Dr. Fritz Jacob Heine

Verlegeort
Eichenallee 3
Bezirk/Ortsteil
Charlottenburg
Verlegedatum
24. Juli 2012
Geboren
10. November 1884 in Berlin
Beruf
Arzt
Deportation
am 24. Oktober 1941 nach Łódź / Litzmannstadt
Ermordet
03. Juli 1944 in Chełmno / Kulmhof

Fritz Jacob Heine wurde am 10. November 1884 in Berlin geboren als Sohn des Kaufmanns Hermann Heine und dessen Ehefrau Marie, geb. Baender. Er wurde evangelisch getauft. Wann wer von seinen jüdischen Vorfahren zum Christentum konvertierte, ist unbekannt. Fritz Heine besuchte das Köllnische Gymnasium zu Berlin und erlangte dort sein Zeugnis der Reife. Anschließend studierte er Medizin in Berlin, mit Ausnahme des zweiten Semesters, das er in München absolvierte. „Meine Studien wurden unterbrochen durch den halbjährigen Dienst mit der Waffe, den ich von Oktober 1907 bis zum April 1908 beim 2. Garde-Ulanen-Regiment ableistete“, schrieb er 1912 in einem Lebenslauf, seine Verwundung erwähnte er nicht. Anfang 1910 bestand er die ärztliche Staatsprüfung in Berlin, wurde am 25. März 1911 approbiert und arbeitete ab 15. November 1911 als Volontärassistent am Pathologischen Institut der Universität Berlin. 1912 promovierte er mit seiner Dissertation „Anatomische Befunde bei Schädelschüssen“. <br />
<br />
Wann er sich als selbständiger Chirurg niederließ, ist nicht bekannt, er soll eine „gut gehende“ Praxis gehabt haben. Ab 1914 wohnte er in einem repräsentativen Mietshaus in der Reichsstraße 104 in Berlin-Charlottenburg, möglicherweise hatte er hier auch seine Praxis. Dr. med. Fritz Heine heiratete in eine weltweit handelnde Unternehmerfamilie ein. Seine Ehefrau Johanna (Hanna) wurde am 9. April 1895 in Hamburg geboren als Tochter des Fabrikbesitzers Dr. Ing. E. h. Henry Pels (geboren am 6. Juni 1865 in Hamburg), Sohn eines jüdischen Kaufmanns aus Hamburg, und seiner Ehefrau Alice, geb. Wiener. <br />
<br />
Henry Pels hatte 1892 in Hamburg die Firma „Henry Pels & Co.“ für den Handel mit Werkzeugmaschinen gegründet, die er 1894 nach Berlin verlegte. 1902 gründete er die „Berlin-Erfurter Maschinenfabrik Henry Pels & Co.“ (BEM), mit Hauptsitz in Berlin. 1926/1927 wandelte er seine Firma in eine Aktiengesellschaft um. Das Grundkapital betrug 3,5 Millionen Reichsmark. Er selbst war Generaldirektor.<br />
<br />
Als Henry Pels am 1. April 1931 starb, übernahm seine Frau Alice die Fabrik. Nur wenige Monate später, im November 1931, starb auch sie. Da ihr gemeinsamer Sohn Rudolf 1917 als Offizier im Ersten Weltkrieg gefallen war, wurde ihre Tochter Johanna zur Alleinerbin. Stellvertretend für Johanna, die bis 1936 Mehrheitsaktionärin war, trat Fritz Heine in den Aufsichtsrat der Fabrik ein und vertrat dort das Aktienkapital der Gründerfamilie Pels. Gleichzeitig führte er seine Arztpraxis weiter, so dass er in das operative Geschäft kaum eingriff, schreibt Joachim Scholtyseck in seinem Buch „Der Aufstieg der Quandts. Eine Deutsche Unternehmerdynastie“. <br />
<br />
Obwohl die BEM schon 1933 ins Visier der Nazis geraten war, konnte Fritz Heine noch bis 1936 seine Tätigkeit als Aufsichtsratsmitglied ausüben, möglicherweise weil er Kriegsteilnehmer und die Fabrik schon zu diesem frühen Zeitpunkt weitestgehend „arisiert“ war. Bei der Hauptversammlung im Mai 1937 tauchte sein Name das letzte Mal auf. Die BEM wurde in Erfurt in die „Deutsche Waffen- und Munitionsfabriken AG“ (DWM) der Quandt-Gruppe integriert, offiziell hieß das „angegliedert“. Scholtysek weist darauf hin, dass es Günther Quandt bei der Einverleibung der BEM in die DWM wie auch in vergleichbaren Fällen „in erster Linie um die Erweiterung der Firmenstruktur innerhalb der erschlossenen Branchen ging“. Zu solchen Zwecken waren einige Unternehmer bereit, „sich in die Herrschaftspraxis des NS-Staates zu verstricken, um ihren eigenen ökonomischen Nutzen zu mehren“. Sie kauften jüdische Unternehmen meist weit unter deren Wert.<br />
<br />
1932 oder Anfang 1933 zog die Familie Heine von der Reichsstraße 104 in die nahe gelegene elterliche Villa von Johanna in der Eichenallee 3. Henry und Alice Pels hatten sie 1919 erworben und bis zu ihrem Tod dort gelebt. <br />
<br />
1935 bis 1938 taucht in den Berliner Adressbüchern zusätzlich zur Eichenallee 3 die Adresse Anklamer Straße 39 in Berlin-Mitte auf, ein Wohnhaus, das dem jüdischen Apotheker J. Semmel gehörte, der im selben Haus (und im Nachbarhaus Nr. 40) die „Zions-Apotheke und Drogerie J. Semmel“ hatte. Es ist zu vermuten, dass Fritz Heine jetzt hier seine Praxis hatte, bis ihm die Nazis am 30. September 1938 seine Approbation entzogen, gemäß der neuen Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 25. Juli 1938 zur „Bestallungsentziehung der jüdischen Ärzte“.<br />
<br />
Fritz und Johanna hatten zwei Kinder, die, ebenso wie sie selbst, evangelisch getauft wurden. Ihr Sohn Hans-Joachim (geboren 1915) absolvierte ein Ingenieurstudium, 1936 emigrierte er in die USA. Ihre Tochter Anne (geboren 1918) konnte – wie viele andere – über das Büro des Pfarrers Heinrich Grüber von der Bekennenden Kirche 1939 nach England geschleust und so vor dem Tod gerettet werden.<br />
<br />
Auch Johanna „hatte erkennen lassen, dass sie das nationalsozialistische Deutschland verlassen wollte“. Und doch entschloss sich das Ehepaar Heine, in Deutschland zu bleiben. „Sie fühlten sich als Deutsche und vertrauten darauf, dass der ‚nationalsozialistische Spuk bald vorübergehen‘ werde“, schreibt Scholtyseck.<br />
<br />
Als ihre letzte Wohnadresse ist die Augsburger Straße 46 in Charlottenburg angegeben. Vermutlich handelte es sich um einen Zwangsumzug in dieses Mietshaus. In den Berliner Adressbüchern steht die Eichenallee 3 als Wohnadresse bis 1943, lange nachdem Fritz und Johanna deportiert worden waren. Die Villa wurde im Krieg zerstört, das heutige Wohnhaus wurde nach Auskunft einer Bewohnerin 1989 erbaut. <br />
<br />
Als „nichtarische“ Christen hatte die Familie Heine ebensolche Qualen zu erleiden wie die jüdischen Bürger. Am 24. Oktober 1941 wurden sie von Berlin ins Ghetto Lodz/Litzmannstadt deportiert, wo sie in der Sulzfelderstraße Nr. 10/13 untergebracht wurden. Johanna wurde dort wenig später, im November 1941, ermordet, während Fritz Heine noch bis Anfang Juli 1944 als Lagerarzt tätig sein musste.<br />
<br />
In der Chronik des Ghettos Lodz/Litzmannstadt ist im „Tagesbericht von Montag, den 3. Juli 1944“ notiert: „Zur Arbeit ausserhalb des Gettos: Heute in den frühen Morgenstunden ging der V. Transport mit 700 Personen von Bahnhof Radegast ab. Als Arzt ging Dr. Fritz Heine / Berlin / mit.“ Fritz Heine kehrte von diesem „Arbeitseinsatz“ nicht mehr zurück, denn der V. Transport brachte ihn ins Vernichtungslager in Kulmhof/Chelmno.

Fritz Jacob Heine wurde am 10. November 1884 in Berlin geboren als Sohn des Kaufmanns Hermann Heine und dessen Ehefrau Marie, geb. Baender. Er wurde evangelisch getauft. Wann wer von seinen jüdischen Vorfahren zum Christentum konvertierte, ist unbekannt. Fritz Heine besuchte das Köllnische Gymnasium zu Berlin und erlangte dort sein Zeugnis der Reife. Anschließend studierte er Medizin in Berlin, mit Ausnahme des zweiten Semesters, das er in München absolvierte. „Meine Studien wurden unterbrochen durch den halbjährigen Dienst mit der Waffe, den ich von Oktober 1907 bis zum April 1908 beim 2. Garde-Ulanen-Regiment ableistete“, schrieb er 1912 in einem Lebenslauf, seine Verwundung erwähnte er nicht. Anfang 1910 bestand er die ärztliche Staatsprüfung in Berlin, wurde am 25. März 1911 approbiert und arbeitete ab 15. November 1911 als Volontärassistent am Pathologischen Institut der Universität Berlin. 1912 promovierte er mit seiner Dissertation „Anatomische Befunde bei Schädelschüssen“.

Wann er sich als selbständiger Chirurg niederließ, ist nicht bekannt, er soll eine „gut gehende“ Praxis gehabt haben. Ab 1914 wohnte er in einem repräsentativen Mietshaus in der Reichsstraße 104 in Berlin-Charlottenburg, möglicherweise hatte er hier auch seine Praxis. Dr. med. Fritz Heine heiratete in eine weltweit handelnde Unternehmerfamilie ein. Seine Ehefrau Johanna (Hanna) wurde am 9. April 1895 in Hamburg geboren als Tochter des Fabrikbesitzers Dr. Ing. E. h. Henry Pels (geboren am 6. Juni 1865 in Hamburg), Sohn eines jüdischen Kaufmanns aus Hamburg, und seiner Ehefrau Alice, geb. Wiener.

Henry Pels hatte 1892 in Hamburg die Firma „Henry Pels & Co.“ für den Handel mit Werkzeugmaschinen gegründet, die er 1894 nach Berlin verlegte. 1902 gründete er die „Berlin-Erfurter Maschinenfabrik Henry Pels & Co.“ (BEM), mit Hauptsitz in Berlin. 1926/1927 wandelte er seine Firma in eine Aktiengesellschaft um. Das Grundkapital betrug 3,5 Millionen Reichsmark. Er selbst war Generaldirektor.

Als Henry Pels am 1. April 1931 starb, übernahm seine Frau Alice die Fabrik. Nur wenige Monate später, im November 1931, starb auch sie. Da ihr gemeinsamer Sohn Rudolf 1917 als Offizier im Ersten Weltkrieg gefallen war, wurde ihre Tochter Johanna zur Alleinerbin. Stellvertretend für Johanna, die bis 1936 Mehrheitsaktionärin war, trat Fritz Heine in den Aufsichtsrat der Fabrik ein und vertrat dort das Aktienkapital der Gründerfamilie Pels. Gleichzeitig führte er seine Arztpraxis weiter, so dass er in das operative Geschäft kaum eingriff, schreibt Joachim Scholtyseck in seinem Buch „Der Aufstieg der Quandts. Eine Deutsche Unternehmerdynastie“.

Obwohl die BEM schon 1933 ins Visier der Nazis geraten war, konnte Fritz Heine noch bis 1936 seine Tätigkeit als Aufsichtsratsmitglied ausüben, möglicherweise weil er Kriegsteilnehmer und die Fabrik schon zu diesem frühen Zeitpunkt weitestgehend „arisiert“ war. Bei der Hauptversammlung im Mai 1937 tauchte sein Name das letzte Mal auf. Die BEM wurde in Erfurt in die „Deutsche Waffen- und Munitionsfabriken AG“ (DWM) der Quandt-Gruppe integriert, offiziell hieß das „angegliedert“. Scholtysek weist darauf hin, dass es Günther Quandt bei der Einverleibung der BEM in die DWM wie auch in vergleichbaren Fällen „in erster Linie um die Erweiterung der Firmenstruktur innerhalb der erschlossenen Branchen ging“. Zu solchen Zwecken waren einige Unternehmer bereit, „sich in die Herrschaftspraxis des NS-Staates zu verstricken, um ihren eigenen ökonomischen Nutzen zu mehren“. Sie kauften jüdische Unternehmen meist weit unter deren Wert.

1932 oder Anfang 1933 zog die Familie Heine von der Reichsstraße 104 in die nahe gelegene elterliche Villa von Johanna in der Eichenallee 3. Henry und Alice Pels hatten sie 1919 erworben und bis zu ihrem Tod dort gelebt.

1935 bis 1938 taucht in den Berliner Adressbüchern zusätzlich zur Eichenallee 3 die Adresse Anklamer Straße 39 in Berlin-Mitte auf, ein Wohnhaus, das dem jüdischen Apotheker J. Semmel gehörte, der im selben Haus (und im Nachbarhaus Nr. 40) die „Zions-Apotheke und Drogerie J. Semmel“ hatte. Es ist zu vermuten, dass Fritz Heine jetzt hier seine Praxis hatte, bis ihm die Nazis am 30. September 1938 seine Approbation entzogen, gemäß der neuen Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 25. Juli 1938 zur „Bestallungsentziehung der jüdischen Ärzte“.

Fritz und Johanna hatten zwei Kinder, die, ebenso wie sie selbst, evangelisch getauft wurden. Ihr Sohn Hans-Joachim (geboren 1915) absolvierte ein Ingenieurstudium, 1936 emigrierte er in die USA. Ihre Tochter Anne (geboren 1918) konnte – wie viele andere – über das Büro des Pfarrers Heinrich Grüber von der Bekennenden Kirche 1939 nach England geschleust und so vor dem Tod gerettet werden.

Auch Johanna „hatte erkennen lassen, dass sie das nationalsozialistische Deutschland verlassen wollte“. Und doch entschloss sich das Ehepaar Heine, in Deutschland zu bleiben. „Sie fühlten sich als Deutsche und vertrauten darauf, dass der ‚nationalsozialistische Spuk bald vorübergehen‘ werde“, schreibt Scholtyseck.

Als ihre letzte Wohnadresse ist die Augsburger Straße 46 in Charlottenburg angegeben. Vermutlich handelte es sich um einen Zwangsumzug in dieses Mietshaus. In den Berliner Adressbüchern steht die Eichenallee 3 als Wohnadresse bis 1943, lange nachdem Fritz und Johanna deportiert worden waren. Die Villa wurde im Krieg zerstört, das heutige Wohnhaus wurde nach Auskunft einer Bewohnerin 1989 erbaut.

Als „nichtarische“ Christen hatte die Familie Heine ebensolche Qualen zu erleiden wie die jüdischen Bürger. Am 24. Oktober 1941 wurden sie von Berlin ins Ghetto Lodz/Litzmannstadt deportiert, wo sie in der Sulzfelderstraße Nr. 10/13 untergebracht wurden. Johanna wurde dort wenig später, im November 1941, ermordet, während Fritz Heine noch bis Anfang Juli 1944 als Lagerarzt tätig sein musste.

In der Chronik des Ghettos Lodz/Litzmannstadt ist im „Tagesbericht von Montag, den 3. Juli 1944“ notiert: „Zur Arbeit ausserhalb des Gettos: Heute in den frühen Morgenstunden ging der V. Transport mit 700 Personen von Bahnhof Radegast ab. Als Arzt ging Dr. Fritz Heine / Berlin / mit.“ Fritz Heine kehrte von diesem „Arbeitseinsatz“ nicht mehr zurück, denn der V. Transport brachte ihn ins Vernichtungslager in Kulmhof/Chelmno.