Else Kleitke geb. Rosenthal

Verlegeort
Kopischstr. 2
Bezirk/Ortsteil
Kreuzberg
Verlegedatum
30. Juli 2005
Geboren
04. Dezember 1887 in Breslau (Schlesien) / Wrocław
Beruf
Kontoristin
Deportation
am 19. Oktober 1942 nach Riga
Ermordet
22. Oktober 1942 in Riga

Ansprache zur Stolperstein-Einweihung am 5. August 2005: <br />
<br />
Das einzige Zeugnis von diesem Menschen - Else Kleitke, geborene Rosenthal - ist eine dünne Akte von der Oberfinanzdirektion Berlin aus der Zeit von 1942/1943. Die Akte enthält einen mehrseitigen Fragebogen zu ihrem Vermögen, aus dem auch eine ganz kleine Information zu ihrer Person zu entnehmen ist.<br />
<br />
Else Kleitke ist am 4.12.1887 in Breslau geboren. Bis 1935 arbeitete sie als Kontoristin. Sie war verwitwet. Da nach den 1935 erlassenen Nürnberger Gesetzen Juden nicht mehr arbeiten durften und in sog. Judenhäusern wohnen mussten, ist Else Kleitke in dieser Zeit bis 1939 in dieses Haus gezogen. Nach den Unterlagen der Volkszählung 1939 wohnte sie hier.<br />
<br />
Den umfangreichen Fragebogen zu ihrem Vermögen hat sie ganz sicher sehr schnell beantworten können. Bei allen Fragen nach Häusern, Schmuck, Sparkonten hat sie nur Striche gemacht oder nicht vorhanden geschrieben. Ihr ganzes Vermögen befand sich in diesem Haus in der Kopischstraße, in einer Kochstube. Ihr Haushalt für eine Person bestand aus einem Bett, einem Schrank, einer Kommode, Küchentisch und Küchenstühlen. An Kleidung, schreibt sie, ist nur vorhanden, was sie zum Transport mitnehmen kann. Für ihren Lebensunterhalt hat sie eine Reichsversicherungsrente erhalten - der Rentenausweis wird laut Vermerk eingezogen. In ihrer schönen, klaren Kontoristinnen-Handschrift hat sie am Ende des Bogens die Erklärung unterschrieben: Ich erkläre ausdrücklich, dass ich meine vorstehenden Angaben nach bestem Wissen gemacht und keine Vermögenswerte verschwiegen habe. Ich bin mir bewusst, dass falsche oder unvollständige Angaben geahndet werden. Das hat sie am 14.10.1942 unterschrieben. Zwei Monate vor ihrem 55. Geburtstag. 5 Tage später, am 19.10.1942, wird sie mit dem 21. Transport nach Riga deportiert, das Gedenkbuch vermerkt Riga als ihren Sterbeort und als Schicksal verschollen. Tief betroffen habe ich in der Akte weitergelesen - wie alltäglich muss damals das Auslöschen eines Menschen gewesen sein.<br />
<br />
In einem Vermerk lese ich: Die Wohnung wurde am 9.1.1943 geräumt, es waren nur die angegebenen Gegenstände vorhanden. Danach ist der Antrag des Vermieters an die Oberfinanzdirektion abgeheftet. Er beantragt für die Monate Oktober, November und Dezember 1942 60 RM Miete aus der Staatskasse für die unbewohnte Kochstube. Im handschriftlichen Antwortschreiben der Oberfinanzdirektion steht: Die Jüdin ist erst Mitte Oktober 1942 abgeschoben worden, die Oktobermiete hätten sie von ihr einziehen können. Da kein Vermögen von der Jüdin vorhanden ist, wird aus der Staatskasse die Miete für November/Dezember über 40 RM angewiesen.

Ansprache zur Stolperstein-Einweihung am 5. August 2005:

Das einzige Zeugnis von diesem Menschen - Else Kleitke, geborene Rosenthal - ist eine dünne Akte von der Oberfinanzdirektion Berlin aus der Zeit von 1942/1943. Die Akte enthält einen mehrseitigen Fragebogen zu ihrem Vermögen, aus dem auch eine ganz kleine Information zu ihrer Person zu entnehmen ist.

Else Kleitke ist am 4.12.1887 in Breslau geboren. Bis 1935 arbeitete sie als Kontoristin. Sie war verwitwet. Da nach den 1935 erlassenen Nürnberger Gesetzen Juden nicht mehr arbeiten durften und in sog. Judenhäusern wohnen mussten, ist Else Kleitke in dieser Zeit bis 1939 in dieses Haus gezogen. Nach den Unterlagen der Volkszählung 1939 wohnte sie hier.

Den umfangreichen Fragebogen zu ihrem Vermögen hat sie ganz sicher sehr schnell beantworten können. Bei allen Fragen nach Häusern, Schmuck, Sparkonten hat sie nur Striche gemacht oder nicht vorhanden geschrieben. Ihr ganzes Vermögen befand sich in diesem Haus in der Kopischstraße, in einer Kochstube. Ihr Haushalt für eine Person bestand aus einem Bett, einem Schrank, einer Kommode, Küchentisch und Küchenstühlen. An Kleidung, schreibt sie, ist nur vorhanden, was sie zum Transport mitnehmen kann. Für ihren Lebensunterhalt hat sie eine Reichsversicherungsrente erhalten - der Rentenausweis wird laut Vermerk eingezogen. In ihrer schönen, klaren Kontoristinnen-Handschrift hat sie am Ende des Bogens die Erklärung unterschrieben: Ich erkläre ausdrücklich, dass ich meine vorstehenden Angaben nach bestem Wissen gemacht und keine Vermögenswerte verschwiegen habe. Ich bin mir bewusst, dass falsche oder unvollständige Angaben geahndet werden. Das hat sie am 14.10.1942 unterschrieben. Zwei Monate vor ihrem 55. Geburtstag. 5 Tage später, am 19.10.1942, wird sie mit dem 21. Transport nach Riga deportiert, das Gedenkbuch vermerkt Riga als ihren Sterbeort und als Schicksal verschollen. Tief betroffen habe ich in der Akte weitergelesen - wie alltäglich muss damals das Auslöschen eines Menschen gewesen sein.

In einem Vermerk lese ich: Die Wohnung wurde am 9.1.1943 geräumt, es waren nur die angegebenen Gegenstände vorhanden. Danach ist der Antrag des Vermieters an die Oberfinanzdirektion abgeheftet. Er beantragt für die Monate Oktober, November und Dezember 1942 60 RM Miete aus der Staatskasse für die unbewohnte Kochstube. Im handschriftlichen Antwortschreiben der Oberfinanzdirektion steht: Die Jüdin ist erst Mitte Oktober 1942 abgeschoben worden, die Oktobermiete hätten sie von ihr einziehen können. Da kein Vermögen von der Jüdin vorhanden ist, wird aus der Staatskasse die Miete für November/Dezember über 40 RM angewiesen.