob David Essinger (*16. März 1904 in München) kennen. Am 17. Mai 1939 heirateten die beiden.
Für Kurt Essinger war es die zweite Ehe. Seine erste Ehefrau Selma Salemon hatte er am 16. Dezember 1930 ebenfalls in Amsterdam geheiratet, allerdings lebte das Paar dann in München bei den Eltern von Kurt Essinger. Der gemeinsame Sohn Walter Ferdinand wurde am 28. Juli 1933 in München geboren. Im Dezember 1935 emigrierten Kurt Essinger und seine Familie mit seinem älteren Bruder Julius (*21. April 1902) nach Amsterdam. Dort gründeten die Brüder Essinger das Textilhandelsgeschäft SEWO. Es war sozusagen die Fortführung der väterlichen Firma Ferdinand Essinger – Münchener Textilwaren-Exportagentur, Kaufingerstraße 1–2, von der ihre Mutter, die Witwe Fanny Essinger, Inhaberin und die beiden Brüder bereits Gesellschafter waren. 1936 wurde in Amsterdam die Ehe von Kurt und Selma Essinger geschieden. Selma verließ die Niederlande und ging mit ihrem Sohn Walter Ferdinand in die Schweiz.

Alice und Kurt Essinger wohnten in der Maesstraße 34. Am 1. Januar 1941 wurde der gemeinsame Sohn Robert geboren. Großvater Hermann Rosengarten hatte große Freude an seinem Enkelsohn, was er 1941 in einem Brief an seine Schwester Jenny Rozen, die bereits seit 1933 in Frankreich lebte, so ausdrückte: „Pumperls Junge, ein halbes Jahr alt, ist ein Prachtkerl! Jaja, so werden wir alle Großväter und ‑mütter!“

Kurts Bruder Julius heiratete im April 1939 die aus Salzburg stammende Edith Morpurgo. Sie bezogen eine Wohnung in der Vijzelstraat 119/III in Amsterdam. Ihre Tochter Eveline Franziska wurde am 15. Februar 1940 geboren. Ihr Sohn René kam am 20. April 1942 zur Welt.
Im August 1942 beschlossen Kurt Essinger und sein Bruder Julius, mit ihren Familien in die Schweiz zu fliehen. Der Plan gelang jedoch nicht. In Belgien wurden sie aufgegriffen und im Lager Mechelen inhaftiert.

Am 29. August 1942 wurden Alice und Kurt Essinger zusammen mit Alices Schwager Julius und seiner Ehefrau Edith mit ihrer kleinen Tochter Eveline Franziska vom Sammellager Mechelen nach Auschwitz deportiert und ermordet.

Alice und Kurt Essinger war es gelungen, ihren Sohn Robert vor ihrer Flucht bei Freunden zurückzulassen. Robert wurde vor der Deportation bewahrt und überlebte. Später wurde er von seiner Großmutter Selma Joske, geschiedene Rosengarten, verheiratete Wachenheimer, in die USA geholt. Dort nannte er sich Robert Essinger-Wachenheim und lebte zuletzt in Kalifornien.

Kurts Bruder Julius und seine Frau Edith trennten sich ebenfalls vor der beabsichtigten Flucht von ihrem knapp vier Monate alten Sohn René. Das Baby wurde von der befreundeten Familie Ormeling versteckt. René überlebte wie sein Cousin Robert die Shoa. Ilse Drucker, geborene Sternheim, und Willem Ormeling wurden seine Vormunde. Aus Dankbarkeit für die Fürsorge der Pflegeeltern nahm René Essinger 1964 den Familiennamen Ormeling an.

Alices Vater Hermann und ihre Großmutter Salomea wurden am 7. November 1942 verhaftet und in das Lager Westerbork überstellt. Drei Tage später wurden sie nach Auschwitz deportiert und ermordet.

Alices leibliche Mutter Selma war nach dem Tod ihrer Mutter 1939 zusammen mit ihrem Mann und der gemeinsamen Tochter Ingeburg in die USA emigriert. Alices Großvater mütterlicherseits, Paul Joske, wurde am 17. August 1942 nach Theresienstadt deportiert und starb dort am 27. August 1942.

Alices Tante Jenny Rozen, die Schwester ihres Vaters Hermann, emigrierte mit ihrem Ehemann Josef und ihrer Tochter Jenny über Frankreich in die Schweiz. Alle drei überlebten.