Rudolf Langen

Verlegeort
Claszeile 57
Bezirk/Ortsteil
Zehlendorf
Verlegedatum
29. März 2017
Geboren
19. Januar 1931 in Berlin-Zehlendorf
Deportation
am 23. März 1944 nach Hadamar
Ermordet
27. März 1944 in Hadamar

Rudolf Langen war einer von fünf Jungen aus dem „Haus Kinderschutz", der in der Tötungsanstalt Hadamar ermordet wurde. Auf dem Deckblatt der Fürsorgeerziehungs-Akte des Wohlfahrt- und Jugendamts der Reichshauptstadt Berlin ist als Todeszeitpunkt die Uhrzeit 2:15 Uhr vermerkt.<br />
Rudolf wurde 1931 - zehn Jahre nach seiner Schwester Hedwig - in Zehlendorf geboren. Die Ehe<br />
der Eltern war zu diesem Zeitpunkt schon zerrüttet und wurde ein Jahr später geschieden. Während Hedwig beim katholischen Vater aufwuchs, lebte Rudolf bei seiner Mutter Ella, deren Eltern 1933 als Juden nach Paris emigrierten.<br />
Obgleich Ella Langen sich noch 1937 katholisch taufen ließ, galt auch sie nach der "Ersten<br />
Verordnung zum Reichsbürgergesetz" als Jüdin und ihr Sohn nun als "Mischling ersten Grades".<br />
Zwar trat Rudolf in das "Jungvolk" ein, wegen seiner Herkunft durfte er aber keine höhere Schule<br />
besuchen und wurde in der Volksschule gehänselt, sodass er die Schule zu schwänzen begann. Im Juli 1943 blieb Rudolf "zum 2. Mal in der 5. Klasse sitzen", weil er "das ganze 2. Halbjahr 1942/42 geschwänzt hat". Einen Monat später leitete der Bezirksbürgermeister ein Verfahren ein, mit dem von Amts wegen nachgewiesen werden sollte, dass Rudolf nicht von seinem Vater, dessen nichtjüdische Herkunft auch seinen Sohn schützte, sondern von einem Juden abstamme. Grundlage hierfür war eine Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuchs, nach der neben dem Kindesvater nun auch der Staat die "Ehelichkeit" von Kindern anzweifeln konnte. Welche Motivation dem Verfahren zugrunde lag, zeigte sich in dem Antrag des Jugendamts an den Staatsanwalt: "Das abwegige Verhalten des Kindes Rudolf Langen, das neuerdings noch durch Bekanntwerden raffinierter Diebstähle besonders beleuchtet wird, lässt vermuten, dass bei dem Jungen irgendwelche fremden Erbanlagen zum Ausbruch kommen. Im öffentlichen Interesse halte ich damit die Anfechtung der Ehelichkeit des Jungen geboten."<br />
Als er mehrmals auch aus dem katholischen Waisenhaus flüchtete, in dem er untergebracht worden war, schaltete sich das städtische Fürsorgeamt ein. Der Junge analysierte seine Situation in einem Lebenslauf nüchtern: "Ich habe geschwänzt und sollte darum in die Hilfsschule kommen. Aber die Frau vom Jugendamt wollte das nicht und brachte mich zum Waisenhaus in Moabit, Turmstr. 44. Dort bin ich dreimal ausgerückt und habe dabei gestohlen, und ich wurde in der Turmstraße nicht mehr angenommen."<br />
Das Jugendamt wies den Schüler im Oktober 1943 umgehend in die Fürsorgeerziehung ein, weil<br />
"Gefahr im Verzug" sei. Nach mehreren Zwischenstationen wurde Rudolf schließlich im Dezember<br />
1943 in das "Haus Kinderschutz" überwiesen. Zu diesem Zeitpunkt war er nicht ausreichend ernährt uns untergewichtig. Auch hier fühlte er sich offenbar nicht wohl und versuchte zu fliehen. Am 20. Februar 1944 sandte er seiner Mutter zu ihrem 55. Geburtstag ein kleines Gedicht und bat sie, ihm Briefmarken zu schicken, damit er ihr und seinen Freunden schreiben könne. Er erwähnte, dass er bald aus Berlin "raus" käme, wusste aber "noch nicht wann und wohin". Genau einen Monat später schrieb Rudolf seiner Mutter auf einer freigestempelten Anstaltskarte, bat wieder um Briefmarken und teilte ihr mit, dass er bald "wegkomme", wenn in "Hessen ein Platz frei" sei. Vier Tage später wurde er nach Hadamar gebracht, wo er einen Tag später eintraf. Bereits nach seiner Ankunft diagnostizierten die Ärzte dort "angeborenen Schwachsinn" und ermordeten den Dreizehnjährigen. In seiner Todesurkunde wurde "Lungenentzündung" als Todesursache eingetragen.<br />
Weil Ella Langen noch eine Tochter hatte, die als nicht-jüdisch galt, war sie zwar vor der<br />
Deportation geschützt, musste aber vom Zeitpunkt des Todes ihres Sohnes an einen gelben Stern tragen und noch schwerere Zwangsarbeit leisten. Sie überlebte Krieg und Verfolgung und stellte 1953 einen Entschädigungsantrag. Darin musste sie beweisen, dass ihr Sohn nicht, wie vom Amt angenommen, "geistig behindert" gewesen war und somit, wenn er nicht ermordet worden wäre, nun für sie hätte sorgen können. Dies tat sie unter Vorlage der Briefe, die ihr Sohn ihr geschickt hatte, und mit Unterstützung von drei Nachbarinnen, die bestätigten, dass Rudolf "ein besonders begabtes und aufgewecktes Kind gewesen sei, das an seiner Mutter sehr hing".

Rudolf Langen war einer von fünf Jungen aus dem „Haus Kinderschutz", der in der Tötungsanstalt Hadamar ermordet wurde. Auf dem Deckblatt der Fürsorgeerziehungs-Akte des Wohlfahrt- und Jugendamts der Reichshauptstadt Berlin ist als Todeszeitpunkt die Uhrzeit 2:15 Uhr vermerkt.
Rudolf wurde 1931 - zehn Jahre nach seiner Schwester Hedwig - in Zehlendorf geboren. Die Ehe
der Eltern war zu diesem Zeitpunkt schon zerrüttet und wurde ein Jahr später geschieden. Während Hedwig beim katholischen Vater aufwuchs, lebte Rudolf bei seiner Mutter Ella, deren Eltern 1933 als Juden nach Paris emigrierten.
Obgleich Ella Langen sich noch 1937 katholisch taufen ließ, galt auch sie nach der "Ersten
Verordnung zum Reichsbürgergesetz" als Jüdin und ihr Sohn nun als "Mischling ersten Grades".
Zwar trat Rudolf in das "Jungvolk" ein, wegen seiner Herkunft durfte er aber keine höhere Schule
besuchen und wurde in der Volksschule gehänselt, sodass er die Schule zu schwänzen begann. Im Juli 1943 blieb Rudolf "zum 2. Mal in der 5. Klasse sitzen", weil er "das ganze 2. Halbjahr 1942/42 geschwänzt hat". Einen Monat später leitete der Bezirksbürgermeister ein Verfahren ein, mit dem von Amts wegen nachgewiesen werden sollte, dass Rudolf nicht von seinem Vater, dessen nichtjüdische Herkunft auch seinen Sohn schützte, sondern von einem Juden abstamme. Grundlage hierfür war eine Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuchs, nach der neben dem Kindesvater nun auch der Staat die "Ehelichkeit" von Kindern anzweifeln konnte. Welche Motivation dem Verfahren zugrunde lag, zeigte sich in dem Antrag des Jugendamts an den Staatsanwalt: "Das abwegige Verhalten des Kindes Rudolf Langen, das neuerdings noch durch Bekanntwerden raffinierter Diebstähle besonders beleuchtet wird, lässt vermuten, dass bei dem Jungen irgendwelche fremden Erbanlagen zum Ausbruch kommen. Im öffentlichen Interesse halte ich damit die Anfechtung der Ehelichkeit des Jungen geboten."
Als er mehrmals auch aus dem katholischen Waisenhaus flüchtete, in dem er untergebracht worden war, schaltete sich das städtische Fürsorgeamt ein. Der Junge analysierte seine Situation in einem Lebenslauf nüchtern: "Ich habe geschwänzt und sollte darum in die Hilfsschule kommen. Aber die Frau vom Jugendamt wollte das nicht und brachte mich zum Waisenhaus in Moabit, Turmstr. 44. Dort bin ich dreimal ausgerückt und habe dabei gestohlen, und ich wurde in der Turmstraße nicht mehr angenommen."
Das Jugendamt wies den Schüler im Oktober 1943 umgehend in die Fürsorgeerziehung ein, weil
"Gefahr im Verzug" sei. Nach mehreren Zwischenstationen wurde Rudolf schließlich im Dezember
1943 in das "Haus Kinderschutz" überwiesen. Zu diesem Zeitpunkt war er nicht ausreichend ernährt uns untergewichtig. Auch hier fühlte er sich offenbar nicht wohl und versuchte zu fliehen. Am 20. Februar 1944 sandte er seiner Mutter zu ihrem 55. Geburtstag ein kleines Gedicht und bat sie, ihm Briefmarken zu schicken, damit er ihr und seinen Freunden schreiben könne. Er erwähnte, dass er bald aus Berlin "raus" käme, wusste aber "noch nicht wann und wohin". Genau einen Monat später schrieb Rudolf seiner Mutter auf einer freigestempelten Anstaltskarte, bat wieder um Briefmarken und teilte ihr mit, dass er bald "wegkomme", wenn in "Hessen ein Platz frei" sei. Vier Tage später wurde er nach Hadamar gebracht, wo er einen Tag später eintraf. Bereits nach seiner Ankunft diagnostizierten die Ärzte dort "angeborenen Schwachsinn" und ermordeten den Dreizehnjährigen. In seiner Todesurkunde wurde "Lungenentzündung" als Todesursache eingetragen.
Weil Ella Langen noch eine Tochter hatte, die als nicht-jüdisch galt, war sie zwar vor der
Deportation geschützt, musste aber vom Zeitpunkt des Todes ihres Sohnes an einen gelben Stern tragen und noch schwerere Zwangsarbeit leisten. Sie überlebte Krieg und Verfolgung und stellte 1953 einen Entschädigungsantrag. Darin musste sie beweisen, dass ihr Sohn nicht, wie vom Amt angenommen, "geistig behindert" gewesen war und somit, wenn er nicht ermordet worden wäre, nun für sie hätte sorgen können. Dies tat sie unter Vorlage der Briefe, die ihr Sohn ihr geschickt hatte, und mit Unterstützung von drei Nachbarinnen, die bestätigten, dass Rudolf "ein besonders begabtes und aufgewecktes Kind gewesen sei, das an seiner Mutter sehr hing".