Martha Prinz

Verlegeort
Inselstr. 11
Bezirk/Ortsteil
Mitte
Verlegedatum
September 2009
Geboren
24. Februar 1880 in Frankfurt/Oder
Deportation
am 19. Januar 1942 nach Riga
Ermordet
im Ghetto Riga, vmtl.

Bericht von Vera Gans über ihre Erinnerungen an Martha Prinz und die Recherchen im Rahmen der Stolpersteinverlegung im September 2009:<br />
<br />
Am 14. September 2009 hat Gunter Demnig für Frau Martha Prinz vor ihrem ehemaligen Wohnhaus Inselstraße 10 in Berlin einen Stolperstein verlegt. Frau Prinz kannte ich noch als Kind. Mir war es wichtig, dass mit einem Stolperstein an sie und ihr Schicksal erinnert wird. Der Stein liegt heute vor der Inselstraße 11, da die Nr. 10 in absehbarer Zeit bebaut wird.<br />
<br />
Martha Prinz lebte von etwa 1919 bis zum 19. Januar 1942 in einer winzigen Wohnung, die in einem Raum Wohnzimmer, Schlafstätte und Küche zugleich war und nur einen Kochherd als Heizungsmöglichkeit hatte.<br />
<br />
Zu dieser Zeit war die Inselstraße eine recht belebte Straße mit vielen Geschäften und drei Kneipen, in denen die Schiffer der Spree verkehrten, mit regem Fahrzeugverkehr und einer bis nach Köpenick fahrenden Straßenbahn, einem Gymnasium und einer Fabrik.<br />
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Wenn man vor dem Haus stand, gehörte das vierte Fenster von links im 1. Stock zu ihrer Kochstube. Die Fenster im 1. Stock waren einfache Rundbogenfenster, die noch im Ersten Weltkrieg zu den Jannatschen Festsälen gehörten. Erst danach wurde das Haus umgebaut und im 1. Geschoß primitive Wohnungen errichtet. Das Haus Inselstraße 10 ist am 3. Februar 1945 infolge eines Brandbombeneinschlags im Nachbarhaus, der Garn- und Tapisseriefabrik Maas, vom übergreifenden Feuer bis auf die Grundmauer abgebrannt, die später abgetragen wurden.<br />
<br />
In diesem Haus wohnten vorwiegend arme Leute: Arbeiter, Handwerker, Händler, Kriegsinvaliden und Rentner, darunter auch Juden und Zigeuner. Martha Prinz war unsere übernächste Nachbarin. Meine 1938 verstorbene Großmutter, Charlotte Hellmuth, hatte Kontakt zu ihr und da ihr die Armut von Frau Prinz bekannt war, hat sie ihr zuweilen von unserem Mitagessen, wenn etwas übrig war, abgegeben. Von meiner Mutter weiß ich auch, dass Frau Prinz Weihnachten Lebensmittelpakete erhielt. <br />
<br />
Wir Kinder begegneten Fräulein Prinz, wie sie, weil sie nicht verheiratet war, genannt wurde, auf dem gemeinsamen Flur, wenn sie dort, da die Wohnung selbst keine Wasserleitung und keinen Ausguss besaßen, Wasser holte. Mein kleinerer Bruder und ich grüßten sie schüchtern und sie erwiderte den Gruß ebenso schüchtern und leise. Sie war in meiner Erinnerun eine kleine, schlanke und zurückhaltende, äußerst bescheidene Frau. Als wir sie kennenlernten, war sie bereits Rentnerin.<br />
<br />
Früher war sie Arbeiterin und ab 1928 als Zettelverteilerin tätig. Rentnerin wurde sie 1932. Diese Angaben konnten wir alten Berliner Adressbüchern entnehmen, die leider nicht ganz verlässlich sind. Von Martha Prinz wissen wir nach Recherchen beim Landesarchiv Berlin, dem Brandenburgischen Landeshauptarchiv in Potsdam, dem Stadtarchiv und dem Standesamt in Frankfurt/Oder sowieden Berliner Adressbüchern: Sie wurde am 24. Februar 1880 in der Wohnung ihrer Eltern in der Richtstraße 35 in Frankfurt/Oder geboren. Ihr Vater, Louis Prinz, war Handelskaufmann, ihre Mutter Johanna eine geborene Zadock. 1904 zog die Familie Prinz in die Forststraße 2 um. Wie lange ihre Tochter bei ihnen in Frankfurt/Oder lebte, ist nicht zu ermitteln gewesen. Es besteht eine große Lücke bis zum Jahr 1919 etwa. Die Adressbücher nennen ihre Wohnadresse erst ab 1922. Da aus eigenen Familienunterlagen aber eindeutig hervorgeht, dass meine Großmutter schon 1919 dort wohnte, obwohl die Angaben auch hier 1922 lautet, ist diese Angabe offensichtlich falsch.<br />
<br />
Ab 1935 wird Frau Prinz in Berliner Adressbüchern überhaupt nicht mehr genannt, obwohl sie bis zu ihrer Deportation 1942 dort wohnte. Ich habe Martha Prinz im Oktober 1940. da war ich acht Jahre alt, das letzte Mal gesehen, weil ich in die Kinderlandverschickung musste. Als ich im Mai 1942 wieder in Berlin war, gab es Martha Prinz nicht mehr. Sie wurde am 19. Januar 1942, es war ein trüber Tag mit einer Temperatur von minus 12 Grad, in einem von Uniformierten bewachten LKW, wie mein damals siebenjähriger Bruder aus dem Fenster sehen konnte, verfrachtet.<br />
<br />
Aus den uns vom Brandenburgischen Landeshautarchiv in Potsdam übermittelten spärlichen Unterlagen der Vermögensverwertungsstelle geht hervor, dass die Auflösung ihres Haushalts den Nazis einen Wert von 11,76 Reichsmark einbrachte.<br />
<br />
Am 19. Januar 1942 wurden vom Bahnhof Grunewald 1002 Personen in gedeckten Güterwagen nach Riga transportiert. Am 23. Januar 1942 kam der Zug in Riga an. Aus diesem Transport haben nur 19 Menschen die Naziherrschaft überlebt. Martha Prinz war nicht dabei.

Bericht von Vera Gans über ihre Erinnerungen an Martha Prinz und die Recherchen im Rahmen der Stolpersteinverlegung im September 2009:

Am 14. September 2009 hat Gunter Demnig für Frau Martha Prinz vor ihrem ehemaligen Wohnhaus Inselstraße 10 in Berlin einen Stolperstein verlegt. Frau Prinz kannte ich noch als Kind. Mir war es wichtig, dass mit einem Stolperstein an sie und ihr Schicksal erinnert wird. Der Stein liegt heute vor der Inselstraße 11, da die Nr. 10 in absehbarer Zeit bebaut wird.

Martha Prinz lebte von etwa 1919 bis zum 19. Januar 1942 in einer winzigen Wohnung, die in einem Raum Wohnzimmer, Schlafstätte und Küche zugleich war und nur einen Kochherd als Heizungsmöglichkeit hatte.

Zu dieser Zeit war die Inselstraße eine recht belebte Straße mit vielen Geschäften und drei Kneipen, in denen die Schiffer der Spree verkehrten, mit regem Fahrzeugverkehr und einer bis nach Köpenick fahrenden Straßenbahn, einem Gymnasium und einer Fabrik.

Wenn man vor dem Haus stand, gehörte das vierte Fenster von links im 1. Stock zu ihrer Kochstube. Die Fenster im 1. Stock waren einfache Rundbogenfenster, die noch im Ersten Weltkrieg zu den Jannatschen Festsälen gehörten. Erst danach wurde das Haus umgebaut und im 1. Geschoß primitive Wohnungen errichtet. Das Haus Inselstraße 10 ist am 3. Februar 1945 infolge eines Brandbombeneinschlags im Nachbarhaus, der Garn- und Tapisseriefabrik Maas, vom übergreifenden Feuer bis auf die Grundmauer abgebrannt, die später abgetragen wurden.

In diesem Haus wohnten vorwiegend arme Leute: Arbeiter, Handwerker, Händler, Kriegsinvaliden und Rentner, darunter auch Juden und Zigeuner. Martha Prinz war unsere übernächste Nachbarin. Meine 1938 verstorbene Großmutter, Charlotte Hellmuth, hatte Kontakt zu ihr und da ihr die Armut von Frau Prinz bekannt war, hat sie ihr zuweilen von unserem Mitagessen, wenn etwas übrig war, abgegeben. Von meiner Mutter weiß ich auch, dass Frau Prinz Weihnachten Lebensmittelpakete erhielt.

Wir Kinder begegneten Fräulein Prinz, wie sie, weil sie nicht verheiratet war, genannt wurde, auf dem gemeinsamen Flur, wenn sie dort, da die Wohnung selbst keine Wasserleitung und keinen Ausguss besaßen, Wasser holte. Mein kleinerer Bruder und ich grüßten sie schüchtern und sie erwiderte den Gruß ebenso schüchtern und leise. Sie war in meiner Erinnerun eine kleine, schlanke und zurückhaltende, äußerst bescheidene Frau. Als wir sie kennenlernten, war sie bereits Rentnerin.

Früher war sie Arbeiterin und ab 1928 als Zettelverteilerin tätig. Rentnerin wurde sie 1932. Diese Angaben konnten wir alten Berliner Adressbüchern entnehmen, die leider nicht ganz verlässlich sind. Von Martha Prinz wissen wir nach Recherchen beim Landesarchiv Berlin, dem Brandenburgischen Landeshauptarchiv in Potsdam, dem Stadtarchiv und dem Standesamt in Frankfurt/Oder sowieden Berliner Adressbüchern: Sie wurde am 24. Februar 1880 in der Wohnung ihrer Eltern in der Richtstraße 35 in Frankfurt/Oder geboren. Ihr Vater, Louis Prinz, war Handelskaufmann, ihre Mutter Johanna eine geborene Zadock. 1904 zog die Familie Prinz in die Forststraße 2 um. Wie lange ihre Tochter bei ihnen in Frankfurt/Oder lebte, ist nicht zu ermitteln gewesen. Es besteht eine große Lücke bis zum Jahr 1919 etwa. Die Adressbücher nennen ihre Wohnadresse erst ab 1922. Da aus eigenen Familienunterlagen aber eindeutig hervorgeht, dass meine Großmutter schon 1919 dort wohnte, obwohl die Angaben auch hier 1922 lautet, ist diese Angabe offensichtlich falsch.

Ab 1935 wird Frau Prinz in Berliner Adressbüchern überhaupt nicht mehr genannt, obwohl sie bis zu ihrer Deportation 1942 dort wohnte. Ich habe Martha Prinz im Oktober 1940. da war ich acht Jahre alt, das letzte Mal gesehen, weil ich in die Kinderlandverschickung musste. Als ich im Mai 1942 wieder in Berlin war, gab es Martha Prinz nicht mehr. Sie wurde am 19. Januar 1942, es war ein trüber Tag mit einer Temperatur von minus 12 Grad, in einem von Uniformierten bewachten LKW, wie mein damals siebenjähriger Bruder aus dem Fenster sehen konnte, verfrachtet.

Aus den uns vom Brandenburgischen Landeshautarchiv in Potsdam übermittelten spärlichen Unterlagen der Vermögensverwertungsstelle geht hervor, dass die Auflösung ihres Haushalts den Nazis einen Wert von 11,76 Reichsmark einbrachte.

Am 19. Januar 1942 wurden vom Bahnhof Grunewald 1002 Personen in gedeckten Güterwagen nach Riga transportiert. Am 23. Januar 1942 kam der Zug in Riga an. Aus diesem Transport haben nur 19 Menschen die Naziherrschaft überlebt. Martha Prinz war nicht dabei.