Thekla Mayer wird als Thekla Stern am 28. August 1902 in einem größeren Dorf, namens Balduinstein im Rhein-Main-Gebiet geboren. Ihr Vater, Emanuel Stern, ist Metzger und Viehhändler; ihre Mutter Betty ist eines von zehn Kindern der großen Oppenheimer- Familie aus dem Nachbardorf. Thekla hat zwei Geschwister, Susanne und Josef. Nachdem Thekla die achtjährige Volksschule besucht hat, geht sie mit vierzehn Jahren im Jahr 1916 auf die „Gewerbeschule für Mädchen“ im nahegelegenen Limburg. 1916, mitten im Ersten Weltkrieg, sind nur wenige Schülerinnen dort, denn der Schulbesucht kostet Schulgeld. Thekla erwirbt dort Kenntnisse in der Büroarbeit.
Wahrscheinlich arbeitet Thekla dann in der Firma von Leo Salomon Mayer, der Inhaber eines „Export- und Kommissionsgeschäftes“ in Frankfurt/ Main ist und auch eine Dependance in Berlin in der Ritterstraße hat. Auch einer von Theklas Onkeln, Louis Oppenheimer, arbeitet dort, wird nach dem Tod von Leo Salomon Mayer 1913 Geschäftsinhaber.
Rudolf Mayer, ein entfernter Verwandter von L. S. Mayer, arbeitet höchstwahrscheinlich bereits in Berlin in dieser Firma als Direktor. Jedenfalls lernen sich Thekla Stern und Rudolf Mayer kennen, und am 18. Juni 1926 heiratet die 24jährige Thekla Stern den 43 jährigen Rudolf Mayer in Balduinstein. Rudolf ist inzwischen Mitinhaber der „Leisten- und Bilderrahmenfabrik Hans Gost & Co.“ in der Alexandrinenstraße in den Sandmann-Höfen in Kreuzberg und entsprechend gut situiert.
Die Familie zieht 1927 in die Bozener Straße 10, 2. Stock links, in einer Fünf- Zimmer- Wohnung. Nach Aussagen einiger Zeugen im Restitutionsverfahren hatten sie sogar ein Dienstmädchen.
Am 8. April 1927 wird der Sohn Curt Siegbert geboren und am 30. Juli 1929 die Tochter Ruth Betty Helene. Beide Kinder können nur kurz auf den Schulen, die sie besuchen wollen, lernen, denn mit dem Beginn der Regierung des Nationalsozialismus im Januar 1933 beginnen die Repressionen und Schmähungen für die jüdischen Berliner. Zwar muss der Sohn Curt 1935 bereits die Volksschule verlassen auf Anordnung des am 23. April 1935 beschlossenen Gesetzes „gegen die Überfüllung deutscher Schulen und Hochschulen“ und geht auf die jüdische private Luise- Zickel- Schule, aber zunächst haben die Mayers keine wirtschaftlichen Auswirkungen der nationalsozialistischen Gesetzgebungen zu spüren, denn die Firma, in der Rudolf Mayer neben zwei anderen jüdischen Kaufleuten Geschäftsinhaber ist, ist im Sinne des „Arierparagraphen“ laut dem Gesetz vom 7. April 1933 „arisch“.
Das ändert sich jedoch im Jahr 1938, als mit der „Verordnung über die Anmeldepflicht jüdischen Vermögens“ vom 26. April 1938 deutlich wird, dass Rudolf Mayer mit 52.000 Reichsmark die Firma Hans Gost, in der Rudolf Mitinhaber ist, finanziert; das ist mehr als ein Viertel des Gesamtvermögens dieser Firma. Deshalb wird Rudolf Mayer im Juni 1938 als Mitinhaber der Firma entlassen, die Prokura wird ihm entzogen.
In der Kristallnacht vom 9. auf den 10. November 1938 ist Rudolf Mayer einer der 12 000 Berliner Juden, die in das Konzentrationslager Sachsenhausen in Oranienburg verschleppt werden. Bis zum 26. November 1938 muss er dort bleiben und sich anschließend schriftlich verpflichten, Deutschland so schnell wie möglich zu verlasen. Die nach den Novemberprogromen erlassenen nationalsozialistischen Gesetze mit dem Ziel, den deutschen Juden jegliche Wirtschaftstätigkeit zu verbieten und ihnen ihr Vermögen zu rauben, machen nun auch Rudolf Mayer klar, dass seine Familie Deutschland verlassen muss. Zumal dies ja die Voraussetzung für seine Entlassung aus dem Konzentrationslager war. Theklas Onkel aus dem Rheinland, die Oppenheimers, waren schon Jahre zuvor ins Exil gegangen, auch ihr Schwager Willi, der Bruder von Rudolf, bereitet seine Flucht aus Deutschland vor.
Am 15. April 1939 haben alle Mayers Reisepässe und kommen am 9. Mai 1939 in Harwich in England an. Das Leben für Thekla wird kein leichtes, denn schon ein Jahr nach ihrer Ankunft, im Mai 1940, werden Thekla und ihre Kinder Curt und Ruth von ihrem Mann getrennt und als „feindliche Ausländer“ dreizehn Monate in ein Internierungslager gebracht. Danach kann Rudolf nicht sehr viel Geld verdienen, deshalb arbeitet Thekla auch und stellt für eine Firma Federhüte her. Theklas Bruder Josef kann sich nach Südafrika retten. Ihre Schwester Susanne jedoch und ihr Mann und Sohn werden 1942 in Treblinka ermordet; Theklas Eltern Emanuel und Betty Stern werden 1943 in Theresienstadt ermordet, für sie beide liegen in Balduinstein seit 2022 Stolpersteine.
Im Jahr 1949 stirbt Theklas Mann Rudolf. Thekla bleibt Berlin verbunden durch eine ehemalige Hausbewohnerin, Emma Wollmann, die auch nach London ins Exil gegangen war. Und auch ihr Schwager Willi besucht sie 1960 mit seiner Frau Konstantia für mehrere Monate in London. Thekla kann sich noch viele Jahre in London an ihren Enkelkindern erfreuen; sie stirbt am 10. Dezember 1993 in London.