Gertrud Krohn geb. Grünthal

Verlegeort
Duisburger Str. 19
Bezirk/Ortsteil
Wilmersdorf
Verlegedatum
20. Mai 2014
Geboren
13. September 1879 in Gnesen / Gniezno
Deportation
am 29. Oktober 1941 nach Łódź / Litzmannstadt
Später deportiert
1942 nach Chełmno / Kulmhof
Ermordet
24. Oktober 1942 in Chełmno / Kulmhof

Gertrud Krohn, geb. Grünthal, wurde am 13. September 1879 in der westpolnischen Stadt Gnesen (Gnieszno) geboren. Sie heiratete den Kaufmann Hermann Krohn, der seit Ende der 1890er Jahre in Crossen an der Oder ein Textilwarenhaus unter der Firma Cassirer & Co. betrieb. Es war das führende Geschäft am Platz. Im Juli 1900 kam die Tochter Hanna Elisabeth zur Welt, im Oktober 1901 der Sohn Hans Siegbert. <br />
<br />
Crossen, eine zunächst eher unbedeutende Kleinstadt, erhielt 1870 Anschluss an das preußische Eisenbahnnetz. Nach Ende des Ersten Weltkrieges entwickelte sich in Crossen die Metallindustrie und die Stadt erlebte einen wirtschaftlichen Aufschwung, von dem auch das Kaufhaus der Krohns profitierte. Hermann Krohn, der das Geschäft gemeinsam mit seinem Bruder Emil betrieb, starb 1923. Kurze Zeit später starb auch der Bruder und Mitinhaber, so dass die beiden hinterbliebenen Witwen sich das ererbte Unternehmen teilten und weiterführten. Das Geschäftshaus bestand aus zwei Häusern. Gertrud Krohn übernahm die Damenkonfektion, ihre Schwägerin betrieb das Herrenkonfektions-Geschäft. <br />
<br />
In der zweiten Hälfte der zwanziger Jahre hatte das Geschäft einen derartigen Aufschwung genommen, dass sie sich zu einem größeren Umbau und einer Modernisierung entschlossen. Das Unternehmen beschäftigte 25 Angestellte und sein jährlicher Umsatz betrug zwischen 400 000 und 500 000 Reichsmark – für eine Kleinstadt mit knapp zehntausend Einwohnern sehr viel. Gertrud Krohn wohnte in Crossen inzwischen in einer geräumigen Villa und war zu einer vermögenden Frau geworden. <br />
<br />
Ab 1934, als im Zuge anwachsender antisemitischer Stimmung viele Kunden begannen, das jüdische Geschäft zu meiden und der Umsatz ständig weiter zurückging, entschlossen sich die Inhaberinnen, das Kaufhaus und zu verkaufen, wie es damals hieß: „in arische Hände zu legen“. Gertrud Krohns Sohn Hans hatte zu dieser Zeit Deutschland bereits verlassen und begann im Oktober 1933 ein Medizinstudium in Genua. Seine Schwester Hanna zog 1934 nach Berlin, um von dort aus ihre Auswanderung vorzubereiten; 1936 folgte sie ihrem Bruder nach Italien, der inzwischen in Mailand als Arzt arbeitete. <br />
<br />
Der Verkauf des Warenhauses gestaltete sich, insbesondere wegen des Geschäftsrückgangs und des zunehmenden antisemitischen Drucks, recht problematisch. 1936 ging der Betrieb an einen Herrn Joachim von Stuckradt über. Das Geschäft selbst und die gesamte Einrichtung wurden an ihn verpachtet, die noch vorhandenen Warenbestände – unter Einräumung von Teilzahlung – an ihn verkauft. Der neue Inhaber war jedoch völlig unfähig, das Geschäft zu leiten. Auch nach Einräumung eines Zahlungsaufschubs konnte er seinen finanziellen Verpflichtungen nicht nachkommen und beging 1937 Selbstmord. Sein Bruder, ein hoher Funktionär der NSDAP, der ihm die Geschäftsübernahme finanziert hatte, erstattete daraufhin gegen Gertrud Krohn Anzeige wegen Betruges. Ihr wurde vorgeworfen, beim Verkauf des Warenlagers die Erzeugnisse und Stoffe vorsätzlich „hochgezeichnet“ und somit vom Käufer einen überhöhten Preis gefordert zu haben – eine typisch antisemitisch gefärbte Denkweise. <br />
<br />
Im Juni 1937 wurde Gertrud Krohn verhaftet und in Untersuchungshaft gestreckt, aus der sie erst nach zwei Monaten entlassen wurde. In der Hauptverhandlung vor dem Schöffengericht Guben im darauffolgenden Jahr wurde sie aber in allen Anklagepunkten freigesprochen und die Kosten des Verfahrens der Staatskasse auferlegt.<br />
<br />
Für das Kaufhaus in Crossen musste nochmals ein neuer Inhaber gesucht werden. Wie schon der erste Pächter kam auch der neue seinen Zahlungsverpflichtungen nicht oder nur teilweise nach. Um das ehedem wertvolle Warenlager und seine Bewertung entspann sich ein langjähriger, vor Gericht ausgetragener Streit.<br />
<br />
Gertrud Krohn war inzwischen von Crossen nach Berlin gezogen, in die Duisburger Straße 19, wo sie im III. Stock eine Viereinhalbzimmer-Wohnung gemietet hatte. Seit Ihrer Verhaftung besaß sie keinen Pass und konnte nicht mehr wie früher ihre Kinder Hans und Hanna in Italien besuchen, vor allem auch nicht ihren Enkelsohn Peter Michael, an dem sie besonders hing. Sie hatte gehofft, nach dem Freispruch ihren Pass zurückzuerhalten. Ohne Erfolg. Ihr wurde erklärt, dass bei ihr der Verdacht bestehe, auswandern zu wollen. <br />
<br />
1939, kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs, verließen Gertrud Krohns Kinder Italien und wanderten mit ihren Familien nach Montreal (Canada) aus. Ein letzter Versuch, der Mutter über Cuba eine Ausreise aus Deutschland zu ermöglichen, scheiterte. Gertrud Krohn erhielt nie wieder einen deutschen Pass.<br />
<br />
Am 22. Oktober 1941 wurde Gertrud Krohn in ihrer Wohnung darüber informiert, dass ihr gesamtes Vermögen eingezogen worden war. Fünf Tage später wurde sie nach Litzmannstadt/Lodz deportiert und im darauffolgenden Jahr, am 24. Oktober 1942, im Kulmhof /Chelmno ermordet. <br />
<br />
Das Grundstück in Crossen war auf das Reich übergegangen. Die ehemalige Eigentümerin, Gertrud Krohn, galt als nach Litzmannstadt „abgeschoben“ und verstorben, die beiden Kinder Hans und Hanna wurden als ausgebürgert geführt. Im November 1944 erteilte die Vermögenswertungsstelle die Vollmacht, das Grundstück an den ehemaligen Mieter und zweiten Pächter zu veräußern und die Umschreibung im Grundbuch vorzunehmen. Im Frühjahr 1945 kam es beim Einmarsch der sowjetischen Truppen zu heftigen Kämpfen in und um Crossen. 499 Häuser und damit 65 Prozent der Bausubstanz der Stadt wurden zerstört. Die deutschen Gebiete rechts der Oder und der Lausitzer Neiße wurden im selben Jahr unter polnische Verwaltung gestellt und die Bevölkerung vertrieben. Ein Jahr später hatten 2000 Polen den in „Krosno Odrzańskie“ umbenannten Ort besiedelt. Ab 1955 erfolgte ein langsamer Aufbau der Stadt.

Gertrud Krohn, geb. Grünthal, wurde am 13. September 1879 in der westpolnischen Stadt Gnesen (Gnieszno) geboren. Sie heiratete den Kaufmann Hermann Krohn, der seit Ende der 1890er Jahre in Crossen an der Oder ein Textilwarenhaus unter der Firma Cassirer & Co. betrieb. Es war das führende Geschäft am Platz. Im Juli 1900 kam die Tochter Hanna Elisabeth zur Welt, im Oktober 1901 der Sohn Hans Siegbert.

Crossen, eine zunächst eher unbedeutende Kleinstadt, erhielt 1870 Anschluss an das preußische Eisenbahnnetz. Nach Ende des Ersten Weltkrieges entwickelte sich in Crossen die Metallindustrie und die Stadt erlebte einen wirtschaftlichen Aufschwung, von dem auch das Kaufhaus der Krohns profitierte. Hermann Krohn, der das Geschäft gemeinsam mit seinem Bruder Emil betrieb, starb 1923. Kurze Zeit später starb auch der Bruder und Mitinhaber, so dass die beiden hinterbliebenen Witwen sich das ererbte Unternehmen teilten und weiterführten. Das Geschäftshaus bestand aus zwei Häusern. Gertrud Krohn übernahm die Damenkonfektion, ihre Schwägerin betrieb das Herrenkonfektions-Geschäft.

In der zweiten Hälfte der zwanziger Jahre hatte das Geschäft einen derartigen Aufschwung genommen, dass sie sich zu einem größeren Umbau und einer Modernisierung entschlossen. Das Unternehmen beschäftigte 25 Angestellte und sein jährlicher Umsatz betrug zwischen 400 000 und 500 000 Reichsmark – für eine Kleinstadt mit knapp zehntausend Einwohnern sehr viel. Gertrud Krohn wohnte in Crossen inzwischen in einer geräumigen Villa und war zu einer vermögenden Frau geworden.

Ab 1934, als im Zuge anwachsender antisemitischer Stimmung viele Kunden begannen, das jüdische Geschäft zu meiden und der Umsatz ständig weiter zurückging, entschlossen sich die Inhaberinnen, das Kaufhaus und zu verkaufen, wie es damals hieß: „in arische Hände zu legen“. Gertrud Krohns Sohn Hans hatte zu dieser Zeit Deutschland bereits verlassen und begann im Oktober 1933 ein Medizinstudium in Genua. Seine Schwester Hanna zog 1934 nach Berlin, um von dort aus ihre Auswanderung vorzubereiten; 1936 folgte sie ihrem Bruder nach Italien, der inzwischen in Mailand als Arzt arbeitete.

Der Verkauf des Warenhauses gestaltete sich, insbesondere wegen des Geschäftsrückgangs und des zunehmenden antisemitischen Drucks, recht problematisch. 1936 ging der Betrieb an einen Herrn Joachim von Stuckradt über. Das Geschäft selbst und die gesamte Einrichtung wurden an ihn verpachtet, die noch vorhandenen Warenbestände – unter Einräumung von Teilzahlung – an ihn verkauft. Der neue Inhaber war jedoch völlig unfähig, das Geschäft zu leiten. Auch nach Einräumung eines Zahlungsaufschubs konnte er seinen finanziellen Verpflichtungen nicht nachkommen und beging 1937 Selbstmord. Sein Bruder, ein hoher Funktionär der NSDAP, der ihm die Geschäftsübernahme finanziert hatte, erstattete daraufhin gegen Gertrud Krohn Anzeige wegen Betruges. Ihr wurde vorgeworfen, beim Verkauf des Warenlagers die Erzeugnisse und Stoffe vorsätzlich „hochgezeichnet“ und somit vom Käufer einen überhöhten Preis gefordert zu haben – eine typisch antisemitisch gefärbte Denkweise.

Im Juni 1937 wurde Gertrud Krohn verhaftet und in Untersuchungshaft gestreckt, aus der sie erst nach zwei Monaten entlassen wurde. In der Hauptverhandlung vor dem Schöffengericht Guben im darauffolgenden Jahr wurde sie aber in allen Anklagepunkten freigesprochen und die Kosten des Verfahrens der Staatskasse auferlegt.

Für das Kaufhaus in Crossen musste nochmals ein neuer Inhaber gesucht werden. Wie schon der erste Pächter kam auch der neue seinen Zahlungsverpflichtungen nicht oder nur teilweise nach. Um das ehedem wertvolle Warenlager und seine Bewertung entspann sich ein langjähriger, vor Gericht ausgetragener Streit.

Gertrud Krohn war inzwischen von Crossen nach Berlin gezogen, in die Duisburger Straße 19, wo sie im III. Stock eine Viereinhalbzimmer-Wohnung gemietet hatte. Seit Ihrer Verhaftung besaß sie keinen Pass und konnte nicht mehr wie früher ihre Kinder Hans und Hanna in Italien besuchen, vor allem auch nicht ihren Enkelsohn Peter Michael, an dem sie besonders hing. Sie hatte gehofft, nach dem Freispruch ihren Pass zurückzuerhalten. Ohne Erfolg. Ihr wurde erklärt, dass bei ihr der Verdacht bestehe, auswandern zu wollen.

1939, kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs, verließen Gertrud Krohns Kinder Italien und wanderten mit ihren Familien nach Montreal (Canada) aus. Ein letzter Versuch, der Mutter über Cuba eine Ausreise aus Deutschland zu ermöglichen, scheiterte. Gertrud Krohn erhielt nie wieder einen deutschen Pass.

Am 22. Oktober 1941 wurde Gertrud Krohn in ihrer Wohnung darüber informiert, dass ihr gesamtes Vermögen eingezogen worden war. Fünf Tage später wurde sie nach Litzmannstadt/Lodz deportiert und im darauffolgenden Jahr, am 24. Oktober 1942, im Kulmhof /Chelmno ermordet.

Das Grundstück in Crossen war auf das Reich übergegangen. Die ehemalige Eigentümerin, Gertrud Krohn, galt als nach Litzmannstadt „abgeschoben“ und verstorben, die beiden Kinder Hans und Hanna wurden als ausgebürgert geführt. Im November 1944 erteilte die Vermögenswertungsstelle die Vollmacht, das Grundstück an den ehemaligen Mieter und zweiten Pächter zu veräußern und die Umschreibung im Grundbuch vorzunehmen. Im Frühjahr 1945 kam es beim Einmarsch der sowjetischen Truppen zu heftigen Kämpfen in und um Crossen. 499 Häuser und damit 65 Prozent der Bausubstanz der Stadt wurden zerstört. Die deutschen Gebiete rechts der Oder und der Lausitzer Neiße wurden im selben Jahr unter polnische Verwaltung gestellt und die Bevölkerung vertrieben. Ein Jahr später hatten 2000 Polen den in „Krosno Odrzańskie“ umbenannten Ort besiedelt. Ab 1955 erfolgte ein langsamer Aufbau der Stadt.