Kurt Müller-Croon

Verlegeort
Friedrichstr. 11
Bezirk/Ortsteil
Kreuzberg
Geboren
28. Februar 1895 in Aachen
Beruf
Kaufmann
Tot
17. März 1944 im Polizeigefängnis Berlin-Alexanderplatz

Kurt Heinrich Julius Müller-Croon wurde am 28. Februar 1895 in Aachen als Sohn des Tuchfabrikanten Eugen Friedrich Eduard Carl Müller und dessen Ehefrau Emma Bertha Metha Croon geboren. Er hatte zwei Geschwister, den 1892 geborenen Erwin und die 1899 geborene Marta. Sein älterer Bruder Erwin machte früh Karriere als Jurist und wurde 1939 Landgerichtsdirektor in Aachen. Kurt Müller-Croon absolvierte wie seine Geschwister in seiner Geburtsstadt Aachen das Realgymnasium. Nach dem Abitur folgte eine kaufmännische Lehre im Textilhandel. 1915 wurde er als Zwanzigjähriger Soldat im Fußartillerie-Regiment 9 Ehrenbreitstein und war an der Ostfront wie auch an der Westfront bis 1918 eingesetzt. Für seine Einsätze im Ersten Weltkrieg wurde er mit dem Eisernen Kreuz I und II. Klasse, dem Hamburger Hanseatenkreuz und dem Ehrenkreuz für Frontkämpfer ausgezeichnet; er beendete seinen Kriegsdienst als Leutnant der Reserve. Weihnachten 1918 begann Kurt Müller-Croon in seinem erlernten Beruf als Textilkaufmann in Aachen zu arbeiten. Um sich in seinem Beruf weiterzuentwickeln, arbeitete er 1924 für ein Jahr in der spanischen Metropole Barcelona. Zurück in Deutschland, war er bis 1934 für verschiedene Firmen und Produkte als Vertreter tätig. Er reiste dabei viel und baute zu Firmen in Dänemark, Schweden und Norwegen Handelsbeziehungen auf. Seinen Lebensmittelpunkt hatte Kurt Müller-Croon in dieser Zeit von Aachen nach Berlin verlegt. 1935 macht er sich dort mit „Curt-Müller-Croon, Wein- u. Spirituosen-Großhandel“ in der Friedrichstraße 19 in Berlin-Kreuzberg selbstständig. Anfang der 1940er-Jahre arbeiteten fünf Angestellte in seiner Firma, die Mehrzahl von ihnen junge Männer. Privat lebte er seit 1931 wenige hundert Meter von seinem Geschäft und Büro entfernt in einer 2-Zimmer-Wohnung im ersten Stock der Friedrichstraße 11. Eine angestellte „Zugehfrau“ sorgte dort, ab 1935 auch im Büro und Geschäft, für Essen und Sauberkeit. Neben der Weingroßhandlung unterhielt Kurt Müller-Croon in der Wilhelmstraße 131/132 einen Weinkeller. Sein Weingroßhandel belieferte unter anderem die großen Berliner Hotels und Gaststätten, das „Haus Vaterland“ am Potsdamer Platz, das „Europahaus“ in der Stresemannstraße und das Hotel „Stadt Berlin“. Von 1939 an arbeitete Kurt Müller-Croon aufgrund seiner umfangreichen Auslandskontakte zusätzlich noch für die militärische Abwehr und gab als „Spion“ Informationen an die entsprechenden Abteilungen des Oberkommandos der Wehrmacht weiter. <br />
Im August 1942 wurde Curt Müller-Croon die Beschäftigung vorwiegend junger Männer in seinem Geschäft und seine sexuelle Orientierung zum Verhängnis. Als ein Angestellter von ihm, Edmund S., den im gleichen Haus in der Friedrichstraße 19 tätigen Arzt Dr. Lucke wegen einer Hautkrankheit aufsuchte, zeigte der Mediziner ihn und Kurt Müller-Croon wegen vermuteter „widernatürlicher Unzucht“ an. Kurt Müller-Croon unterhielt bereits seit 1922 Beziehungen zu Männern, war mehrfach vorbestraft wegen Betruges und seit 1925 in der Berliner „Homo[sexuellen]kartei“ registriert. Der Denunziation durch den Mediziner waren heftige Beschimpfungen von Müller-Croon am Telefon vorausgegangen. Im Oktober 1942 wurden Kurt Müller-Croon und Edmund S., die beide sexuellen Kontakt eingestanden hatten, festgenommen und in Untersuchungshaft in das Zellengefängnis in der Lehrter Straße 3 nach Berlin-Moabit gebracht. Beide kamen aber schnell wieder frei, da Edmund S. zum Militärdienst einberufen wurde und Müller-Croons Anwalt die Aussetzung der Untersuchungshaft erreichte. Zugute kamen Müller-Croon dabei auch seine Tätigkeiten für die Abwehr. Neben dem Hauptamt für Volksgesundheit, das der Arzt am 8. August 1942 unterrichtet hatte, waren bis Frühjahr 1944 – bis dahin befand sich Müller-Croon häufig auf Geschäftsreisen im Ausland und Edmund S. an der Front – mehrere Stellen mit der Anzeige und ihren Folgen beschäftigt: die Reichsleitung der NSDAP, die Kriminalpolizei, das Landgericht Berlin, verschiedene Wehrmachtdienststellen und die Kanzlei des Führers, an die Müller-Croon 1943 ein Gnadengesuch gerichtet hatte. Das Landgericht Berlin versuchte immer wieder, Termine für die Hauptverhandlung anzusetzen, scheiterte jedoch regelmäßig an den häufigen begründeten Abwesenheiten von Müller-Croon. Alle Angestellten und der Hausmeister des Hauses, in dem sich das Geschäft Müller-Croons befand, mussten im Laufe der Zeit Aussagen zu den homosexuellen Handlungen beider Beschuldigter, aber auch früherer männlicher Angestellter machen. Als Kurt Müller-Croon am 16. März 1944 von einer Auslandsreise nach Berlin zurückkehrte, wurde er verhaftet und ins Polizeigefängnis am Alexanderplatz gebracht. Wenige Stunden nach seiner Einlieferung stellte man am nächsten Morgen den Tod des Häftlings fest. Über die Ursachen des überraschenden Todes des zu diesem Zeitpunkt gesunden 49-Jährigen heißt es in einem am selben Tag abgefassten Bericht: „unbekannte Todesursache, Selbstmord, Vergiftung?“. Sieben Tage später sah die Kriminalinspektion Mitte schließlich den Tod als Freitod an und stritt damit jede Verantwortung für den Tod des Häftlings ab: „Der Grund des Freitodes des Müller-Croon dürfte aus Angst vor Strafe zu suchen sein.“ Müller-Croons ehemaligen Angestellten Edmund S. verurteilte die 9. Strafkammer des Landgericht Berlin am 21. April 1944 zu sechs Monaten Gefängnis und Frontbewährung. Den älteren Beschuldigten Müller-Croon bewertete das Gericht als „Verführer“ eines jüngeren Mannes und damit als den Hauptschuldigen in einem Verfahren nach § 175 (sogenannter Homosexuellenparagraph).<br />

Kurt Heinrich Julius Müller-Croon wurde am 28. Februar 1895 in Aachen als Sohn des Tuchfabrikanten Eugen Friedrich Eduard Carl Müller und dessen Ehefrau Emma Bertha Metha Croon geboren. Er hatte zwei Geschwister, den 1892 geborenen Erwin und die 1899 geborene Marta. Sein älterer Bruder Erwin machte früh Karriere als Jurist und wurde 1939 Landgerichtsdirektor in Aachen. Kurt Müller-Croon absolvierte wie seine Geschwister in seiner Geburtsstadt Aachen das Realgymnasium. Nach dem Abitur folgte eine kaufmännische Lehre im Textilhandel. 1915 wurde er als Zwanzigjähriger Soldat im Fußartillerie-Regiment 9 Ehrenbreitstein und war an der Ostfront wie auch an der Westfront bis 1918 eingesetzt. Für seine Einsätze im Ersten Weltkrieg wurde er mit dem Eisernen Kreuz I und II. Klasse, dem Hamburger Hanseatenkreuz und dem Ehrenkreuz für Frontkämpfer ausgezeichnet; er beendete seinen Kriegsdienst als Leutnant der Reserve. Weihnachten 1918 begann Kurt Müller-Croon in seinem erlernten Beruf als Textilkaufmann in Aachen zu arbeiten. Um sich in seinem Beruf weiterzuentwickeln, arbeitete er 1924 für ein Jahr in der spanischen Metropole Barcelona. Zurück in Deutschland, war er bis 1934 für verschiedene Firmen und Produkte als Vertreter tätig. Er reiste dabei viel und baute zu Firmen in Dänemark, Schweden und Norwegen Handelsbeziehungen auf. Seinen Lebensmittelpunkt hatte Kurt Müller-Croon in dieser Zeit von Aachen nach Berlin verlegt. 1935 macht er sich dort mit „Curt-Müller-Croon, Wein- u. Spirituosen-Großhandel“ in der Friedrichstraße 19 in Berlin-Kreuzberg selbstständig. Anfang der 1940er-Jahre arbeiteten fünf Angestellte in seiner Firma, die Mehrzahl von ihnen junge Männer. Privat lebte er seit 1931 wenige hundert Meter von seinem Geschäft und Büro entfernt in einer 2-Zimmer-Wohnung im ersten Stock der Friedrichstraße 11. Eine angestellte „Zugehfrau“ sorgte dort, ab 1935 auch im Büro und Geschäft, für Essen und Sauberkeit. Neben der Weingroßhandlung unterhielt Kurt Müller-Croon in der Wilhelmstraße 131/132 einen Weinkeller. Sein Weingroßhandel belieferte unter anderem die großen Berliner Hotels und Gaststätten, das „Haus Vaterland“ am Potsdamer Platz, das „Europahaus“ in der Stresemannstraße und das Hotel „Stadt Berlin“. Von 1939 an arbeitete Kurt Müller-Croon aufgrund seiner umfangreichen Auslandskontakte zusätzlich noch für die militärische Abwehr und gab als „Spion“ Informationen an die entsprechenden Abteilungen des Oberkommandos der Wehrmacht weiter.
Im August 1942 wurde Curt Müller-Croon die Beschäftigung vorwiegend junger Männer in seinem Geschäft und seine sexuelle Orientierung zum Verhängnis. Als ein Angestellter von ihm, Edmund S., den im gleichen Haus in der Friedrichstraße 19 tätigen Arzt Dr. Lucke wegen einer Hautkrankheit aufsuchte, zeigte der Mediziner ihn und Kurt Müller-Croon wegen vermuteter „widernatürlicher Unzucht“ an. Kurt Müller-Croon unterhielt bereits seit 1922 Beziehungen zu Männern, war mehrfach vorbestraft wegen Betruges und seit 1925 in der Berliner „Homo[sexuellen]kartei“ registriert. Der Denunziation durch den Mediziner waren heftige Beschimpfungen von Müller-Croon am Telefon vorausgegangen. Im Oktober 1942 wurden Kurt Müller-Croon und Edmund S., die beide sexuellen Kontakt eingestanden hatten, festgenommen und in Untersuchungshaft in das Zellengefängnis in der Lehrter Straße 3 nach Berlin-Moabit gebracht. Beide kamen aber schnell wieder frei, da Edmund S. zum Militärdienst einberufen wurde und Müller-Croons Anwalt die Aussetzung der Untersuchungshaft erreichte. Zugute kamen Müller-Croon dabei auch seine Tätigkeiten für die Abwehr. Neben dem Hauptamt für Volksgesundheit, das der Arzt am 8. August 1942 unterrichtet hatte, waren bis Frühjahr 1944 – bis dahin befand sich Müller-Croon häufig auf Geschäftsreisen im Ausland und Edmund S. an der Front – mehrere Stellen mit der Anzeige und ihren Folgen beschäftigt: die Reichsleitung der NSDAP, die Kriminalpolizei, das Landgericht Berlin, verschiedene Wehrmachtdienststellen und die Kanzlei des Führers, an die Müller-Croon 1943 ein Gnadengesuch gerichtet hatte. Das Landgericht Berlin versuchte immer wieder, Termine für die Hauptverhandlung anzusetzen, scheiterte jedoch regelmäßig an den häufigen begründeten Abwesenheiten von Müller-Croon. Alle Angestellten und der Hausmeister des Hauses, in dem sich das Geschäft Müller-Croons befand, mussten im Laufe der Zeit Aussagen zu den homosexuellen Handlungen beider Beschuldigter, aber auch früherer männlicher Angestellter machen. Als Kurt Müller-Croon am 16. März 1944 von einer Auslandsreise nach Berlin zurückkehrte, wurde er verhaftet und ins Polizeigefängnis am Alexanderplatz gebracht. Wenige Stunden nach seiner Einlieferung stellte man am nächsten Morgen den Tod des Häftlings fest. Über die Ursachen des überraschenden Todes des zu diesem Zeitpunkt gesunden 49-Jährigen heißt es in einem am selben Tag abgefassten Bericht: „unbekannte Todesursache, Selbstmord, Vergiftung?“. Sieben Tage später sah die Kriminalinspektion Mitte schließlich den Tod als Freitod an und stritt damit jede Verantwortung für den Tod des Häftlings ab: „Der Grund des Freitodes des Müller-Croon dürfte aus Angst vor Strafe zu suchen sein.“ Müller-Croons ehemaligen Angestellten Edmund S. verurteilte die 9. Strafkammer des Landgericht Berlin am 21. April 1944 zu sechs Monaten Gefängnis und Frontbewährung. Den älteren Beschuldigten Müller-Croon bewertete das Gericht als „Verführer“ eines jüngeren Mannes und damit als den Hauptschuldigen in einem Verfahren nach § 175 (sogenannter Homosexuellenparagraph).