Rosalie Aronsohn geb. Kniebel

Verlegeort
John-Sieg-Straße 1 -3
Historischer Name
Tasdorfer Straße 71
Bezirk/Ortsteil
Lichtenberg
Verlegedatum
2004
Geboren
21. Dezember 1880 in Schwersenz / Swarzędz
Flucht in den Tod
02. März 1943

Rosalie Kniebel wurde am 21. Dezember 1880 als Tochter von Hermann und Dorchen Kniebel in Schwersenz (heute: Swarzędz) im Kreis Posen geboren. Nach dem Ersten Weltkrieg siedelte sie nach Berlin über, wo sich auch vier ihrer fünf Geschwister niederließen. Ihre ältere Schwester Bertha (verheiratete Fränkel) wanderte in die USA aus. <br />
Bis zu ihrer Heirat wohnte Rosalie Kniebel in der Prenzlauer Straße (heute Teil der Karl-Liebknecht-Straße) in Berlin-Mitte und arbeitete als Buchhalterin. Im März 1920 heiratete sie den sieben Jahre älteren Max Aronsohn, Inhaber einer Lederhandlung, der aus dem westpreußischen Gollub stammte und ebenfalls nach dem Ersten Weltkrieg mit seinen Eltern und Geschwistern nach Berlin gekommen war. Im Jahr ihrer Heirat kaufte Max Aronsohn ein Haus in der Tasdorfer Straße 71 in Lichtenberg. Das Grundstück lag nahe der Frankfurter Allee im nördlichen Abschnitt der Straße, der heute nicht mehr existiert. Das Paar bezog dort eine Fünf-Zimmer-Wohnung und verlegte die Lederhandlung an den neuen Wohnsitz. Die übrigen zwölf Wohnungen wurden vermietet, es gab dort außerdem ein Kolonialwarengeschäft, betrieben von der Familie Kipphut. Eine der Remisen im Hinterhof sowie einen Pferdestall vermieteten Aronsohns an den Schlachter Sauermann. In einem weiteren Wirtschaftsgebäude hatte Hermann Girod eine Werkstatt, in der er Leuchtbuchstaben für die Firma Osram fertigte. <br />
Mit 43 Jahren brachte Rosalie Aronsohn am 9. August 1923 in der Frauenklinik des Berliner Krippenvereins in Schöneberg ihr einziges Kind Hans Alfred zur Welt. Ihren Sohn erzogen beide Eltern liberal, wenngleich Rosalie Aronsohn etwas strenger war als ihr Mann. Hans besuchte zweimal wöchentlich den jüdischen Religionsunterricht in der Scharnweberstraße, wodurch er häufiger am Gottesdienst teilnahm als seine Eltern, die nur an hohen Feiertagen in die Synagoge an der Frankfurter Allee gingen. Nach Beginn der nationalsozialistischen Herrschaft wurde Hans, der seit 1929 die Schule in der Pfarrstraße besuchte, von den anderen Kindern schikaniert. Einzig Gerhard Czerwonka, der mit seiner Familie ebenfalls in der Tasdorfer Straße 71 wohnte, hielt zu ihm. Rosalie und Max Aronsohn entschlossen sich, ihren Sohn von der Schule zu nehmen und meldeten ihn in der jüdischen Schule in der Kaiserstraße (heute Jacobystraße) an. <br />
Nachdem Rosalie Aronsohns jüngerer Bruder Max seine Wohnung verloren hatte, zog er mit seiner Frau Recha bei Aronsohns ein. Recha Kniebel gab später in ihrem Antrag auf Rückerstattung ihres geraubten Vermögens an, dass es sich um eine Zwangseinweisung gehandelt habe. Auch Martha Kniebel, eine ältere, unverheiratete Schwester von Rosalie Aronsohn, wohnte etwa ab 1938 mit in der Wohnung. <br />
Als die antisemitischen Repressalien immer unerträglicher wurden, plante Rosalie Aronsohn mit ihrer Familie, ihrer Schwester Bertha in die USA zu folgen. Bertha schickte Bürgschaften, sogenannte Affidavits, und kam auch persönlich nach Berlin. Aufgrund der nach Herkunftsland beschränkten Aufnahmequoten, gelang es nur für Rosalie Aronsohns Sohn die nötigen Einreisepapiere zu bekommen. Für die übrigen Familienangehörigen galt aufgrund ihrer Herkunft die polnische Quote, die längst ausgeschöpft war. Der damals 15-jährige Hans Aronsohn bestieg am 18. Oktober 1938 im Hamburger Hafen das Dampfschiff „Manhattan“, das ihn nach New York brachte. <br />
Ende des Jahres 1938 waren Aronsohns gezwungen, Haus und Geschäft zu verkaufen, sie blieben aber weiter in der Tasdorfer Straße 71 wohnen. Die nationalsozialistischen Behörden beschlagnahmten einen Großteil der Verkaufssumme. <br />
Max Aronsohn, der an Diabetes litt, starb am 9. Oktober 1940 mit 66 Jahren im jüdischen Krankenhaus. Anfang April 1942 wurde Rosalie Aronsohns Schwester Martha ins Warschauer Ghetto deportiert, wo sie zwei Tage später, angeblich aufgrund einer Lungenentzündung, ums Leben kam. Ein halbes Jahr darauf verhaftete die Gestapo auch ihren Bruder Max und ihre Schwägerin Recha. Beide wurden nach Theresienstadt und von dort zwei Jahre später nach Auschwitz deportiert. Max Kniebel wurde 1944 in Auschwitz ermordet, Recha Kniebel überlebte und wurde im Mai 1945 in Mauthausen befreit. Sie berichtete ihrem Neffen Hans später vom Tag ihrer Verhaftung im Oktober 1942. Als die Gestapo sie und ihren Mann in der Tasdorfer Straße abholte, wollte Rosalie Aronsohn nicht als einzige zurückbleiben und drängte darauf, ebenfalls mitgenommen zu werden. Da keine entsprechende Anweisung vorlag, wurde sie der bürokratischen Gründlichkeit der NS-Behörden entsprechend zurückgelassen. Die nächsten vier Monate verbrachte sie allein in der Wohnung. Zeitzeugen zufolge versorgte sie der Fleischer Skupin mit Lebensmitteln. Als sie schließlich die Mitteilung bekam, dass sie sich zur Deportation bereithalten sollte, nahm sich Rosalie Aronsohn am 2. März 1943 das Leben. Sie wurde auf dem jüdischen Friedhof in Weißensee beerdigt. <br />
Wenige Wochen später wurde ihr Sohn Hans Soldat der US Army. Der damals 19-Jährige lebte bei seiner Tante Bertha in New York und änderte seinen Namen im gleichen Jahr zu Harold H. Arent. Er war zunächst in Nordafrika stationiert und kam dann über Italien und Frankreich nach Deutschland. Es war ihm damals nicht möglich, nach Berlin zu reisen, um nach seinen Angehörigen zu forschen. Vom Schicksal seiner Mutter erfuhr er erst nachdem er im Dezember 1945 demobilisiert wurde.<br />

Rosalie Kniebel wurde am 21. Dezember 1880 als Tochter von Hermann und Dorchen Kniebel in Schwersenz (heute: Swarzędz) im Kreis Posen geboren. Nach dem Ersten Weltkrieg siedelte sie nach Berlin über, wo sich auch vier ihrer fünf Geschwister niederließen. Ihre ältere Schwester Bertha (verheiratete Fränkel) wanderte in die USA aus.
Bis zu ihrer Heirat wohnte Rosalie Kniebel in der Prenzlauer Straße (heute Teil der Karl-Liebknecht-Straße) in Berlin-Mitte und arbeitete als Buchhalterin. Im März 1920 heiratete sie den sieben Jahre älteren Max Aronsohn, Inhaber einer Lederhandlung, der aus dem westpreußischen Gollub stammte und ebenfalls nach dem Ersten Weltkrieg mit seinen Eltern und Geschwistern nach Berlin gekommen war. Im Jahr ihrer Heirat kaufte Max Aronsohn ein Haus in der Tasdorfer Straße 71 in Lichtenberg. Das Grundstück lag nahe der Frankfurter Allee im nördlichen Abschnitt der Straße, der heute nicht mehr existiert. Das Paar bezog dort eine Fünf-Zimmer-Wohnung und verlegte die Lederhandlung an den neuen Wohnsitz. Die übrigen zwölf Wohnungen wurden vermietet, es gab dort außerdem ein Kolonialwarengeschäft, betrieben von der Familie Kipphut. Eine der Remisen im Hinterhof sowie einen Pferdestall vermieteten Aronsohns an den Schlachter Sauermann. In einem weiteren Wirtschaftsgebäude hatte Hermann Girod eine Werkstatt, in der er Leuchtbuchstaben für die Firma Osram fertigte.
Mit 43 Jahren brachte Rosalie Aronsohn am 9. August 1923 in der Frauenklinik des Berliner Krippenvereins in Schöneberg ihr einziges Kind Hans Alfred zur Welt. Ihren Sohn erzogen beide Eltern liberal, wenngleich Rosalie Aronsohn etwas strenger war als ihr Mann. Hans besuchte zweimal wöchentlich den jüdischen Religionsunterricht in der Scharnweberstraße, wodurch er häufiger am Gottesdienst teilnahm als seine Eltern, die nur an hohen Feiertagen in die Synagoge an der Frankfurter Allee gingen. Nach Beginn der nationalsozialistischen Herrschaft wurde Hans, der seit 1929 die Schule in der Pfarrstraße besuchte, von den anderen Kindern schikaniert. Einzig Gerhard Czerwonka, der mit seiner Familie ebenfalls in der Tasdorfer Straße 71 wohnte, hielt zu ihm. Rosalie und Max Aronsohn entschlossen sich, ihren Sohn von der Schule zu nehmen und meldeten ihn in der jüdischen Schule in der Kaiserstraße (heute Jacobystraße) an.
Nachdem Rosalie Aronsohns jüngerer Bruder Max seine Wohnung verloren hatte, zog er mit seiner Frau Recha bei Aronsohns ein. Recha Kniebel gab später in ihrem Antrag auf Rückerstattung ihres geraubten Vermögens an, dass es sich um eine Zwangseinweisung gehandelt habe. Auch Martha Kniebel, eine ältere, unverheiratete Schwester von Rosalie Aronsohn, wohnte etwa ab 1938 mit in der Wohnung.
Als die antisemitischen Repressalien immer unerträglicher wurden, plante Rosalie Aronsohn mit ihrer Familie, ihrer Schwester Bertha in die USA zu folgen. Bertha schickte Bürgschaften, sogenannte Affidavits, und kam auch persönlich nach Berlin. Aufgrund der nach Herkunftsland beschränkten Aufnahmequoten, gelang es nur für Rosalie Aronsohns Sohn die nötigen Einreisepapiere zu bekommen. Für die übrigen Familienangehörigen galt aufgrund ihrer Herkunft die polnische Quote, die längst ausgeschöpft war. Der damals 15-jährige Hans Aronsohn bestieg am 18. Oktober 1938 im Hamburger Hafen das Dampfschiff „Manhattan“, das ihn nach New York brachte.
Ende des Jahres 1938 waren Aronsohns gezwungen, Haus und Geschäft zu verkaufen, sie blieben aber weiter in der Tasdorfer Straße 71 wohnen. Die nationalsozialistischen Behörden beschlagnahmten einen Großteil der Verkaufssumme.
Max Aronsohn, der an Diabetes litt, starb am 9. Oktober 1940 mit 66 Jahren im jüdischen Krankenhaus. Anfang April 1942 wurde Rosalie Aronsohns Schwester Martha ins Warschauer Ghetto deportiert, wo sie zwei Tage später, angeblich aufgrund einer Lungenentzündung, ums Leben kam. Ein halbes Jahr darauf verhaftete die Gestapo auch ihren Bruder Max und ihre Schwägerin Recha. Beide wurden nach Theresienstadt und von dort zwei Jahre später nach Auschwitz deportiert. Max Kniebel wurde 1944 in Auschwitz ermordet, Recha Kniebel überlebte und wurde im Mai 1945 in Mauthausen befreit. Sie berichtete ihrem Neffen Hans später vom Tag ihrer Verhaftung im Oktober 1942. Als die Gestapo sie und ihren Mann in der Tasdorfer Straße abholte, wollte Rosalie Aronsohn nicht als einzige zurückbleiben und drängte darauf, ebenfalls mitgenommen zu werden. Da keine entsprechende Anweisung vorlag, wurde sie der bürokratischen Gründlichkeit der NS-Behörden entsprechend zurückgelassen. Die nächsten vier Monate verbrachte sie allein in der Wohnung. Zeitzeugen zufolge versorgte sie der Fleischer Skupin mit Lebensmitteln. Als sie schließlich die Mitteilung bekam, dass sie sich zur Deportation bereithalten sollte, nahm sich Rosalie Aronsohn am 2. März 1943 das Leben. Sie wurde auf dem jüdischen Friedhof in Weißensee beerdigt.
Wenige Wochen später wurde ihr Sohn Hans Soldat der US Army. Der damals 19-Jährige lebte bei seiner Tante Bertha in New York und änderte seinen Namen im gleichen Jahr zu Harold H. Arent. Er war zunächst in Nordafrika stationiert und kam dann über Italien und Frankreich nach Deutschland. Es war ihm damals nicht möglich, nach Berlin zu reisen, um nach seinen Angehörigen zu forschen. Vom Schicksal seiner Mutter erfuhr er erst nachdem er im Dezember 1945 demobilisiert wurde.