Georg Abrahamsohn

Verlegeort
Knaackstr. 53
Historischer Name
Treskowstr. 14
Bezirk/Ortsteil
Prenzlauer Berg
Verlegedatum
23. September 2024
Geboren
20. Februar 1882 in Berent (Westpreußen) / Kościerzyna
Beruf
Pressvergolder
Verhaftet
17. Februar 1943 bis 29. Juli 1943 in Berlin
Deportation
am 29. Juli 1943 nach KZ Buchenwald
Ermordet
03. August 1943 in KZ Buchenwald

Georg Abrahamsohn (1882-1943)


Georg Abrahamsohn wird am 20.02.1882 in Berent, einer kleinen Stadt in Pommern, die heute Kościerzyna heißt, in eine jüdische Familie geboren. Sein Vater Isidor Abrahamsohn ist Schneider und wohnt in der dortigen Langgasse 3. Er hat nach dem frühen Tod seiner ersten Frau noch einmal geheiratet. Klara Genendel DORN stammt ebenfalls aus Berent und wohnt bis zu ihrer Heirat zusammen mit ihrer Mutter Ester in der gleichen Gasse nur wenige Häuser entfernt. Der Witwer Isidor Abrahamsohn bringt zwei kleine Kinder mit in seine zweite Ehe, so dass mit Leo und Klara schon Geschwister da sind, als Georg und seine zwei Jahre ältere Schwester Hedwig Hulda in Berent zur Welt kommen. Wie viele jener Zeit zieht es auch die Abrahamsohns aus der ländlichen Provinz in die Metropole Berlin. Und so wohnt die siebenköpfige Familie ab 1888 zunächst im 1. Stock der Dragonerstraße 47. Georgs Vater hat Arbeit als Zuschneider gefunden und ist ab 1897 als Schneidermeister, jedoch ohne eigene Werkstatt im Berliner Adressbuch als Haushaltsvorstand eingetragen.


Georg erlernt den Beruf des Pressvergolders, seine älteren Geschwister verlassen die elterliche Wohnung. Seine Halbschwester Klara, von Beruf Verkäuferin, heiratet 1896 Julius Herzberg. Leo wird Stenograph, später Bücherrevisor. Nach dem Tod des Vaters Isidor im Jahr 1898 wird Leo als ältester Sohn Haushaltsvorstand in der ab 1895 bezogenen elterlichen Wohnung im 3. Stock der Linienstr. 36. Hedwig Hulda lebt zeitweilig in Russland und heiratet als Geschäftsführerin 1909 Wilhelm Loew. Das junge Paar lebt kurzzeitig in der Treskowstr. 14, in der die verwitwete Mutter der Geschwister Abrahamsohn ab 1913 ebenfalls gemeldet ist. Wahrscheinlich lebt auch Georg hier, der als Soldat im 1. Weltkrieg eingezogen und verwundet wird. Er kehrt als Kriegsversehrter nach Berlin zurück. Seinen erlernten Beruf kann Georg nicht mehr ausüben, vielleicht zwingt ihn aber auch die hohe Arbeitslosigkeit zur Aufnahme einer anderen Tätigkeit. Er findet Arbeit als Postgehilfe und heiratet am 04. Juni 1919 die in Neukölln lebende Verkäuferin Mathilde Greiling. Sein Halbbruder Leo wird Trauzeuge. Mathilde zieht zu Georg Abrahamsohn und seiner Mutter in die Treskowstr. 14 und ist auch nach ihrer Heirat berufstätig.


Mit der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten beginnt für Georg Abrahamsohn eine Zeit der zunehmenden Entrechtung. Zwar übersteht er zunächst die durch die Nationalsozialisten angeordnete Entlassung aller jüdischen Staatsbediensteten im Jahr 1933, vielleicht weil er Veteran des 1. Weltkriegs ist. Mit Inkrafttreten der Nürnberger Rassegesetze 1936 wird er fristlos aus dem Postdienst entlassen, auch wenn er in den Berliner Adressbüchern von 1934 bis 1942 weiterhin als Postbeamter geführt wird. Seine Frau kommt nun vollständig für den Lebensunterhalt des Paares auf. Georg findet kurzfristig Arbeit als Geschäftsbote in einer Fabrik, die Regenmäntel herstellt. Vermutlich handelt es sich um das Unternehmen Iveline-Sport-Mäntel Hugo Levi in der Markgrafenstr. 52. Doch Ende 1938 ist auch damit Schluss, das Unternehmen wird nach der Reichspogromnacht vom 09.11.1938 liquidiert, der jüdische Inhaber zwangsenteignet. Georg ist wieder unverschuldet arbeitslos und zudem weiteren Repressalien ausgesetzt: Er muss den gelben Stern tragen, den Zwangsnamen Israel annehmen, darf nur noch zu bestimmten Zeiten die Wohnung verlassen, ganz zu schweigen vom Ausschluss aus dem gesellschaftlichen Leben. Die nach rassischen Merkmalen durchgeführte Volkszählung vom Mai 1939 erfasst ihn nun endgültig als Juden.


Der Überfall auf Polen durch Nazi-Deutschland und der sich anschließende 2. Weltkrieg verschlechtert Georgs wirtschaftliche Lage zusätzlich. Als Jude wird sein Bezug von Lebensmittelkarten eingeschränkt, der Zugang zu Luftschutzbunkern ist ihm bei den zunehmenden Luftangriffen auf Berlin ebenso verwehrt. Trotzdem versucht Georg Abrahamsohn sein Leben einzurichten, von den beginnenden Deportationen der jüdischen Bevölkerung bleibt er zunächst verschont. Er besucht sogar das Kino trotz der Gefahr jederzeit denunziert zu werden. Und dann passiert es doch: Am 17.02.1943 wird Georg in den Prater-Lichtspielen in der Kastanienallee mitten im Vorstellungsbetrieb verraten und verhaftet.
Vielleicht war es eine der letzten Vorstellungen überhaupt, denn nur einen Tag später, nach Goebbels berüchtigter Sportpalastrede und Aufruf zum totalen Krieg schließen die meisten Kinos und Theater ihre Tore.


Man bringt Georg zunächst in das Polizeipräsidium am Alexanderplatz, nur sporadisch wird ihm Kontakt zu seiner Ehefrau gewährt, die ihn besucht. Wahrscheinlich wird er aber im Gestapo-Gefängnis Prinz-Abrecht-Palais gefangen gehalten, ohne Anklage oder Gerichtsprozess, als sogenannter Schutzhäftling, über fünf Monate lang. Warum hält man ihn so lange fest, während zeitgleich die Deportationszüge regelmäßig nach Auschwitz rollen? Weshalb wird er verhört, gefoltert? Was will man über ihn in Erfahrung bringen? Vermutet man in ihm ein Mitglied des Widerstands.


Schließlich wird Georg am 29.07.1943 in das KZ Buchenwald deportiert und sofort dem dortigen Krankenbau mit der Nummer 17 überstellt. Die noch erhaltene Häftlingskarte führt ihn als politischen Häftling, mit dem einfachen roten Winkel, vermerkt auch eine Verkrüppelung der rechten Hand. Die Karteikarte seiner Mörder gibt auch die wenigen erhaltenen persönlichen Details preis: seine Körpergröße von 1,65 m, seine Augenfarbe, sein schmal geschnittenes Gesicht, ergraute Haare, dass er Brillenträger ist. Seine Unterschrift, mit der er die Verwahrung seiner wenigen noch verbliebenen Sachen dokumentieren muss, ist verglichen mit dem Schriftzug wenige Jahre zuvor kaum noch lesbar. Seine Zähne, lückenhaft. Sind dies Zeichen der fortgesetzten Folter im Gestapo-Gefängnis? Der vermutlich schwer kranke und verletzte Georg Abrahamsohn überlebt nur wenige Tage und stirbt am frühen Morgen des 03.08.1943, angeblich an Herzversagen, zusammen und fast zweitgleich mit anderen Häftlingen der Krankenbaracke. Unter welchen Umständen? Man wird es nicht mehr erfahren. Seine Habseligkeiten sowie den Betrag von 2 Reichsmark und 76 Pfennigen erhält seine Ehefrau mit der lapidaren Nachricht seines Todes auf dem örtlichen Polizeirevier ausgehändigt. Erst im Januar 1944 wird Mathilde Abrahamsohn nach mehrmaliger Aufforderung eine Sterbeurkunde ihres Mannes vom Standesamt Weimar ausgestellt. Das Haus in der Treskowstr. 14 ist zu diesem Zeitpunkt bereits durch einen Luftangriff im November 1943 völlig zerstört worden.


Der Stolperstein erinnert an die Stelle, als Georg Abrahamsohn das letzte Mal seine Wohnung freiwillig verließ – auf dem Weg ins Kino.


Quellen:
- Brandenburgisches Landeshauptarchiv, Signatur 401RdBPDM, Nr. VdN4083, VdN5713
- Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde, R1509_KARTEI_Haushalt Abrahamsohn
- Arolsen Archives
Signatur 801263: DocID 5281956
Signatur 01010503 001.001.379: DocID 5405738-5405749
Signatur 23120001 001: DocID 130409291
- National Archives and Records Administration, Aufzeichnungen zu deutschen Konzentrationslagern, 1946-1958
- Gedenkbuch des Bundesarchivs, https://www.bundesarchiv.de/gedenk…
- Digitale Landesbibliothek Berlin, Berliner Adressbücher
- Deutsche Verlustlisten, 1962. Ausgabe, 18.06.1818
- StA Berent, Heiraten, Nr. 14/1879 (Archivum Paṅstwowe w Gdaṅsku)
- StA Berlin, Heiraten, Nr. 583/1896
- StA Berlin, Sterbefälle, Nr. 1715/1898
- StA Berlin, Heiraten, Nr. 307/1909
- StA Neukölln, Heiraten, Nr. 355/1919
- StA Berlin, Sterbefälle, Nr. 117/1927
- Jewish Business in Berlin, http://www2.hu-berlin.de/djgb/publ…