Arno Bagainski

Verlegeort
Greifswalder Straße 202
Bezirk/Ortsteil
Prenzlauer Berg
Verlegedatum
07. August 2014
Geboren
30. November 1924 in
Deportation
am 06. Juni 1942 nach Theresienstadt
Schicksal unbekannt

Arno Bagainski wurde am 30. November 1924 in Berlin geboren. Er war der Sohn des aus Gnesen (dem heutigen polnischen Gniezno) stammenden Hermann Bagainski und dessen erster Ehefrau Helene Bagainski, geborene Ruschin. Sein Vater hatte 1918 – vermutlich nachdem er als Soldat im Ersten Weltkrieg eingesetzt war – Helene geheiratet und war mit ihr nach Berlin gezogen. Die Mutter von Arno stammte aus Schokken (heute Skoki) und war eine der Töchter des dort ansässigen Kaufmanns Leiser Ruschin und der Dorothea Ruschin, geborene Pinkus. Im November 1919 war die ältere Schwester von Arno, Margot Sophie, zur Welt gekommen, 1921 sein älterer Bruder Julius. Das Ehepaar Bagainski lebte zu diesem Zeitpunkt in der Elsasser Straße 85 (der heutigen Torstraße). Arnos Vater hatte eine kaufmännische Ausbildung absolviert und zwei Jahre vor seiner Geburt in Berlin ein Büro für Rechts- und Steuerberatung eröffnet. Die Rechtsberatung war nach damaligen Recht weniger reglementiert und stand auch kaufmännischen Berufszweigen offen. Erst 1935 wurde mit dem „Gesetz zur Verhütung von Mißbräuchen auf dem Gebiete der Rechtsberatung“ (dem späteren RBerG) die Berufsausübung mit dem Ziel eingeschränkt, die seit 1933 aus der Rechtsanwaltschaft ausgeschlossenen jüdischen Rechtsanwälte daran zu hindern, in die nichtanwaltliche Beratung auszuweichen. 1925 zog die die Familie in die Elisabethstraße 12 nahe dem Alexanderplatz und 1927 in eine größere Wohnung in der Lietzmannstraße 6 (ungefähr auf der Höhe der heutigen Berolinastraße).<br />
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Es haben sich kaum Quellen erhalten, die einen Einblick in das Familienleben der Bagainskis im Berlin der Weimarer Republik geben könnten. Arno besuchte wie sein älterer Bruder – und vermutlich auch Margot – die Städtische Volksschule in der Georgenkirchstraße, die unweit der elterlichen Wohnung nahe dem Volkspark Friedrichshain lag. Ende der 1920er-Jahre und Anfang der 1930er-Jahre traf die Familie zwei Schicksalsschläge: 1929 musste Arnos Vater infolge eines früheren Arbeitsunfalls das Bein bis zum Oberschenkel amputiert werden. Er gab notgedrungen sein Beratungsbüro auf und war, da er seine Familie nicht durch eigene Berufstätigkeit unterhalten konnte, Anfang der 1930er-Jahre Wohlfahrtsempfänger. Am 5. Juli 1930 – einen Tag nach ihrem 35. Geburtstag – verstarb außerdem die Mutter von Arno. Er war zu diesem Zeitpunkt erst fünf Jahre alt. Im April 1932 heiratete Arnos Vater erneut. Arnos Stiefmutter war die aus Leesen (heute Leźno) stammende Margarete Schach, die in Berlin als Hauswirtschafterin arbeitete. Aus der zweiten Ehe sind Arnos 1934 und 1937 geborenen Halbgeschwister, Erna und Joachim, hervorgegangen.<br />
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Mit der schrittweisen Entrechtung und Verfolgung von Juden seit 1933 – beziehungsweise aller Personen, die nach den Nürnberger Gesetzen im NS-Staat als Juden galten – begannen auch Zwangsmaßnahmen gegen die Familie Bagainski. Darunter fielen zahlreiche Maßnahmen der Diskriminierung und sozialen Ausgrenzung, des Entzugs staatsbürgerlicher Rechte sowie der Verdrängung aus dem Berufs- und Wirtschaftsleben. Hermann Bagainski hatte sich inzwischen von den Folgen seiner Operation erholt, erhielt aber keine Arbeitsgelegenheit mehr. In den nächsten Jahren war er ehrenamtlich in der Israelitischen Taubstummenanstalt Berlin-Weißensee beschäftigt und erhielt dafür eine kleine Aufwandsentschädigung. Unter dem Druck der Rassenpolitik, die im Bildungswesen mit einem Erlass von 1935 eine „möglichst vollständige Rassentrennung“ in Schulen vorsah, mussten die Brüder Arno und Julius die Städtische Volksschule verlassen. Die Familie zog in diesem Jahr in eine Wohnung in der Greifswalder Str. 202. Julius besuchte noch bis 1936, sein Bruder Arno bis 1939 die jüdische Schule in der Rykestraße. Beide Brüder fanden nach ihrem Abschluss keine Lehrstelle. Arnos technisch begabter Bruder wollte eigentlich Automechaniker werden, Arno Elektriker. Zwischen 1936 und 1938 absolvierten Julius und Margot Bagainski Fortbildungskurse in Ausbildungslagern in Groß Beeren (dem heutigen Brzeźno Trzebnica) und im brandenburgischen Havelberg, die die Jugendlichen auf die Auswanderung vorbereiteten. Falls Arnos älterer Bruder konkrete Schritte unternommen hat, das Land zu verlassen, scheiterten diese. Einzig Margot gelang es, 1939 – sie war inzwischen verheiratet – mit ihrem Ehemann auszuwandern. Zwischen 1938 und 1941 trug Julius als Arbeiter unter anderem beim Zentralviehhof in Lichtenberg und bei der Herrenfabrikation der Firma „Fellner“ zum Einkommen der Familie bei. Arno begann 1939 eine Lehre als Koch bei der Zentralküche der Jüdischen Gemeinde in der Gormannstraße 3, gab diese aber im Herbst 1941 auf. Er war mehrere Male auf dem Arbeitsweg bedroht worden, nachdem man ihn mit „Judenstern“ auf der Kleidung gesehen hatte. Im Februar 1941 zog Arnos Bruder Julius aus der Wohnung Greifswalder Straße 202 aus und wohnte bei Clara Beer in der Wilmersdorfer Uhlandstraße 47 zur Untermiete. Spätestens ab Oktober 1941 wurde der damals 16-jährige Arno genauso wie sein Vater, seine Stiefmutter und sein Bruder Julius zu Zwangsarbeit in Berliner Unternehmen gezwungen. Anders als für seinen Bruder, der in der „Lederwarenfabrik Gebr. Schlägel“ in der Lichtenberger Röderstraße 25 (der heutigen Karl-Lade-Straße) tätig sein musste, ist für Arno nicht namentlich bekannt, bei welcher Firma er als Zwangsarbeiter beschäftigt war.<br />
<br />
Der Entrechtung folgte die Deportation: Arnos Bruder Julius wurde im Rahmen der ersten Deportation aus Berlin am 18. Oktober 1941 über den Bahnhof Grunewald in das Ghetto Litzmannstadt (Łódź) deportiert. Im Ghetto wurde ihm ein Quartier in der Alexanderhofstraße 35 zugewiesen. Am 7. Mai 1942 wurde er aus Litzmannstadt weiter in das Vernichtungslager Kulmhof (Chełmno) deportiert und dort – vermutlich unmittelbar nach der Ankunft des Transports – ermordet. Es ist unwahrscheinlich, dass seine Familienangehörigen in Berlin Informationen zum Schicksal von Julius erreichten. Arnos Vater Hermann wurde im Zuge der willkürlichen Vergeltungsmaßnahmen nach dem Brandanschlag der Widerstandgruppe um Herbert Baum auf die NS-Propagandaausstellung „Das Sowjet-Paradies“ im Mai 1942 in Berlin verhaftet. Margarete berichtete später von der Inhaftierung: „Am 27. Mai 1942 abends gegen 8 Uhr erschienen in unserer Wohnung in der Greifswalder Straße 202 einige Polizeibeamte, die erklärten, dass sie meinen Mann abholen müssen. Als ich sie fragte, warum nur mein Mann und nicht die ganze Familie abgeholt würde, erhielt ich zur Antwort, eine Auskunft könne mir nicht gegeben werden, ich bekäme eine solche im Sammellager Levetzowstraße. Die Ursache dieser Festnahme wurde mir klar, als ich bald darauf hörte, dass am gleichen Abend 500 Männer, sämtliche Juden, in allen Bezirken Berlins aus ihrer Wohnung geholt wurden.“ Von den 500 Verhafteten wurden 250 Geiseln am Morgen des 28. Mai in Sachsenhausen erschossen, darunter auch Arnos Vater Hermann Bagainski.<br />
<br />
Die übrigen Familienmitglieder erhielten am 3. Juni 1942 den Deportationsbescheid. Arno Bagainski, seine Stiefmutter Margarete sowie seine minderjährigen Halbgeschwister Erna und Joachim wurden von Polizisten der Stapoleitstelle und der Kriminalpolizei in die Sammelstelle in der Große Hamburger Straße 26 gebracht. Von dort aus wurden sie mit einem Sondertransport, der ausschließlich für Angehörige der Erschossenen bestimmt war, am 5. Juni 1942 in das Ghetto Theresienstadt deportiert. Arno Bagainski meldete sich hier 1942/1943 für einen Arbeitstrupp und kam vermutlich nach anderen Einsätzen 1944 in das sogenannte Außenkommando Zossen (auch „Wulkow“). Den Mitgliedern einiger Arbeitskommandos war versprochen worden, dass ihre im Ghetto zurückbleibenden Angehörigen während der Zeit des Arbeitseinsatzes nicht weiterdeportiert werden würden.<br />
<br />
Am 2. März 1944 verließ das Kommando Zossen mit 200 männlichen Häftlingen das Ghetto, um in Wulkow in einem waldigen Gelände der Seelower Höhen südöstlich von Berlin ein Barackenlager für die SS zu bauen. Unter unmenschlichen Bedingungen, Nahrungsmangel und der sadistischen Leitung des SS-Obersturmbannführers Franz Stuschka aus Wien errichteten die Häftlinge im Wald 110 Bauwerke – Wohn-, Arbeits- und Küchenbaracken, Aktenbunker, Feuerlöschteiche und Garagen, eine Abwasserkanalisation und eine Brunnenanlage. Die Anlage wurde als Gestapoausweichquartier im Herbst 1944 teilweise bezogen. Arno Bagainski wurde im Laufe des Jahres 1944 mit anderen Häftlingen wegen des Besitzes von Zigaretten strafversetzt. Stuschka, der die Wulkower Häftlinge brutal misshandelte, ließ immer wieder einzelne Personen zur schärferen Bestrafung nach Sachsenhausen oder in das Gestapogefängnis Theresienstadts, die sogenannte Kleine Festung, abtransportieren, was in der Regel das Todesurteil für die Deportierten bedeutete. Ende September 1944 schrieb Arno aus dem Sammellager in der ehemaligen Pathologie des Jüdischen Krankenhauses in der Schulstraße im Berliner Wedding einen Brief, der seine Stiefmutter Margarete im Ghetto erreichte. Es handelte sich um das letzte bekannte Lebenszeichen von Arno Bagainski, der zu diesem Zeitpunkt 19 Jahre alt war. Margarete Bagainski und ihre Kinder Erna und Joachim konnten sich im Februar 1945 aus dem Ghetto in einem Transport in die Schweiz retten („Zug in die Freiheit“). Sie kamen nach der Befreiung nach Les Avants in der Schweiz und lebten später einige Zeit in einem Kibbuz bei Margot, verheiratete Timendorfer, die sich Miriam Timnah nannte, und ihrem Ehemann in Israel.

Arno Bagainski wurde am 30. November 1924 in Berlin geboren. Er war der Sohn des aus Gnesen (dem heutigen polnischen Gniezno) stammenden Hermann Bagainski und dessen erster Ehefrau Helene Bagainski, geborene Ruschin. Sein Vater hatte 1918 – vermutlich nachdem er als Soldat im Ersten Weltkrieg eingesetzt war – Helene geheiratet und war mit ihr nach Berlin gezogen. Die Mutter von Arno stammte aus Schokken (heute Skoki) und war eine der Töchter des dort ansässigen Kaufmanns Leiser Ruschin und der Dorothea Ruschin, geborene Pinkus. Im November 1919 war die ältere Schwester von Arno, Margot Sophie, zur Welt gekommen, 1921 sein älterer Bruder Julius. Das Ehepaar Bagainski lebte zu diesem Zeitpunkt in der Elsasser Straße 85 (der heutigen Torstraße). Arnos Vater hatte eine kaufmännische Ausbildung absolviert und zwei Jahre vor seiner Geburt in Berlin ein Büro für Rechts- und Steuerberatung eröffnet. Die Rechtsberatung war nach damaligen Recht weniger reglementiert und stand auch kaufmännischen Berufszweigen offen. Erst 1935 wurde mit dem „Gesetz zur Verhütung von Mißbräuchen auf dem Gebiete der Rechtsberatung“ (dem späteren RBerG) die Berufsausübung mit dem Ziel eingeschränkt, die seit 1933 aus der Rechtsanwaltschaft ausgeschlossenen jüdischen Rechtsanwälte daran zu hindern, in die nichtanwaltliche Beratung auszuweichen. 1925 zog die die Familie in die Elisabethstraße 12 nahe dem Alexanderplatz und 1927 in eine größere Wohnung in der Lietzmannstraße 6 (ungefähr auf der Höhe der heutigen Berolinastraße).

Es haben sich kaum Quellen erhalten, die einen Einblick in das Familienleben der Bagainskis im Berlin der Weimarer Republik geben könnten. Arno besuchte wie sein älterer Bruder – und vermutlich auch Margot – die Städtische Volksschule in der Georgenkirchstraße, die unweit der elterlichen Wohnung nahe dem Volkspark Friedrichshain lag. Ende der 1920er-Jahre und Anfang der 1930er-Jahre traf die Familie zwei Schicksalsschläge: 1929 musste Arnos Vater infolge eines früheren Arbeitsunfalls das Bein bis zum Oberschenkel amputiert werden. Er gab notgedrungen sein Beratungsbüro auf und war, da er seine Familie nicht durch eigene Berufstätigkeit unterhalten konnte, Anfang der 1930er-Jahre Wohlfahrtsempfänger. Am 5. Juli 1930 – einen Tag nach ihrem 35. Geburtstag – verstarb außerdem die Mutter von Arno. Er war zu diesem Zeitpunkt erst fünf Jahre alt. Im April 1932 heiratete Arnos Vater erneut. Arnos Stiefmutter war die aus Leesen (heute Leźno) stammende Margarete Schach, die in Berlin als Hauswirtschafterin arbeitete. Aus der zweiten Ehe sind Arnos 1934 und 1937 geborenen Halbgeschwister, Erna und Joachim, hervorgegangen.

Mit der schrittweisen Entrechtung und Verfolgung von Juden seit 1933 – beziehungsweise aller Personen, die nach den Nürnberger Gesetzen im NS-Staat als Juden galten – begannen auch Zwangsmaßnahmen gegen die Familie Bagainski. Darunter fielen zahlreiche Maßnahmen der Diskriminierung und sozialen Ausgrenzung, des Entzugs staatsbürgerlicher Rechte sowie der Verdrängung aus dem Berufs- und Wirtschaftsleben. Hermann Bagainski hatte sich inzwischen von den Folgen seiner Operation erholt, erhielt aber keine Arbeitsgelegenheit mehr. In den nächsten Jahren war er ehrenamtlich in der Israelitischen Taubstummenanstalt Berlin-Weißensee beschäftigt und erhielt dafür eine kleine Aufwandsentschädigung. Unter dem Druck der Rassenpolitik, die im Bildungswesen mit einem Erlass von 1935 eine „möglichst vollständige Rassentrennung“ in Schulen vorsah, mussten die Brüder Arno und Julius die Städtische Volksschule verlassen. Die Familie zog in diesem Jahr in eine Wohnung in der Greifswalder Str. 202. Julius besuchte noch bis 1936, sein Bruder Arno bis 1939 die jüdische Schule in der Rykestraße. Beide Brüder fanden nach ihrem Abschluss keine Lehrstelle. Arnos technisch begabter Bruder wollte eigentlich Automechaniker werden, Arno Elektriker. Zwischen 1936 und 1938 absolvierten Julius und Margot Bagainski Fortbildungskurse in Ausbildungslagern in Groß Beeren (dem heutigen Brzeźno Trzebnica) und im brandenburgischen Havelberg, die die Jugendlichen auf die Auswanderung vorbereiteten. Falls Arnos älterer Bruder konkrete Schritte unternommen hat, das Land zu verlassen, scheiterten diese. Einzig Margot gelang es, 1939 – sie war inzwischen verheiratet – mit ihrem Ehemann auszuwandern. Zwischen 1938 und 1941 trug Julius als Arbeiter unter anderem beim Zentralviehhof in Lichtenberg und bei der Herrenfabrikation der Firma „Fellner“ zum Einkommen der Familie bei. Arno begann 1939 eine Lehre als Koch bei der Zentralküche der Jüdischen Gemeinde in der Gormannstraße 3, gab diese aber im Herbst 1941 auf. Er war mehrere Male auf dem Arbeitsweg bedroht worden, nachdem man ihn mit „Judenstern“ auf der Kleidung gesehen hatte. Im Februar 1941 zog Arnos Bruder Julius aus der Wohnung Greifswalder Straße 202 aus und wohnte bei Clara Beer in der Wilmersdorfer Uhlandstraße 47 zur Untermiete. Spätestens ab Oktober 1941 wurde der damals 16-jährige Arno genauso wie sein Vater, seine Stiefmutter und sein Bruder Julius zu Zwangsarbeit in Berliner Unternehmen gezwungen. Anders als für seinen Bruder, der in der „Lederwarenfabrik Gebr. Schlägel“ in der Lichtenberger Röderstraße 25 (der heutigen Karl-Lade-Straße) tätig sein musste, ist für Arno nicht namentlich bekannt, bei welcher Firma er als Zwangsarbeiter beschäftigt war.

Der Entrechtung folgte die Deportation: Arnos Bruder Julius wurde im Rahmen der ersten Deportation aus Berlin am 18. Oktober 1941 über den Bahnhof Grunewald in das Ghetto Litzmannstadt (Łódź) deportiert. Im Ghetto wurde ihm ein Quartier in der Alexanderhofstraße 35 zugewiesen. Am 7. Mai 1942 wurde er aus Litzmannstadt weiter in das Vernichtungslager Kulmhof (Chełmno) deportiert und dort – vermutlich unmittelbar nach der Ankunft des Transports – ermordet. Es ist unwahrscheinlich, dass seine Familienangehörigen in Berlin Informationen zum Schicksal von Julius erreichten. Arnos Vater Hermann wurde im Zuge der willkürlichen Vergeltungsmaßnahmen nach dem Brandanschlag der Widerstandgruppe um Herbert Baum auf die NS-Propagandaausstellung „Das Sowjet-Paradies“ im Mai 1942 in Berlin verhaftet. Margarete berichtete später von der Inhaftierung: „Am 27. Mai 1942 abends gegen 8 Uhr erschienen in unserer Wohnung in der Greifswalder Straße 202 einige Polizeibeamte, die erklärten, dass sie meinen Mann abholen müssen. Als ich sie fragte, warum nur mein Mann und nicht die ganze Familie abgeholt würde, erhielt ich zur Antwort, eine Auskunft könne mir nicht gegeben werden, ich bekäme eine solche im Sammellager Levetzowstraße. Die Ursache dieser Festnahme wurde mir klar, als ich bald darauf hörte, dass am gleichen Abend 500 Männer, sämtliche Juden, in allen Bezirken Berlins aus ihrer Wohnung geholt wurden.“ Von den 500 Verhafteten wurden 250 Geiseln am Morgen des 28. Mai in Sachsenhausen erschossen, darunter auch Arnos Vater Hermann Bagainski.

Die übrigen Familienmitglieder erhielten am 3. Juni 1942 den Deportationsbescheid. Arno Bagainski, seine Stiefmutter Margarete sowie seine minderjährigen Halbgeschwister Erna und Joachim wurden von Polizisten der Stapoleitstelle und der Kriminalpolizei in die Sammelstelle in der Große Hamburger Straße 26 gebracht. Von dort aus wurden sie mit einem Sondertransport, der ausschließlich für Angehörige der Erschossenen bestimmt war, am 5. Juni 1942 in das Ghetto Theresienstadt deportiert. Arno Bagainski meldete sich hier 1942/1943 für einen Arbeitstrupp und kam vermutlich nach anderen Einsätzen 1944 in das sogenannte Außenkommando Zossen (auch „Wulkow“). Den Mitgliedern einiger Arbeitskommandos war versprochen worden, dass ihre im Ghetto zurückbleibenden Angehörigen während der Zeit des Arbeitseinsatzes nicht weiterdeportiert werden würden.

Am 2. März 1944 verließ das Kommando Zossen mit 200 männlichen Häftlingen das Ghetto, um in Wulkow in einem waldigen Gelände der Seelower Höhen südöstlich von Berlin ein Barackenlager für die SS zu bauen. Unter unmenschlichen Bedingungen, Nahrungsmangel und der sadistischen Leitung des SS-Obersturmbannführers Franz Stuschka aus Wien errichteten die Häftlinge im Wald 110 Bauwerke – Wohn-, Arbeits- und Küchenbaracken, Aktenbunker, Feuerlöschteiche und Garagen, eine Abwasserkanalisation und eine Brunnenanlage. Die Anlage wurde als Gestapoausweichquartier im Herbst 1944 teilweise bezogen. Arno Bagainski wurde im Laufe des Jahres 1944 mit anderen Häftlingen wegen des Besitzes von Zigaretten strafversetzt. Stuschka, der die Wulkower Häftlinge brutal misshandelte, ließ immer wieder einzelne Personen zur schärferen Bestrafung nach Sachsenhausen oder in das Gestapogefängnis Theresienstadts, die sogenannte Kleine Festung, abtransportieren, was in der Regel das Todesurteil für die Deportierten bedeutete. Ende September 1944 schrieb Arno aus dem Sammellager in der ehemaligen Pathologie des Jüdischen Krankenhauses in der Schulstraße im Berliner Wedding einen Brief, der seine Stiefmutter Margarete im Ghetto erreichte. Es handelte sich um das letzte bekannte Lebenszeichen von Arno Bagainski, der zu diesem Zeitpunkt 19 Jahre alt war. Margarete Bagainski und ihre Kinder Erna und Joachim konnten sich im Februar 1945 aus dem Ghetto in einem Transport in die Schweiz retten („Zug in die Freiheit“). Sie kamen nach der Befreiung nach Les Avants in der Schweiz und lebten später einige Zeit in einem Kibbuz bei Margot, verheiratete Timendorfer, die sich Miriam Timnah nannte, und ihrem Ehemann in Israel.