Kurt Fabian

Verlegeort
Giesebrechtstr. 19
Bezirk/Ortsteil
Charlottenburg
Verlegedatum
08. Mai 2011
Geboren
25. September 1884 in Berlin
Deportation
am 28. März 1942 nach Piaski
Ermordet
in Piaski

„Am 25. September 1884 vormittags um fünfdreiviertel Uhr“ brachte Friederike Fabian geb. Salinger in der Wohnung ihres Mannes Oscar Fabian in Berlin, Jüdenstraße 43/44, einen Knaben zur Welt, welcher die Namen Kurt Werner Georg erhielt. So gab es Oscar Fabian am 1. Oktober 1884 im Standesamt Berlin zu Protokoll. Oscar Fabian war Kaufmann und hatte ein knappes Jahr zuvor, am 25. Oktober 1883, Friederike Salinger geheiratet. Kurt sollte aber seine Mutter nicht kennenlernen. Am 12. November, bereits wenige Wochen nach seiner Geburt, starb sie, offenbar an den Folgen der Entbindung. In der Traueranzeige heißt es: „Friederike Fabian, geb. Salinger, [ist] nach einjähriger, höchst glücklicher Ehe, … ihrem schweren Leiden erlegen. Um den Preis des eigenen erkämpfte sie das Leben ihres Söhnchens“.

Oscar Fabian heiratete erneut am 15. Mai 1889. Die Braut war Ida, Tochter des verstorbenen Bäckermeisters Baruch Fernbach aus Beuthen. Am 8. September 1890 bekam Ida eine Tochter, Ella Gertrud, Kurts Halbschwester. 

Oscar Fabian handelte in Posamentier- und Kurzwaren engros, 1884 übernahm er von Albert Cohn die Firma Cohn & Caro, die in der gleichen Branche tätig war. Fünf Jahre später wurde Oscars zwei Jahre jüngerer Bruder Albert Mitinhaber der Firma. 1931 stellte die Firma jedoch den Handel ein, sehr wahrscheinlich als Folge der Weltwirtschaftskrise. Die Firma wurde allerdings erst nach dem Tod der beiden Gesellschafter – Oscar starb 1934, Albert im Jahr darauf – von Alberts Sohn Leo Fabian gelöscht.

Oscars Familie zog bis 1905 häufig um, fand dann eine feste Bleibe in der Gutenbergstraße 8. Dort wohnte Oscar bis zu seinem Tod 1934. Ida hatte allerdings ab 1929 einen eigenen Adressbuch-Eintrag als „Privatiere“ in der Flensburger Straße 10. Möglicherweise hatte sich das Paar getrennt. Kurt hat in den Adressbüchern keine eigene Adresse. Wir wissen nicht, ob er zunächst bei Ida, bei Oscar oder bei jemand anderem zur Untermiete gewohnt hat. Und wir wissen auch nicht, welchen Beruf er erlernte, welchen er ausübte. Kurt Fabian blieb ledig.

Belegbar ist, dass Kurt nach Oscars Tod und noch 1939, zum Zeitpunkt der Volkszählung vom 17. Mai, mit Ida und seiner Halbschwester Gertrud in der Giesebrechtstaße 19 lebte. Ida hatte die Wohnung am 1. Oktober 1934 bezogen. Bei der Volkszählung wurden Juden separat registriert. Das diente u.a. der leichteren Erfassung für Zwangsarbeitszuweisungen. Unklar bleibt, ob auch Kurt Fabian zur Zwangsarbeit herangezogen wurde. In seiner Vermögenserklärung schrieb er: „Beruf: ohne. Das Arbeitsbuch ist am 2.7.41 vom Arbeitsamt geschlossen“. 

Zum Zeitpunkt der Volkszählung, ein halbes Jahr nach den Pogromen von 1938, hatten die judenfeindlichen Maßnahmen der NS-Regierung bereits stark zugenommen und machten den Juden ein Berufsleben praktisch unmöglich und den Alltag schwer ertragbar. Dieser Trend gipfelte in den 1940 beschlossenen perfiden „Endlösungsplänen“, die nicht mehr die Vertreibung sondern letztlich die Vernichtung aller Juden zum Ziel hatten. Im Oktober 1941 begannen die Deportationen in Berlin. Kurt und Gertrud mussten sich im März 1942 in der als Sammellager missbrauchten Synagoge in der Levetzowstraße einfinden. Kurt, und auch Gertrud, wurden am 28. März 1942 mit 984 weiteren Menschen vom Güterbahnhof Moabit aus in das Ghetto Piaski bei Lublin verschleppt. Für die „Abwanderung“, wie die Deportation euphemistisch genannt wurde, musste Kurt zynischerweise auch noch 50.- RM zahlen, die von seinem Restvermögen abgezogen wurden. Übrig blieben ihm 143,34 RM – die wie alles andere vom Deutschen Reich „eingezogen“  (also geraubt) wurden. Zurück in der Giesebrechtstraße blieben lediglich 3 Paar Schuhe und etwas Herrenwäsche, die der Gerichtsvollzieher auf 13.- RM taxierte (selbst die wurden für 9.10 RM an einen Trödler verkauft und als Einnahme des Reiches verbucht).

Lange wurde als Ziel dieser Deportation das Lager Trawniki bei Lublin vermutet. Tatsächlich endete die Bahnfahrt zunächst dort, eigentliches Ziel war das Ghetto Piaski. Da Piaski aber keinen Bahnhof hatte, mussten die Menschen die 12 km von Trawniki aus zu Fuß auf der verschneiten Landstraße zurücklegen. Piaski galt als "Transit-Ghetto", von hieraus wurden die Opfer in verschiedene Vernichtungslager wie Belcek oder Sobibor weiterverschleppt. Das Ghetto war vollständig abgeriegelt und hoffnungslos überfüllt. Unzureichende Ernährung und schreckliche hygienische Zustände führten zu vielen Krankheiten. Ein Großteil der Deportierten starben vor der Weiterdeportation. Kurt Fabians Spur verliert sich in Piaski, es bleib ungewiss, ob er schon dort oder in einem der Vernichtungslager ums Leben kam.

Kurts Schwester Gertrud erlitt, anders als zum Zeitpunkt der Stolpersteinlegung bekannt, das gleiche Schicksal wie ihr Bruder und wurde mit ihm nach Piaski deportiert. Ihre Mutter Ida verschleppte man am 13. August 1942 nach Theresienstadt und von dort weiter nach Treblinka. Wie Kurt Fabian hat keine der beiden Frauen den Holocaust überlebt.