Ignatz Neumann

Verlegeort
Keithstraße 15
Historischer Name
Lutherstraße 3
Bezirk/Ortsteil
Schöneberg
Verlegedatum
22. Oktober 2021
Geboren
01. Januar 1887 in Tarnow (Galizien) / Tarnów
Beruf
Kaufmann
Deportation
am 12. Januar 1943 von Regensburger Straße 14 a, Berlin-Schöneberg nach Auschwitz
Ermordet
in Auschwitz
Biografie

Ignatz Jakob Neumann ist am 1. Januar 1887 in Tarnów in Galizien geboren. Galizien gehörte damals zur Habsburger Monarchie; heute gehört dieser Teil zu Polen.

Ignatz’ Eltern waren Wolf (Leo) Neumann und Keila (Caroline) Neumann, geb. Nusen. Ignatz besucht das Gymnasium und schließt die Schule mit dem Reifezeugnis ab. 

Wie er aufwuchs, wie das Judentum in der Familie gelebt wurde, welchen Beruf der Vater ausübte, ob Ignatz Geschwister hatte – ist nicht bekannt. 

1918 – kurz vor Ende des 1. Weltkrieges- heiraten er und Charlotte Worrmann. Das Paar bekommt zwei Kinder: Fritz Leo, geb. 31. Juli 1919 und Gerda, geb. 11. Februar 1922. Die Familie Neumann wohnt bis 1934 in der Lippehner Straße 33 (heute Käthe-Niederkirchner-Straße 33, Berlin-Pankow). 1936 zieht sie nach Schöneberg in die Lutherstraße 3. (1) 

Ignatz Neumann war Kaufmann von Beruf. In seinem Einbürgerungsantrag vom 30. Juni 1928 steht unter Beruf: Expedient; in den Jüdischen und Berliner Adressbüchern findet sich später die allgemeine Berufsbezeichnung Kaufmann. 

Ignatz‘ Sohn Fritz schreibt im Entschädigungsantrag, sein Vater habe in der Weinhandlung E.(manuel) Hahn in der Markgrafenstraße 8 gearbeitet. Das Geschäft hatte einen jüdischen Inhaber. Nach den Novemberpogromen 1938 sei in das Geschäft eingebrochen und sein Vater habe nicht weiter beschäftigt werden können. 

Gerda, Ignatz’ Tochter, gibt in einem Schreiben zum Entschädigungsantrag an, dass ihr Vater bei einer Firma Liemann arbeitete. (2) 

Ignatz wechselte später in das Weinlokal „Casanova“ im Hause der „Scala“ in der Lutherstraße (damals Lutherstraße 22-24, heute Martin-Luther-Straße 14-18). (3) 

In der Entschädigungsakte befindet sich ein Dokument, dem zu entnehmen ist, dass Ignatz vor seiner Deportation Zwangsarbeit leisten musste. Aus dem Dokument geht hervor, dass den Eheleuten Ignatz und Charlotte Neumann seitens der Siemens & Schuckert Werke (4) noch ein Lohn in der Höhe von 23,02 RM zugestanden hätte. 

Ignatz hatte am 30. Juni 1928 einen Antrag auf Einbürgerung in Preußen beim Polizeipräsidenten in Berlin gestellt. Zu diesem Zeitpunkt waren seine Eltern in Tarnów bereits beide verstorben. 

Ein Beamter befürwortet am 13. Juli 1928 den Antrag mit folgenden Worten: 

Der Antragsteller sei mit einer geborenen Preußin verheiratet. Aus der Ehe seien zwei Kinder hervorgegangen, die „im deutschen Sinne erzogen werden“. An der deutschen Gesinnung des Antragstellers sei nicht zu zweifeln. Er unterhalte keine „dem Deutschtum abträgliche Beziehungen nach Polen“. Ignatz Neumann entspreche „somit den Anforderungen, die an einen Einzubürgernden in staatsbürgerlicher, kultureller und wirtschaftlicher Hinsicht zu stellen sind und wird als ein erwünschter Bevölkerungszuwachs gesehen.“ 

Nicht einmal sieben Jahre später wird Ignatz Neumann mit Wirkung vom 9. März 1935 auf Grundlage des „Gesetzes über den Widerruf von Einbürgerungen und die Aberkennung der deutschen Staatsangehörigkeit vom 14. Juli 1933“ ausgebürgert. 

Mit ihm wird die gesamte Familie staatenlos. 

Die Kinder Fritz und Gerda flüchten 1938 aus Deutschland: Fritz im Sommer 1938 nach Dänemark, Gerda wandert kurz vor den Novemberpogromen mit einer Jugendgruppe nach Palästina aus.

Das Gesetz zur Einschränkung des Mieterschutzes und der freien Wohnungswahl für Juden Ende April 1939 trifft auch Ignatz und Charlotte. Im Laufe des Jahres 1941 werden sie dazu gezwungen, ihre Wohnung zu verlassen und in der Regensburger Straße 14 a ein Zimmer zu beziehen. Alle ihre Möbel und Haushaltsgegenstände werden „verschleudert“, d.h. erheblich unter Wert versteigert oder verkauft. 

Ab 1941 gibt es unter dem Namen Ignatz Neumann keinen Eintrag mehr in den Berliner Adressbüchern.

Gerda erhält die letzte Nachricht von ihren Eltern im Oktober 1941 durch das Rote Kreuz. Damals hätten ihre Eltern schon nicht mehr in der Keithstraße gewohnt. Es habe nach einem endgültigen Abschied geklungen. 

Am 12. Januar 1943 werden Charlotte und Ignatz Neumann mit dem 26. Osttransport von der Regensburger Straße 14 a aus nach Auschwitz deportiert und dort ermordet. 

Fußnoten:

  1. Dieser Teil der Lutherstraße, zwischen Kurfürsten- und Kleiststraße, wird 1939 in Keithstraße umbenannt.
  2. Leo Liemann stammte ebenfalls aus Tarnów, wurde dort am 15.8.1886 geboren. Ignatz und Leo hatten also fast dasselbe Alter, und es ist nicht ausgeschlossen, dass sich die beiden aus Tarnów kannten. Auch Leo Liemann wurde im Holocaust ermordet.
  3. Die „Scala“ hatte sich in den „Goldenen Zwanzigern“ als international bekanntes Revue- und Varieté-Theater etabliert und besaß einen legendären Ruf. Es wurde 1937 arisiert und 1943 durch Bomben zerstört. 
  4. Siemens hat von allen Großkonzernen am frühesten und extensivsten Zwangsarbeiter angefordert und eingesetzt. Quelle: Tanja von Fransecky, Zwangsarbeit in der Berliner Metallindustrie 1939 bis 1945, Eine Studie im Auftrag der Otto-Brenner-Stiftung, Arbeitsheft Nr. 31, Berlin, März 2003.