Leopold Reis

Verlegeort
Freisinger Str. 6
Bezirk/Ortsteil
Schöneberg
Verlegedatum
14. September 2009
Geboren
21. Juli 1903 in Freudenberg (Baden)
Beruf
Kaufmann
Deportation
am 19. Oktober 1942 nach Riga
Ermordet
22. Oktober 1942 in Riga

Leopold Reis wurde am 21. Juli 1903 in Freudenberg am Main (Amtsbezirk Wertheim/Tauberbischofsheim) als drittes Kind des Mendel Reis und seiner Ehefrau Babette, geborene Sommer, geboren. 1901 und 1902 waren die Geschwister Jeanette und Isak zur Welt gekommen. In Freudenberg gab es nur wenige Juden: 1924 waren von 1.399 Einwohnern 18 jüdischer Religion, 1933 nur noch 15. Der ältere Bruder von Leopold Reis, Isak Reis, war um 1924 einer der beiden Gemeindevorsteher. Die Familie besaß ein eigenes Haus und ein Auto, das letztere war damals keineswegs selbstver-ständlich. Das Auto wurde zum Vertrieb der Waren benötigt . Die Söhne Isak und Leopold waren Mitglieder des Freudenberger Sportvereins. Die Familie wurde als hilfsbereit und freundlich beschrieben.<br />
<br />
Leopold Reis wurde Kaufmann, er handelte mit Textilien und ging für einige Jahre in die Großstadt Frankfurt/Main. In die Heimatstadt zurückgekehrt, führte er gemeinsam mit seinem Bruder Isak und mit dem Vater in Freudenberg ein Textilgeschäft weiter.<br />
<br />
Mitte 1938 starb Mendel Reis. Das Haus musste im Februar 1939 an die Gemeinde verkauft werden. Isak Reis wurde nach der Reichspogromnacht für einige Wochen im KZ Dachau interniert. Nach seiner Rückkehr unternahm die Familie entschiedene Anstrengungen zur Flucht. Im Januar 1939 beantragte sie beim Bezirksamt Tauberbischofsheim vier Reisepässe zur Auswanderung nach Paraguay: zumindest für Babette und die Tochter Jeanette Reis wurden diese auch ausgestellt, und zwar „zur Erlangung eines Einreisevisums nach Bolivien“. Im September 1939 verabschiedeten sich Babette Reis und ihre drei Kinder von Nachbarn und meldeten sich angeblich nach Köln ab. Freilich war die Familie schon im Oktober 1939 in Berlin. Vielleicht erhofften sie sich dort schnelleren Zugang zu Behörden. Die Reisepässe von Babette und Jeanette lagen seit Mitte 1939 in Paris zur Erlangung eines Durchreisevisums nach Chile. Ob die Visa für Chile oder Bolivien je erteilt wurden und eine Schiffspassage nur an Finanzierungsmöglichkeiten scheiterte, konnte nicht ermittelt werden. Die deutsche Hauptstadt wurde jedenfalls für alle zum Wartesaal des Todes.<br />
<br />
Leopold Reis wohnte 1941 wie sein Bruder Isak An der Spandauer Brücke 15 in Berlin-Mitte und musste Zwangsarbeit bei den Norddeutschen Kabelwerken in Neukölln leisten .<br />
<br />
Leopold Reis lernte Diethild Gerechter kennen und heiratete sie am 17. Dezember 1941 auf dem Standesamt Schöneberg, am 21. Dezember 1941 fand die Trauung in der Synagoge Münchener Straße 37 statt. Trauzeugen waren sein Bruder Isak Reis und Bernhard Wohlgemuth. Bernhard Wohlgemuth war ein Freund der Familie Gerechter. Sein Name taucht in den Briefen auf, die Diethild an ihren Bruder in den USA schrieb.<br />
<br />
Das Ehepaar bewohnte ein möbliertes Zimmer in der Vierzimmer-Wohnung der Mutter und Großmutter von Diethild Gerechter in der Freisinger Straße 6. Die Schwägerin Lisbeth war Anfang 1939 ihrem Mann nach Tarnow in Polen gefolgt und Paula, die jüngere Schwägerin, war vermutlich Mitte des Jahres 1939 ausgezogen. Paula wurde in Auschwitz ermordet, über das Schicksal der Schwägerin Lisbeth nach dem 28. November 1941 und ihrem Aufenthalt im Gestapogefängnis Tarnow konnte nichts mehr herausgefunden werden.<br />
<br />
Der Schwager Leopold, der jüngste Bruder von Diethild, konnte 1939 emigrieren.<br />
<br />
Leopold Reis und seine Ehefrau Diethild Reis wurden am Montag, den 19. Oktober 1942 – 16 Tage nach der Deportation von Schwiegermutter/Mutter und Großmutter – mit dem 21. Transport nach Riga deportiert.<br />
<br />
Der Transport vom 19. Oktober 1942 verließ mit 959 Menschen den Güterbahnhof Putlitzstraße in Moabit. Drei Tage später erreichte er den Bahnhof Skirotava in der Nähe von Riga. Bei der Selektion nach der Ankunft des Zuges wurden 81 Männer ausgesucht und noch am Bahnhof zum Entladen von Kohlenwaggons gezwungen. Alle anderen Insassen des Transports wurden sofort in die umliegenden Wälder gebracht und dort erschossen.<br />
<br />
Auch Diethild Reis wurde am 22. Oktober 1942, dem Tag der Ankunft, sofort ermordet. Ob Leopold Reis ebenfalls sofort getötet wurde oder später starb, ist unbekannt. In dem Gedenkbuch Riga ist kein Todesdatum eingetragen.<br />
<br />
Auch die übrigen Angehörigen von Leopold Reis wurden ermordet: die Mutter Babette Reis, 1873 in Freudenberg geboren, wurde am 26. September 1942 von Theresienstadt nach Treblinka deportiert. Seine ältere Schwester Jeanette,1901 in Freudenberg geboren, heiratete am 17. Oktober 1942 in Berlin den 1901 geborenen Ernst Mayer, der ebenfalls in der Freisinger Straße - im Nebenhaus Nummer 7 - wohnte. Jeanette und Ernst Mayer wurden am 3. Februar 1943 in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert und dort ermordet. Der Bruder Isak, 1902 in Freudenberg geboren, wurde mit demselben Transport deportiert. Er erhielt die Häftlingsnummer 100049, d.h. er wurde zur Zwangsarbeit in das Lager eingewiesen. Im März 1943 wurde Isak Reis in das Lagerkrankenhaus, Chirurgie, eingeliefert, danach verliert sich seine Spur.

Leopold Reis wurde am 21. Juli 1903 in Freudenberg am Main (Amtsbezirk Wertheim/Tauberbischofsheim) als drittes Kind des Mendel Reis und seiner Ehefrau Babette, geborene Sommer, geboren. 1901 und 1902 waren die Geschwister Jeanette und Isak zur Welt gekommen. In Freudenberg gab es nur wenige Juden: 1924 waren von 1.399 Einwohnern 18 jüdischer Religion, 1933 nur noch 15. Der ältere Bruder von Leopold Reis, Isak Reis, war um 1924 einer der beiden Gemeindevorsteher. Die Familie besaß ein eigenes Haus und ein Auto, das letztere war damals keineswegs selbstver-ständlich. Das Auto wurde zum Vertrieb der Waren benötigt . Die Söhne Isak und Leopold waren Mitglieder des Freudenberger Sportvereins. Die Familie wurde als hilfsbereit und freundlich beschrieben.

Leopold Reis wurde Kaufmann, er handelte mit Textilien und ging für einige Jahre in die Großstadt Frankfurt/Main. In die Heimatstadt zurückgekehrt, führte er gemeinsam mit seinem Bruder Isak und mit dem Vater in Freudenberg ein Textilgeschäft weiter.

Mitte 1938 starb Mendel Reis. Das Haus musste im Februar 1939 an die Gemeinde verkauft werden. Isak Reis wurde nach der Reichspogromnacht für einige Wochen im KZ Dachau interniert. Nach seiner Rückkehr unternahm die Familie entschiedene Anstrengungen zur Flucht. Im Januar 1939 beantragte sie beim Bezirksamt Tauberbischofsheim vier Reisepässe zur Auswanderung nach Paraguay: zumindest für Babette und die Tochter Jeanette Reis wurden diese auch ausgestellt, und zwar „zur Erlangung eines Einreisevisums nach Bolivien“. Im September 1939 verabschiedeten sich Babette Reis und ihre drei Kinder von Nachbarn und meldeten sich angeblich nach Köln ab. Freilich war die Familie schon im Oktober 1939 in Berlin. Vielleicht erhofften sie sich dort schnelleren Zugang zu Behörden. Die Reisepässe von Babette und Jeanette lagen seit Mitte 1939 in Paris zur Erlangung eines Durchreisevisums nach Chile. Ob die Visa für Chile oder Bolivien je erteilt wurden und eine Schiffspassage nur an Finanzierungsmöglichkeiten scheiterte, konnte nicht ermittelt werden. Die deutsche Hauptstadt wurde jedenfalls für alle zum Wartesaal des Todes.

Leopold Reis wohnte 1941 wie sein Bruder Isak An der Spandauer Brücke 15 in Berlin-Mitte und musste Zwangsarbeit bei den Norddeutschen Kabelwerken in Neukölln leisten .

Leopold Reis lernte Diethild Gerechter kennen und heiratete sie am 17. Dezember 1941 auf dem Standesamt Schöneberg, am 21. Dezember 1941 fand die Trauung in der Synagoge Münchener Straße 37 statt. Trauzeugen waren sein Bruder Isak Reis und Bernhard Wohlgemuth. Bernhard Wohlgemuth war ein Freund der Familie Gerechter. Sein Name taucht in den Briefen auf, die Diethild an ihren Bruder in den USA schrieb.

Das Ehepaar bewohnte ein möbliertes Zimmer in der Vierzimmer-Wohnung der Mutter und Großmutter von Diethild Gerechter in der Freisinger Straße 6. Die Schwägerin Lisbeth war Anfang 1939 ihrem Mann nach Tarnow in Polen gefolgt und Paula, die jüngere Schwägerin, war vermutlich Mitte des Jahres 1939 ausgezogen. Paula wurde in Auschwitz ermordet, über das Schicksal der Schwägerin Lisbeth nach dem 28. November 1941 und ihrem Aufenthalt im Gestapogefängnis Tarnow konnte nichts mehr herausgefunden werden.

Der Schwager Leopold, der jüngste Bruder von Diethild, konnte 1939 emigrieren.

Leopold Reis und seine Ehefrau Diethild Reis wurden am Montag, den 19. Oktober 1942 – 16 Tage nach der Deportation von Schwiegermutter/Mutter und Großmutter – mit dem 21. Transport nach Riga deportiert.

Der Transport vom 19. Oktober 1942 verließ mit 959 Menschen den Güterbahnhof Putlitzstraße in Moabit. Drei Tage später erreichte er den Bahnhof Skirotava in der Nähe von Riga. Bei der Selektion nach der Ankunft des Zuges wurden 81 Männer ausgesucht und noch am Bahnhof zum Entladen von Kohlenwaggons gezwungen. Alle anderen Insassen des Transports wurden sofort in die umliegenden Wälder gebracht und dort erschossen.

Auch Diethild Reis wurde am 22. Oktober 1942, dem Tag der Ankunft, sofort ermordet. Ob Leopold Reis ebenfalls sofort getötet wurde oder später starb, ist unbekannt. In dem Gedenkbuch Riga ist kein Todesdatum eingetragen.

Auch die übrigen Angehörigen von Leopold Reis wurden ermordet: die Mutter Babette Reis, 1873 in Freudenberg geboren, wurde am 26. September 1942 von Theresienstadt nach Treblinka deportiert. Seine ältere Schwester Jeanette,1901 in Freudenberg geboren, heiratete am 17. Oktober 1942 in Berlin den 1901 geborenen Ernst Mayer, der ebenfalls in der Freisinger Straße - im Nebenhaus Nummer 7 - wohnte. Jeanette und Ernst Mayer wurden am 3. Februar 1943 in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert und dort ermordet. Der Bruder Isak, 1902 in Freudenberg geboren, wurde mit demselben Transport deportiert. Er erhielt die Häftlingsnummer 100049, d.h. er wurde zur Zwangsarbeit in das Lager eingewiesen. Im März 1943 wurde Isak Reis in das Lagerkrankenhaus, Chirurgie, eingeliefert, danach verliert sich seine Spur.