Martha Friedlaender

Verlegeort
Danckelmannstr. 44
Bezirk/Ortsteil
Charlottenburg
Verlegedatum
20. September 2011
Geboren
30. Juli 1883 in Neidenburg (Ostpreußen) / Nidzica
Deportation
am 28. März 1942 nach Piaski
Ermordet
in Piaski

Martha Friedländer wurde am 30. Juli 1883 im ostpreußischen Neidenburg (heute: Nidzica/Polen) geboren. Sie ging in Spandau zur Grundschule und danach auf eine Höhere Töchterschule. Im Anschluss daran besuchte sie eine Handelsschule, wo sie Fremdsprachen und Stenographie erlernte. Nach ihrer Ausbildung arbeitete sie über 10 Jahre als Sekretärin und Buchhalterin bei der Firma Bernhard Noah, einer Schirmstockfabrik. Dann wechselte sie zur Firma H. Sperling, einer Großbuchbinderei in der Friedrichstraße. Sie arbeitete dort 20 Jahre lang. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten wuchs der Druck auf die Firma, Martha Friedländer zu entlassen. Ihr Chef widersetzte sich, denn er wollte sie unbedingt halten. Letztendlich wurde er aber von der Firmenzentrale in Leipzig gezwungen, ihr zu kündigen. Von 1935 bis 1938 arbeitete sie bei der Firma Harefa, einer Regenmantelfabrik. Danach konnte sie nur noch als Näherin Geld verdienen. Sie nähte Knöpfe an und verdiente 40 Pfennig in der Stunde. Am 1. Juli 1939 musste sie ihre Wohnung in der Danckelmannstr. 44, die sie sich mit ihrer Schwester Else teilte, aufgeben. Beide wurden gezwungen, in die Solinger Str. 6 in Moabit umzuziehen. Von dort wurden sie im März 1943 ins Ghetto von Piaski deportiert, wo sie ermordet wurden.

Martha Friedlaender kam am 30. Juli 1883 auf die Welt. Sie hatte zwei jüngere Schwestern, Else, am 19. Mai 1886 und Irma, am 31. Dezember 1888 geboren. Irma, die ihre Schwestern überlebte, schrieb nach dem Krieg in einer eidestattlichen Erklärung über Marthas Leben Folgendes:

„Fräulein Martha Friedlaender ist am 30. Juli 1883 in Neidenburg, Ostpreussen als zweite Tochter von Herrn D. Friedlaender und Ehefrau Rosa Friedlaender geb. Cohn, geboren worden. Sie war mosaischer Confession. Die Eltern zogen von Neidenburg nach Antonienhütte Oberschlesien, dann nach Spandau, wo ihr Vater Apothekenbesitzer (in allen Orten) war. In Spandau besuchte sie die städtische Schule mit gutem Erfolg und setzt ihre Erziehung dann in Berlin in einer Höheren Töchterschule (König) fort, da ihr Vater im Jahre 1898 die Brettschneidersche Apotheke in Berlin, Oranienburgerstrasse 27 mit dem Grundstück kaufte. Nach Beendigung der Schule besuchte sie eine Handelsschule und vervollkommnete sich in fremden Sprachen, für die sie immer ein grosses Interesse und Fähigkeiten zeigte. Sie gab ausländischen Studenten deutschen Unterricht und war sehr gut an der Universität bekannt, die Professoren sandten ihr die Studenten, die in der Nähe der Oranienburgerstrasse wohnten.

Sie begann dann ihre Tätigkeit als Sekretärin und Buchhalterin bei der Firma Bernard Noah, Schirmstockfabrik, wo sie über 10 Jahre arbeitete. Dann übernahm sie einen sehr verantwortlichen Posten bei der Firma H. Sperling, Grossbuchbinderei, Friedrichstrasse, wo sie über 20 Jahre blieb. Der Chef, Herr Zenner, wollte sie nicht gehen lassen, allen Widerständen zum Trotz, die ihm aus der Nazibewegung entstanden, wurde aber von dem Hauptgeschäft in Leipzig gezwungen, Fräulein Martha Friedlaender zu entlassen. Sie arbeitete dann von 1935 bis 1938 bei der Firma Harefa, Hamburger Regenmäntelfabrik, musste aber diese Tätigkeit in 1938 aufgeben. Von dann aus konnte sie nur als Näherin arbeiten, und auch dann wurden ihr Schwierigkeiten bereitet. Sie musste ihre Wohnung Danckelmannstr. 44 aufgeben und zog nach Solingerstr. 6, [von] wo sie im März 1942 deportiert worden ist. Sie war eine sehr tatkräftige und gesunde Person und würde bis zu ihrem späten Alter gearbeitet haben.

In der Entschädigungssache meiner Schwester Martha Friedlaender, Berlin, erlaube ich mir mitzuteilen, dass meine Schwester bis zur Hitlerzeit immer erste Stellungen bekleidet hat, als perfekte Buchhalterin Sekretärin, Korrespondentin für ausländische Sprachen. Sie musste ihre letzte Stellung, die sie für 15 Jahre innehatte, durch die arischen Gesetze aufgeben, hatte dann in jüdischen Unternehmungen gearbeitet, bis sie ins Konzentrationslager kam, resp. verschleppt und vergast wurde. Nebenbei hatte sie ein gutes Einkommen durch ein Vermögen, das sie von meiner Mutter geerbt hatte. Sie hat also immer in guten Verhältnissen gelebt, die durch die arischen Gesetze vollständig zerstört wurden.“

Irma wurde 1888 in Antonienhütte geboren, da war Martha 5 Jahre alt. Irma heiratete einen Mann mit dem Nachnamen Fraenkel, hatte mit ihm zwei Kinder (geboren 1921 und 1924) und wanderte mit ihrer Familie rechtzeitig nach England aus. Dort änderte sie ihren Nachnamen in Franklin und wohnte unter anderem in Richmond, Surrey.

Else Friedlaender wurde 1886 wie Martha in Neidenburg (Ostpreußen) geboren. Über ihr Leben wissen wir nur, dass sie bis 1939 mit ihrer Schwester in der elterlichen Wohnung in der Danckelmannstraße 44 wohnte und mit ihr in die Solinger Straße 6 ziehen musste. Ihre Cousine Herta Veit, geb. Cohn beschrieb die Wohnungseinrichtung in der Dankelmannstraße später so: „Die Einrichtung von Fräulein Marta und Else Friedlaender (ist) mir sehr gut bekannt. Ich habe in dem Hause ihrer Eltern, deren Einrichtung sie übernommen haben, seit meiner Kindheit verkehrt (…). Die Einrichtung bestand aus guten, gediegenen Moebelstuecken, Teppichen, Vorhaengen, Porzellan, guten Bildern und Silber und man kann sie als gediegen und gepflegt bezeichnen.“

Am 1. Juli 1939 wurden beide Schwestern gezwungen, in die Solinger Straße 6 in Moabit umzuziehen. Von dort wurden sie am 28. März 1942 mit fast 1000 weiteren Jüdinnen und Juden in das Ghetto Piaski deportiert.

Die schrecklichen Details dieses Transports finden sich auf der Webseite von Yad Vashem:

„Das Judenreferat der Berliner Gestapo unter der Leitung von SS-Untersturmführer Gerhard Stübs und seinem Stellvertreter Kriminaloberinspektor Franz Prüfer wurde beauftragt, die Transporte in Zusammenarbeit mit dem Judenreferat des RSHA (IVD1) durchzuführen. Den Vertretern der Berliner jüdischen Gemeinde wurde befohlen, Namenslisten für die Deportationen zu erstellen. Sie wurden gezwungen, aus ihrer Kartei einige Tausend Namen auszuwählen. Die jüdische Gemeinde hatte auch für die Verpflegung der Deportierten zu sorgen.

Vor dem Transport erhielten die zu Deportierenden eine Benachrichtigung über ihren bevorstehenden Abtransport, darunter die üblichen Anweisungen für Transporte aus dem Reich. Bis zu 50 kg Gepäck waren erlaubt. Sie erhielten auch ein Formular, in dem ihr verbliebenes Vermögen einzutragen war. Oftmals wurden die betroffenen Juden von Gestapomännern oder von jüdischen Ordnern, die von der SS eigens dafür angeheuert worden waren, zum Sammellager gebracht. Sie drangen gewaltsam in Wohnungen von Juden ein, deren Namen auf der Deportationsliste standen, und stellten sicher, dass die Bewohner zum Abtransport bereit waren. Die Opfer hatten einige Minuten um sich fertigzumachen und mussten dann ihre Wohnungen für immer verlassen. In diesen Fällen konnten sie nur wenig Gepäck mitnehmen. Auf der Straße mussten sie einen Lastwagen besteigen, mit dem auch andere Juden abgeholt wurden. Anschließend wurden sie zum Sammellager in die Synagoge Levetzowstraße 7-8 im Berliner Stadtteil Tiergarten gebracht. Nach der Ankunft in der Synagoge, wo sie von Schutzpolizisten bewacht wurden, wurden die Identität und der verbleibende Besitz der jüdischen Opfer umfassend registriert. Dieser Vorgang wurde oft von brutalen Misshandlungen begleitet. Die Gestapo zwang sie, ihr Eigentum aufzulisten und ihre Wohnungsschlüssel abzugeben. Dann mussten sie ein Dokument unterzeichnen, in dem sie auf ihren gesamten Besitz verzichteten und diesen dem Staat übertrugen. Sie wurden auch gezwungen, sämtliche Wertgegenstände und mitgeführtes Bargeld abzugeben. Zeitweise drängten sich mehr als 1.000 Menschen in der Synagoge und warteten tagelang auf die Abfahrt ihres Transports. Sie schliefen auf dem Fußboden oder auf Strohsäcken. Die hygienischen Bedingungen waren katastrophal und der Gemütszustand der Deportierten war entsprechend. Am Ort waren Ärzte und Krankenschwestern, die so gut es ging zu helfen versuchten, dennoch erlitten einige Menschen Nervenzusammenbrüche und manche begingen sogar Selbstmord. Nach Abgang des Transports bot die Gestapo die jüdischen Besitztümer in einer Auktion zum Verkauf an.

Am 28. März wurden alle Deportierten vom Sammellager zum Bahnhof Grunewald gebracht. Die nicht Gehfähigen wurden auf Lastwägen dorthin gebracht, während die anderen ca. sieben Kilometer durch die Stadt gehen mussten. Am Bahnhof standen von der Gestapo bestellte und von der Reichsbahn bereitgestellte Waggons bereit und den Deportierten wurde befohlen einzusteigen. Dieser Transport fuhr am selben Tag ab. Es war der elfte (Welle XI) von über 60 Transporten aus Berlin in den Osten (Osttransport), in denen insgesamt über 35.000 Juden aus Berlin in die Ghettos und Vernichtungslager in Osteuropa deportiert wurden. Er bestand aus bis zu 985 Männern, Frauen und Kindern, die hauptsächlich aus Berlin selbst kamen. Während der Fahrt wurden die Juden von einem 15köpfigen Wachkommando der Schutzpolizei unter einem Befehlshaber bewacht. Das Ziel wurde ihnen nicht mitgeteilt und nach zwei Tagen in überfüllten Waggons kamen sie am 30. März am Bahnhof Trawniki in Ostpolen an, 35 Kilometer von Lublin entfernt. Von dort wurden die Deportierten ca. 12 Kilometer die Straße entlang zum Ghetto Piaski geführt.

Unterwegs hielt der Zug am Bahnhof in Lublin, wo unter den arbeitsfähigen Männern im Alter zwischen 15 und 50 eine Selektion durchgeführt wurde. Diese wurden vom Zug entfernt und zum Aufbau des Lagers Majdanek geschickt. Die genaue Zahl dieser Zwangsarbeiter ist unbekannt, aber nach den dortigen Sterbelisten der Häftlinge waren es mindestens 23. Es wird jedoch angenommen, dass über 100 aus diesem Transport ausgewählt wurden. (...) Die Historikerin Rita Meyhöfer erwähnt drei Überlebende.“

Martha und Else Friedlaender gehörten nicht zu den Überlebenden.