Ruth Betty Levy geb. Mayer

Verlegeort
Bozener Straße 10
Bezirk/Ortsteil
Schöneberg
Verlegedatum
14. Juni 2024
Geboren
30. Juli 1929 in Berlin
Beruf
Schneiderin, Büroangestellte
Flucht
1939 England
Überlebt
Biografie

Ruth Levy wird als Ruth Betty Helene Mayer am 30. Juli 1929 in Berlin geboren. Ihre Eltern sind Thekla Mayer, geborene Stern, und Rudolf David Mayer, die am 18. Juni 1926 in einem kleinen Örtchen, namens Balduinstein in der Rhein- Main-Gegend heirateten, wo Thekla aufgewachsen ist. Der Vater Rudolf stammt aus Kassel, er kam nach Berlin, um in einer Firma eines fernen Verwandten als „Direktor“ zu arbeiten, die sich mit „Export- und Kommission“ beschäftigte. Später wurde Vater Rudolf Mit-Teilhaber einer anderen Firma in Kreuzberg, die Leisten und Bilderrahmen fabrizierte. 

Ruth wächst in einem wohlsituierten Elternhaus auf, im gutbürgerlichen Bayerischen Viertel in der Bozener Straße 10 im zweiten Stock. Die Familie lebt in einer 5- Zimmer- Wohnung und hat auch ein Dienstmädchen angestellt, wie in den Restitutionsakten berichtet wird. Ruth, 1929 geboren, wird 1935 eingeschult, zwei Jahre nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten und in demjenigen Jahr, in dem am 23. April 1935 das „Gesetz gegen die Überfüllung deutscher Schulen und Hochschulen“ bestimmt, dass der Anteil der jüdischen Schüler nur noch 1,5 Prozent betragen darf. Ruth kann nur noch mit sehr viel Glück auf die Volksschule in der Babelsberger Straße gegangen sein.

1938 wird ihr Vater aus der nicht jüdischen Firma, deren Mitinhaber er aber ist, entlassen, ihm wird die Prokura entzogen. Auf der Grundlage der ab August 1935 durch die Gestapo erstellten Listen über alle jüdischen Bürger gehört Ruths Vater zu den etwas vermögenderen Juden und wird deshalb in der Kristallnacht vom 9. auf den 10. November 1938 verhaftet und in das Konzentrationslager Sachsenhausen in Oranienburg deportiert. Dort bleibt er bis zu 26. November 1938 und muss sich schriftlich verpflichten, unverzüglich Deutschland zu verlassen, damit der nationalsozialistische deutsche Staat sein Vermögen rauben kann. Denn vor der Ausreise sind sowohl die „Reichsfluchtsteuer“ als auch der Eigenanteil der von den Nationalsozialisten so genannten „Sühneleistung“ von einer Milliarde Reichsmark für die Schäden während der "Kristallnacht" zu zahlen, deren Höhe sich prozentual am Vermögen bemisst. 

So erreicht Ruth mit ihrem am 15. April 1939 ausgestellten Pass zusammen mit ihren Eltern am 9. Mai 1939 die Stadt Harwich in Großbritannien. Vermutlich hatten ihre Eltern deshalb Großbritannien als Exilort gewählt, weil ihr Vater dort entfernte Verwandte hatte

Jedoch verbessert sich durch sie nicht die Situation der Familie Mayer. Ruth, ihr Bruder Curd und ihre Mutter Thekla werden schon 1940 von ihrem Vater getrennt und als „ feindliche Ausländer“ für 13 Monate in ein Internierungslager deportiert, der Vater kommt in ein anderes Lager. Auch die Zeit danach ist nicht sehr erfreulich. Die Eltern versuchen beide, in Heimarbeit und in Anstellungen in Firmen die Familie finanziell abzusichern: der Vater produziert Plastikarmbänder und Puderquasten, die Mutter Federhüte.

Ruth besucht eine Schule in London und wird dann mit dieser nach Süd-Wales evakuiert, wo sie neun Monate bleibt. Anschließend lebt sie in der Grafschaft Devon (früher Devonshire) in Cornwall in einem der hostels, die die jüdisch-sozialistische Jugendbewegung „habonim“ (die Erbauer) eingerichtet haben für jüdische Kinder. „Habonim“ war eine sozialistisch-jüdische Jugendorganisation, die 1929 in Großbritannien gegründet wurde; sie unterstützte den Aufbau eines jüdischen Staates in Palästina. Auch Ruths Bruder Curd ist Mitglied in „habonim“.

Ruth lebt bis 1945 in diesem Hostel und besucht dort die Schule. Danach absolviert sie eine Ausbildung als Sekretärin, die sie jedoch abbrechen muss, denn nach sechs Monaten haben die Eltern kein Geld mehr dafür. Ruth arbeitet drei Jahre als Schneiderin und dann wieder in einer Firma im Büro. 1949 stirbt ihr Vater Rudolf Mayer, und 1950 geht ihr Bruder Curd mit „habonim“ nach Israel. 

Ruth lebt mit ihrer Mutter Thekla in Bayswater. Am  11. Juli 1954 heiratet sie Henry Levy  in der „Cricklewood Synagoge“ in London. Ruth und Henry Levy bekommen drei Kinder: Daniel Rudolf 1958, Karen Rebecca 1961 und Howard 1970. Ruth Levy, geborene Mayer, stirbt am 12. Dezember 2009 in London.