Margarete Oppler

Verlegeort
Giesebrechtstr. 19
Bezirk/Ortsteil
Charlottenburg
Verlegedatum
08. Mai 2011
Geboren
22. Juni 1890 in Breslau (Schlesien) / Wrocław
Deportation
am 30. September 1942 nach Treblinka
Ermordet
in Treblinka

Margarete Oppler kam am 22. Juni 1890 in Breslau zur Welt. Ihr Vater war der Kaufmann Stephan Oppler, die Mutter Martha, geb. Sachs. Die Familie Oppler war seit dem 18. Jahrhundert in Oppeln ansässig, Margaretes Großvater war dort Stadtrat gewesen. Dort wohnte die Familie auch noch, als zwei Jahre vor Margarete ihr Bruder Friedrich geboren wurde, der Vater war Zigarrenhändler. Drei Monate nach Friedrichs Geburt zog die Familie nach Breslau, dem Heimatort Marthas, und dort wechselte Stephan Oppler die Branche, er wurde Mitinhaber der Tuchhandlung Oppler & Oelscher. Vielleicht betrieb er auch den Zigarrenhandel daneben weiter. Offenbar hatte er aber bereits vor, nach Berlin umzuziehen, da er sich dort schon ab 1889 in das Adressbuch eintragen ließ, mit jährlich wechselnden Adressen und der Berufsbezeichnung „Stadtreisender“. 1896 siedelte die ganze Familie in die Hauptstadt über. Drei Jahre später war Stephan Oppler Mitinhaber der Knaben-Garderobenfabrik Oppler & Philipp, 1900 ihr alleiniger Inhaber. Die Fabrik war in der Neuen Friedrichstraße 70. Opplers wohnten zunächst in der Kirchstraße 16, später in der Markgrafenstraße 21. Nach einigen Jahren scheint sich Stephan Oppler wieder auf den Zigarrenhandel besonnen zu haben, er bezeichnete sich nun als Generalvertreter in Zigarren und wohnte in der Turmstraße 6. Dort blieb die Familie etwa 10 Jahre, bis sie 1914 nach Charlottenburg in die Sybelstraße 25 umzog.

Zu diesem Zeitpunkt war die ledig gebliebene Margarete, auch Marga genannt, 24 Jahre alt und lebte höchstwahrscheinlich noch im Elternhaus. Laut ihrem Bruder Friedrich war sie Schauspielerin, arbeitete auch als Sekretärin. Friedrich wurde im Krieg eingezogen, wohnte aber nach seiner Rückkehr wohl ebenfalls in der Sybelstraße. Er hatte Jura studiert und war bereits 1911 promoviert worden. Er arbeitete ab 1916 und auch nach dem Krieg beim Magistrat in Berlin, 1927 wurde er Amtsgerichtsrat, 1931 Landgerichtsrat. 

1927 war auch das Jahr, in dem Stephan Oppler starb, seine Witwe wohnte weiter in der Sybelstraße 25 sowie auch Friedrich - mit großer Wahrscheinlichkeit ebenfalls Margarete. Das Verhältnis von Margarete zu ihrem Bruder war laut Friedrich sehr eng. 1930 verstarb auch Martha Oppler, und ihr Sohn behielt die Wohnung. Noch 1933 verzeichnet das Adressbuch Friedrich in der Sybelstraße, in diesem Jahr heiratete er und zog nach Dahlem. Wo Margarete danach wohnte, wissen wir nicht, da sie im Adressbuch nicht mit eigener Anschrift vermerkt ist.

Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten änderte sich viel für Friedrich und vermutlich auch für Margarete. Friedrichs Schwiegereltern denunzierten ihn, weil er sich abfällig über die Nationalsozialisten geäußert hätte, er kam für einige Tage ins Gefängnis. Obwohl er zum Christentum übergetreten war, wurde er als Jude im November 1933 ohne Pension entlassen. Die Ehe wurde im August 1935 geschieden. Bei den Pogromen 1938 wurde Friedrich gleich am 11. November verhaftet und in das KZ Sachsenhausen eingeliefert. Nach 6 Wochen wurde er mit der Auflage entlassen, aus Deutschland auszuwandern. Mit seiner zweiten Frau Ilse geb. Landau, die er Ende 1936 geheiratet hatte, beantragte er umgehend Visa für Brasilien.

Margaretes Spur findet sich erst wieder anlässlich der Volkszählung vom 17. Mai 1939, bei der Juden in einer getrennten „Ergänzungskartei“ erfasst wurden. Margarete wohnte in der Giesebrechtstraße 19 zur Untermiete bei der Witwe Minna Herzfeld. Als Schauspielerin konnte sie sicherlich bestenfalls beim Kulturbund Deutscher Juden noch arbeiten, ob das der Fall war, konnte nicht ermittelt werden, vielleicht war sie auch dort als Sekretärin tätig. Laut ihrem Bruder war sie zuletzt arbeitslos. Was wir aber wissen, ist dass sie lungenkrank war und sich von Oktober 1940 bis Januar 1941 als Patientin in dem Rothschild-Sanatorium in Nordrach im Schwarzwald aufhielt.

Letzteres war ein 1905 von der Stiftung der Baronin Adelheid de Rothschild gegründetes Sanatorium für jüdische weibliche Lungenkranke. Es wurde streng orthodox geführt und sollte einen unentgeltlichen Aufenthalt für jüdische weibliche Lungenkranke aller Länder ermöglichen. 1939 ging die Lungenheilstätte in den Besitz der Reichsvereinigung der Juden über. Schon längst konnten keine Patientinnen aus dem Ausland mehr dorthin reisen. Und schon seit der Inflationszeit in den 20er Jahren mussten vermögendere Kranke auch einen Beitrag zahlen. Ob Margarete Oppler zu den Vermögenden zählte, darf bezweifelt werden, denn die bereits ab 1933 von der NS-Regierung durchgeführten antijüdischen Maßnahmen nahmen nach den Pogromen vom November 1938 erheblich zu. Dazu gehörte auch, dass Juden nicht mehr frei über ihr Vermögen verfügen konnten. Sie durften nur einen festgelegten Betrag für das Existenzminimum von einem Sperrkonto abheben.

Nach ihrer Rückkehr nach Berlin konnte Margarete nicht mehr lange oder überhaupt nicht mehr in der Giesebrechtstraße wohnen. Ihr wurde ein Zimmer zur Untermiete bei Herta Lehmann geb. Israelski in der Güntzelstraße 35 zugewiesen. Margaretes Vermieterin Minna Herzfeld musste ebenfalls ausziehen. Wie viele andere von Juden bewohnte Wohnungen sollte wohl auch die in der Giesebrechtstraße zwangsweise für Nichtjuden freigemacht werden.

Im Spätsommer 1942 kam Margarete Oppler noch mal in die Rothschildsche Lungenheilanstalt, sie war dort im Haus 158 untergebracht. Sie war offenbar weiterhin krank. Vielleicht dachte sie auch, Nordrach sei ein sichererer Ort als Berlin, wo mittlerweile Juden massenhaft deportiert wurden. Wenn sie dieser Ansicht war, war dies leider ein Trugschluss. Am 24. September, kurz nach ihrer Ankunft, musste sie die Vermögenserklärung abliefern, die der Deportation vorausging. Fünf Tage darauf, am 29. September, wurde das Sanatorium aufgelöst, die verbliebenen Patienten, das Pflegepersonal und der Chefarzt Dr. Nehemias Wehl – insgesamt 26 Personen – wurden nach Darmstadt überführt und von dort zusammen mit rund 900 meist hessischen Juden am 30. September 1942 deportiert. Das Ziel der Deportation konnte bis heute nicht geklärt werden, Historiker vermuten, dass es Treblinka war. Von den Patienten aus Nordrach hat keiner überlebt.

Friedrich Oppler und seine Frau Ilse erhielten 1940 endlich ihre brasilianischen Visa und konnten im August des Jahres ausreisen. Wegen des Krieges mussten sie Brasilien ostwärts über Sibirien, Japan und Panama erreichen. 1952 kehrte Friedrich Oppler nach Berlin zurück und erstritt seine Wiedereinstellung in West-Berlin.  Er wurde Oberlandesgerichtsdirektor und Vorsitzender einer Wiedergutmachungskammer des Landgerichts Berlin. Er trauerte um seine „einzige Schwester Margarete, an der [er] sehr hing und die nicht hatte auswandern können“ und so in der Deportation ermordet worden war. Er starb 1966 in Berlin.