Dr. Julius Moses

Verlegeort
Bundesratufer 9
Bezirk/Ortsteil
Moabit
Verlegedatum
März 2003
Geboren
02. Juli 1868 in Posen / Poznań
Beruf
Arzt / Stadtverordneter
Deportation
am 07. Juli 1942 nach Theresienstadt
Ermordet
24. September 1942 im Ghetto Theresienstadt

<i>Ist es mit ärztlicher Ethik in Einklang zu bringen, wenn im ‚Angriff‘ sich fast täglich wiederkehrend eine Anzeige findet: ‚Liste empfehlenswerter Ärzte liegt auf dem Gau zur Einsichtnahme für Pg </i>[NSDAP-Parteigenossen] <i>aus. Geht nicht zu jüdischen Ärzten!‘ Hier wird schon heute zum wirtschaftlichen Boykott von Kollegen aufgerufen. In der Zeitung ‚Berlin am Morgen‘ wurde mitgeteilt, dass in dem Wartezimmer eines nationalsozialistischen Arztes ein Plakat hängt: ‚Juden werden bei mir nicht behandelt!‘ Wirtschaftlicher Boykott gegen Standesgenossen und Verweigerung der Krankenhilfe an ‚Fremdrassige‘. Diese heute schon vorhandenen nationalsozialistischen Praktiken lassen ahnen, was in einem ‚Dritten Reich‘ bevorsteht.</i><br />
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Julius Moses: Der Kampf gegen das ‚Dritte Reich’, in: „Der Kassenarzt“ 5/1932<br />
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Julius Moses studierte Medizin und praktizierte zuerst im Berliner Arbeiterviertel Wedding. 1899 zog er nach Liegnitz in Schlesien, wo er Mitglied der Freisinnigen Vereinigung wurde.<br />
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1911 trat er in die SPD ein. 1913 forderte er die Arbeiterinnen und Arbeiter wegen ihrer Notlage zur Geburtenbeschränkung auf und löste damit in der SPD die „Gebärstreik“-Debatte aus. In diesem Zusammenhang lernte er die SPD-Politikerin Anna Nemitz und deren Tochter Elfriede kennen, die seine Lebensgefährtin wurde. Während des Ersten Weltkrieges trat er zur USPD über und wurde 1920 in den Reichstag gewählt. Im Reichstagshandbuch gab er sein Bekenntnis offen mit „Jude“ an. 1922 wurde er wieder Mitglied der SPD und war gesundheitspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion. Seit 1924 war er Redakteur der Zeitschrift Der Kassenarzt, in der er auch zu Fragen des Antisemitismus und des Judentums Stellung nahm und die nationalsozialistischen Programme zur Gesundheitspolitik angriff. 1931 veröffentlichte er nach einer Befragung von Ärzten die Schrift Massenarbeitslosigkeit: ein Problem der Volksgesundheit. Trotz der akuten Bedrohung für ihn als Jude und bekannten Sozialdemokraten blieb Moses nach der nationalsozialistischen Machtübernahme in Berlin. Sein Sohn Erwin aus seiner früh gescheiterten Ehe wanderte mit seiner Familie nach Palästina aus. Auf Grund des Gesetzes zum Schutz des deutschen Bluts und der deutschen Ehre von 1935, das das Zusammenleben von Juden und „Deutschblütigen“ in einem Haushalt untersagte, wurde die Lebensgemeinschaft mit Elfriede Nemitz, mit der er zwei Kinder hatte, zerstört. Moses musste in eine eigene kleine Wohnung im Bezirk Tiergarten ziehen, konnte sich tagsüber aber weiter in der Wohnung seiner Freundin aufhalten. 1938 wurde ihm und seinem Sohn Rudi, der ihn bis dahin finanziell unterstützt hatte, die Zulassung als Arzt entzogen. Rudi Moses wanderte nach Manila (Philippinen) aus. Julius Moses wurde 1942 nach Theresienstadt deportiert und starb dort in einem Krankenhaus. Seine frühere Ehefrau Gertrud und seine Tochter Vera wurden im Herbst 1942 ebenfalls nach Theresienstadt deportiert, wo beide ums Leben kamen.<br />
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Julius Moses war Stadtverordneter 1921 auf Stadtwahlvorschlag (USPD); 1922 Stadtwahlvorschlag (USPD/SPD); 1923 – 1925 Stadtwahlvorschlag (SPD)

Ist es mit ärztlicher Ethik in Einklang zu bringen, wenn im ‚Angriff‘ sich fast täglich wiederkehrend eine Anzeige findet: ‚Liste empfehlenswerter Ärzte liegt auf dem Gau zur Einsichtnahme für Pg [NSDAP-Parteigenossen] aus. Geht nicht zu jüdischen Ärzten!‘ Hier wird schon heute zum wirtschaftlichen Boykott von Kollegen aufgerufen. In der Zeitung ‚Berlin am Morgen‘ wurde mitgeteilt, dass in dem Wartezimmer eines nationalsozialistischen Arztes ein Plakat hängt: ‚Juden werden bei mir nicht behandelt!‘ Wirtschaftlicher Boykott gegen Standesgenossen und Verweigerung der Krankenhilfe an ‚Fremdrassige‘. Diese heute schon vorhandenen nationalsozialistischen Praktiken lassen ahnen, was in einem ‚Dritten Reich‘ bevorsteht.

Julius Moses: Der Kampf gegen das ‚Dritte Reich’, in: „Der Kassenarzt“ 5/1932

Julius Moses studierte Medizin und praktizierte zuerst im Berliner Arbeiterviertel Wedding. 1899 zog er nach Liegnitz in Schlesien, wo er Mitglied der Freisinnigen Vereinigung wurde.

1911 trat er in die SPD ein. 1913 forderte er die Arbeiterinnen und Arbeiter wegen ihrer Notlage zur Geburtenbeschränkung auf und löste damit in der SPD die „Gebärstreik“-Debatte aus. In diesem Zusammenhang lernte er die SPD-Politikerin Anna Nemitz und deren Tochter Elfriede kennen, die seine Lebensgefährtin wurde. Während des Ersten Weltkrieges trat er zur USPD über und wurde 1920 in den Reichstag gewählt. Im Reichstagshandbuch gab er sein Bekenntnis offen mit „Jude“ an. 1922 wurde er wieder Mitglied der SPD und war gesundheitspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion. Seit 1924 war er Redakteur der Zeitschrift Der Kassenarzt, in der er auch zu Fragen des Antisemitismus und des Judentums Stellung nahm und die nationalsozialistischen Programme zur Gesundheitspolitik angriff. 1931 veröffentlichte er nach einer Befragung von Ärzten die Schrift Massenarbeitslosigkeit: ein Problem der Volksgesundheit. Trotz der akuten Bedrohung für ihn als Jude und bekannten Sozialdemokraten blieb Moses nach der nationalsozialistischen Machtübernahme in Berlin. Sein Sohn Erwin aus seiner früh gescheiterten Ehe wanderte mit seiner Familie nach Palästina aus. Auf Grund des Gesetzes zum Schutz des deutschen Bluts und der deutschen Ehre von 1935, das das Zusammenleben von Juden und „Deutschblütigen“ in einem Haushalt untersagte, wurde die Lebensgemeinschaft mit Elfriede Nemitz, mit der er zwei Kinder hatte, zerstört. Moses musste in eine eigene kleine Wohnung im Bezirk Tiergarten ziehen, konnte sich tagsüber aber weiter in der Wohnung seiner Freundin aufhalten. 1938 wurde ihm und seinem Sohn Rudi, der ihn bis dahin finanziell unterstützt hatte, die Zulassung als Arzt entzogen. Rudi Moses wanderte nach Manila (Philippinen) aus. Julius Moses wurde 1942 nach Theresienstadt deportiert und starb dort in einem Krankenhaus. Seine frühere Ehefrau Gertrud und seine Tochter Vera wurden im Herbst 1942 ebenfalls nach Theresienstadt deportiert, wo beide ums Leben kamen.

Julius Moses war Stadtverordneter 1921 auf Stadtwahlvorschlag (USPD); 1922 Stadtwahlvorschlag (USPD/SPD); 1923 – 1925 Stadtwahlvorschlag (SPD)