Cäcilie Dobrin

Verlegeort
Dresdener Straße 15
Bezirk/Ortsteil
Kreuzberg
Geboren
10. November 1906 in Berlin
Deportation
am 04. März 1943 nach Auschwitz
Ermordet
in Auschwitz

Cäcilie Dobrin wurde am 10. November 1906 in Berlin geboren. Sie war die Tochter des Fabrikanten Hermann Dobrin (1874–1962) und der gelernten Verkäuferin Marie Dobrin, geborene Schwericke (1884–nach 1958). Ihr Vater stammte aus Schlochau (dem heutigen Czluchów in Polen), ihre Mutter aus Potsdam. Hermann und Marie hatten im Juli 1906 in Berlin geheiratet und sich eine gemeinsame Wohnung in der Kunkelstraße 5 im Wedding genommen. Cäcilie wuchs im Kreis von vier Geschwistern auf: Ihr Bruder Otto Hermann Dobrin war im November 1905 in Berlin zur Welt gekommen, ihre Schwester Grete wurde im April 1908 geboren, ihr jüngerer Bruder Willy Wolf im Juni 1909 und ihre jüngste Schwester Klara Eva im Februar 1913. Über das Elternhaus, die Kindheit und Jugend von Cäcilie Dobrin im Berlin der Kaiserzeit haben sich nur wenige Informationen erhalten. Ihr Vater gehörte zur jüdischen Gemeinde von Berlin und war mit seinem Vater Philipp Dobrin, der Pferdehändler war, seiner Mutter Minna Dobrin, geborene Totenkopf, und sechs Geschwistern aus Schlochau nach Berlin gekommen. Zwei der Onkel von Cäcilie, Isidor und Moriz Dobrin, waren Konditoren und hatten in Berlin florierende Cafés und Konditoreien eröffnet – mit Filialen in der Jerusalemer Straße und am Kurfürstendamm. Beide engagierten sich außerdem in der Gemeinde, gehörten zu den Gründungsmitgliedern der Synagoge Grunewald und waren Vorstandsmitglieder des Jüdischen Altersheims in Schmargendorf. Cäcilies Vater, der als Kaufmann in Berlin arbeitete, eröffnete nach dem Ersten Weltkrieg ein Engros-Galanterie- und Kurzwarengeschäft in der Krausnickstraße 17 in Berlin-Mitte, wo die Familie Dobrin seit 1918 lebte.

Zuvor gab es mehrere Umzüge: Ende der 1900er-Jahre hatten die Dobrins kurzzeitig in der Czarnikauer Straße 5 im Prenzlauer Berg gelebt (1909/1910), dann in der Stolpischen Straße 28 (heutige Paul-Robeson-Straße), in der Gipsstraße 12a in Mitte (1913–1915) und in der Krausnickstraße 7 (1916–1917). Die Kinder wurden in Volksschulen in Berlin unterrichtet. Von Cäcilies Bruder Willy ist bekannt, dass er seine Schulausbildung ab 1926 am oberstädtischen Realgymnasium in Berlin fortsetzte. Welche Ausbildungsstätten Cäcilie besuchte und welchen Berufsweg sie einschlug, geht aus den erhaltenen Quellen leider nicht hervor. Seit Mitte der 1920er-Jahre war Cäcilies Vater Inhaber einer Stahlwarenfabrik, deren Standort zunächst in der Ritterstraße 49 in Berlin-Kreuzberg lag. Ab 1929 wurde er Vertriebspartner für Solinger Stahlwaren mit einem Ladengeschäft in der Mathieustraße 1 (heute überbaut). 1932 zogen die Dobrins in eine Wohnung in der Dresdener Straße 15 in Kreuzberg. Außer dass Cäcilie Dobrin ledig blieb, haben sich leider keine weiteren Informationen über ihr Leben im Berlin der Weimarer Republik erhalten.

Mit der schrittweisen Entrechtung und Verfolgung von Juden seit 1933 – beziehungsweise aller Personen, die nach den Nürnberger Gesetzen im NS-Staat als Juden galten – begannen auch staatliche Zwangsmaßnahmen gegen Cäcilie Dobrin und ihre Angehörigen. Darunter fielen zahlreiche Maßnahmen der Diskriminierung und sozialen Ausgrenzung, des Entzugs staatsbürgerlicher Rechte sowie der Verdrängung aus dem Berufs- und Wirtschaftsleben. Nach den rassistischen Kriterien des NS-Staates galten Cäcilie und ihre Geschwister – als Nachkommen eines jüdischen Vaters und einer nichtjüdischen Mutter, und da sie der jüdischen Religionsgemeinschaft angehörten – als sogenannte „Geltungsjuden“. Gesetze und Sondererlasse machten sie zu Rechtlosen im eigenen Land. Seit 1933 war Cäcilies Vater auch als Geschäftsinhaber von den antisemitischen Kampagnen, Boykotten und Ausschreitungen betroffen, die ihren sichtbarsten Ausdruck in den Pogromen im Juni und November 1938 in Berlin erfuhren. Bereits 1937 war er gezwungen, sein Stahlwarengeschäft, das er in die Dresdener Straße verlegt hatte, aufzugeben.

Cäcilies Bruder Willy, der eine Lehre im Geschäft des Vaters absolviert hatte und anschließend als Handlungsgehilfe in den 1930er-Jahren bei verschiedenen Arbeitgebern tätig gewesen war, wurde 1939 zu Zwangsarbeit herangezogen. Er musste bei der Firma Wedel in Berlin-Schlachtensee schwere körperliche Arbeit verrichten. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass auch Cäcilie, ihr Vater und ihre Schwestern Ende der 1930er-Jahre zu Zwangsarbeit verpflichtet wurden, aber es haben sich keine eindeutigen Zeugnisse dazu erhalten. Cäcilies älterer Bruder, der Kaufmann Otto Hermann Dobrin, hatte 1936 die Verkäuferin Hedwig Suchland geheiratet und lebte mit ihr und ihrer im November 1936 geborenen Tochter Ellen in der Lothringer Straße 67 (heutige Torstraße). Spätestens Anfang der 1940er-Jahre war das Leben für alle Familienmitglieder zum Existenzkampf geworden. Um nur eine der vielen einschneidenden Maßnahmen zu nennen, konnten sie sich – mit Ausnahme von Cäcilies Mutter – mit der Polizeiverordnung vom 1. September 1941 „über die Kennzeichnung der Juden“ nur noch mit stigmatisierendem „Judenstern“ in der Öffentlichkeit bewegen.

Der Entrechtung folgten die Deportationen: Am 1. Oktober 1941 hatte die Gestapo die Jüdische Gemeinde Berlins informiert, dass die „Umsiedlung“ der Berliner Juden beginnen würde. Cäcilie Dobrin wurde im Frühjahr 1943 im Rahmen der „Fabrik-Aktion“, bei der die letzten offiziell in der Hauptstadt verbliebenen Juden deportiert werden sollten, in Berlin verhaftet und in eines der Berliner Sammellager verschleppt. Von dort wurde die 36-Jährige am 4. März 1943 mit dem „34. Osttransport“ in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert und dort – vermutlich unmittelbar nach ihrer Ankunft – ermordet.

Zwei Tage zuvor war ihr Bruder Otto Hermann Dobrin am 2. März 1943 mit seiner Ehefrau Hedwig und seiner sechsjährigen Tochter Ellen aus Berlin nach Auschwitz deportiert und dort ermordet worden. Im selben Transport befand sich Cäcilies Schwester Klara Eva mit ihrem Ehemann Harry Neufeld, den sie im April 1942 in Kreuzberg geheiratet hatte. Beide wurden in Auschwitz ermordet. Cäcilies Schwester Grete hatte 1940 den Kaufmann Siegfried Lehmann geheiratet. Vor ihrer anstehenden Deportation waren beide in die Illegalität geflüchtet. Nach zwei Jahren, in denen sie in Berlin versteckt der Gestapo entkommen waren, wurde Siegfried Lehmann im August 1944 am Bahnhof Ostkreuz verhaftet. Siegfried und Grete Lehmann wurden im September 1944 aus Berlin nach Auschwitz deportiert und beide als Häftlinge in das Lager selektiert. Siegfried wurde im November 1944 weiter in das Konzentrationslager Buchenwald verschleppt. Beide überlebten die Lagerhaft. Cäcilies Bruder Willy Wolf Dobrin war im April 1943 in das Ghetto Theresienstadt deportiert worden. In Theresienstadt und im KZ-Außenlager Wulkow musste er als Arbeitshäftling Schwerstarbeit verrichten („Vernichtung durch Arbeit“). Er überlebte, genauso wie sein Vater Hermann in Berlin. Alle noch lebenden Familienmitglieder – Hermann und Marie Dobrin, Willy Wolf Dobrin sowie Grete und Siegfried Lehmann – emigrierten 1946 in die USA.