Leopold Guthmann

Verlegeort
Lemkestr. 156
Bezirk/Ortsteil
Mahlsdorf
Verlegedatum
28. März 2013
Geboren
02. September 1925 in Berlin
Deportation
am 03. April 1943 nach Auschwitz
Überlebt

Leopold Guthmann wurde am 2. September 1925 in Berlin geboren. Seine Mutter Charlotte Guthmann (geborene Weil) stammte aus Budapest und war gelernte Korsettschneiderin. Sein Vater Otto Guthmann war Besitzer einer kleinen Druckerei. Er benannte Leopold nach seinem Bruder, der als Soldat im Ersten Weltkrieg umgekommen war. Leopold war das zweitälteste von fünf Kindern. Seine Brüder Bernhard und Hans wurden 1924 und 1927 geboren, seine Schwestern Eva und Maria 1928 und 1937.<br />
<br />
Seine ersten Lebensjahre verbrachte Leopold in Kreuzberg, wo er mit seinen Eltern und Geschwistern in der Halleschen Straße 21 in der Nähe des Anhalter Bahnhofs wohnte. In der Weltwirtschaftskrise musste sein Vater die Druckerei aufgeben, fand aber eine Stelle als Materialverwalter bei dem großen jüdischen Bauunternehmen Jacobowitz und die Familie zog Anfang der 1930er Jahre nach Lichtenberg in die Bornitzstraße 41a. <br />
<br />
Ostern 1931 wurde Leopold mit fünfeinhalb Jahren in der Schule am Roederplatz eingeschult. Jeden Sabbat besuchte er mit seiner Familie den Gottesdienst in der Synagoge an der Frankfurter Allee. Beim Tennisclub Grün-Weiß in der Bornitzstraße war Leopold Balljunge, bis die Turn- und Sportvereine kurz nach der Machtübertragung an die Nationalsozialisten mit der Ausgrenzung jüdischer Mitglieder begannen.<br />
<br />
Leopolds Vater wurde erneut arbeitslos, da sein jüdischer Arbeitgeber emigrierte und die Baufirma aufgelöst wurde. Eine Verwandte, die ebenfalls auswanderte, überließ der Familie ein Grundstück in der Lemkestraße 156 in Mahlsdorf. Dort baute Leopolds Vater ein Haus, in das die Familie Mitte der 1930er Jahre einzog. Leopolds Eltern gründeten einen landwirtschaftlichen Betrieb mit einer kleinen Schafzucht und bewirtschafteten auch das gegenüberliegende Pachtgrundstück. <br />
<br />
In der Hönower Straße bei Familie Holz bekamen Leopold und seine Geschwister jüdischen Religionsunterricht. Da alle Synagogen bereits geschlossen worden waren, wurde Leopolds Bar Mitzwa heimlich im jüdischen Krankenhaus gefeiert. Bis 1938 besuchte er die Volksschule in Mahlsdorf, von der nach den Novemberpogromen alle jüdischen Kinder verwiesen wurden. Mit seiner Schwester Eva und seinem Bruder Hans musste er zur jüdischen Schule in der Kaiserstraße (heute Jacobystraße) nahe dem Alexanderplatz wechseln. <br />
<br />
An die Mahlsdorfer Nachbarschaft hatte Leopold Guthmann später überwiegend gute Erinnerungen. Die Verkäuferin eines Geschäfts an der Kieler Straße half der Familie mit Lebensmitteln aus. Ein in der Nähe wohnender Fuhrunternehmer unterstützte sie ebenfalls und bot Leopold Arbeit an. Während der Novemberpogrome 1938 wehrte ein anderer Nachbar einen Überfall von Nationalsozialisten ab, indem er das Grundstück bewachte, sich den Angreifern in den Weg stellte und sie schließlich vertrieb.<br />
<br />
1939 schloss Leopold die Schule ab und begann eine Maurerlehre bei der internationalen jüdischen Gesellschaft für handwerkliche und landwirtschaftliche Arbeit ORT (Organisation – Reconstruction – Training) in der Fruchtstraße (heute Straße der Pariser Kommune in Friedrichshain). <br />
<br />
Die Familie plante, nach Südamerika zu emigrieren. Leopolds Vater stand mit dem bolivianischen Konsulat in Kontakt und hatte bereits Geld für die Auswanderung gezahlt, aber der Plan scheiterte.<br />
<br />
Seine Lehre konnte Leopold nicht abschließen, da er – wie seine Brüder und sein Vater – zur Zwangsarbeit verpflichtet wurde. Anfangs wurde er als Kohlentrimmer bei den Weser-Flugzeugwerken Tempelhof zu körperlicher Schwerstarbeit gezwungen. Ab Mitte 1942 musste er dann Zwangsarbeit bei den Kodak-Werken in Köpenick leisten. <br />
<br />
Anfang September 1942 wurde Leopold Guthmanns damals 18-jähriger Bruder Berthold verhaftet. Er wurde verdächtigt, an Widerstandsaktionen beteiligt gewesen zu sein. Berthold wurde am 5. September nach Riga deportiert und von dort weiter ins KZ Stutthof, bevor er im August 1944 nach Buchenwald kam. Er starb im März 1945, wenige Wochen vor der Befreiung, im Außenlager Rehmsdorf.<br />
<br />
Knapp fünf Monate nach der Deportation von Berthold wurden Leopold Guthmann, sein Vater und sein Bruder Hans am 27. Februar 1943 bei der sogenannten Fabrikaktion an ihren Arbeitsstellen verhaftet. Leopold kam in das Sammellager „Clou“ in der Zimmerstraße, Ecke Mauerstraße, eine ehemalige Markthalle, in der sich bis Ende der 1930er Jahre das damals größte Vergnügungslokal Berlins befunden hatte. Am 3. März 1943, einen Tag nach seinem Bruder Hans und einen Tag vor seinen Eltern und Schwestern, wurde Leopold mit dem 33. Osttransport nach Auschwitz deportiert. Von den 1750 Männern, Frauen und Kindern, die sich auf dem Transport befanden, wurden 1033 nach der Ankunft am 4. März in den Gaskammern ermordet. Leopold befand sich unter den restlichen 517, die als Arbeitssklaven in das Lager eingewiesen wurden. Er bekam die Häftlingsnummer 105946. <br />
<br />
Wie sein Bruder Hans kam Leopold nach Monowitz ins Lager Buna der IG Farben. Er sah Hans dort noch ein einziges Mal. Über das Schicksal seines Vaters gab Leopold später an, dass er ebenfalls nach Monowitz gekommen sei. <br />
<br />
Leopold überlebte als einziger. Mehr als zwanzig seiner Familienangehörigen, darunter seine Eltern und Geschwister, wurden von den Nationalsozialisten ermordet. Ihre Todesdaten sind nicht bekannt, es ist aber davon auszugehen, dass seine Mutter, die fünfjährige Maria und die 14-jährige Eva unmittelbar nach ihrer Ankunft in Auschwitz am 6. März 1943 in den Gaskammern ermordet wurden.<br />
<br />
In Monowitz wurde Leopold Guthmann von der SS zweimal zu jeweils 25 Stockschlägen verurteilt und so schwer verprügelt, dass er zusammenbrach. Durch die Schwerstarbeit in Kälte und Schnee ohne ausreichende Kleidung erkrankte er an einer Lungenentzündung. Im Mai 1943 wurde er gezwungen, einen Lastwagen voller toter Häftlinge zu besteigen. Für die 1995 erschienene Publikation „Juden in Lichtenberg“ schilderte er seine entsetzlichen Erlebnisse: „Zuerst wurden die Toten eingeladen, die Häftlingsnummer auf die Brust geschmiert, alle nackt. Auch mir zog man die Häftlingskleidung aus, und ich musste während des Transports auf den nackten Leichen sitzen, selbst nackt und bestimmt fürs Krematorium. Ich weiß nicht wie ich dort entwich und im Krankenbau von Auschwitz landete.“ <br />
<br />
Da er im Krankenbau miterlebte, dass die Schwächsten jeden Tag fortgebracht wurden, meldete er sich trotz hohen Fiebers zur Arbeit. Ungefähr Ende November 1943 kam er zum Arbeitseinsatz in die Kohlegruben von Jaworzno. Als die Rote Armee näher rückte, wurde er Anfang 1945 evakuiert. Den Todesmarsch von 4000 Häftlingen, die von der SS wochenlang durch das Grenzgebiet zwischen Polen, der Tschechoslowakei und dem Deutschen Reich getrieben wurden, überlebten nur einige wenige. Wer vor Hunger und Schwäche zusammenbrach, wurde von SS-Männern erschossen. Der Marsch endete im KZ Groß-Rosen, wo Leopold Guthmann in einen offenen Viehwaggon geladen wurde. In Weimar, so erinnerte er sich später, wurde der Zug von der US-Luftwaffe angegriffen, Waggons wurden getroffen, „Gleise stellten sich wie Laternenpfähle in die Luft“. Wer während des Angriffs zu fliehen versuchte, wurde in einem anschließenden Großeinsatz von Polizei, Feuerwehr und Wehrmachtssoldaten aufgespürt.<br />
<br />
Mitte Februar 1945 kam Leopold Guthmann im KZ Buchenwald an. Dass sein seit August 1944 dort inhaftierter Bruder Berthold zu diesem Zeitpunkt noch am Leben gewesen ist und sich ganz in seiner Nähe befunden hat, erfuhr Leopold Guthmann erst Jahrzehnte später. <br />
<br />
Am 14. März 1945 kam Leopold Guthmann ins Außenlager Altenburg, das sich auf dem Gelände der Munitionsfabrik Hugo Schneider AG befand. Vier Wochen später wurde er von der SS auf einen erneuten Todesmarsch Richtung Waldenburg geschickt. Am folgenden Tag wurde er von amerikanischen Soldaten befreit. <br />
<br />
Nach der Befreiung wollte Leopold Guthmann eigentlich nach Palästina gehen, stattdessen wurde er von einem US-Offizier nach Belgien geschickt. Dort lebte er zunächst in einer Unterkunft der jüdischen Hilfsorganisation Joint Distribution Committee. <br />
<br />
Von einem ehemaligen Nachbarn, zu dem er Kontakt aufnahm, erfuhr Leopold Guthmann, dass sein Elternhaus nach ihrer Deportation geplündert und im März 1943 durch einen Luftangriff zerstört worden sei. Das Grundstück in der Lemkestraße 156, auf dem sich das Haus befunden hatte, wurde 1967 enteignet. Es ist heute Teil des Mahlsdorfer Friedhofs. <br />
<br />
In Belgien lernte Leopold Guthmann das Kürschnerhandwerk und arbeitete als Gehilfe in diesem Gewerbe. 1948 meldete er sich als Freiwilliger bei der israelischen Armee und nahm als Marinesoldat am Unabhängigkeitskrieg teil. Er blieb bis 1951 in Israel und lernte dort seine spätere Ehefrau Sina Berkowitz kennen, die 1934 in Kiew geboren worden ist. Ein Großteil ihrer Familie wurde 1941 beim Massaker in der Schlucht von Babi Jar ermordet. Zusammen mit ihr kehrte er nach Belgien zurück, wo er den Rest seines Lebens verbrachte. Zwischen 1952 und 1959 wurden seine drei Töchter geboren, die er nach seiner Mutter, seinen Schwestern und dem zweiten Vornamen eines seiner Brüder Charlotte Eva, Simone und Marianne nannte.<br />
<br />
Durch die Zwangsarbeit und KZ-Haft behielt Leopold Guthmann sein Leben lang schwere gesundheitliche Beeinträchtigungen zurück. Er erlitt mehrere Krebserkrankungen, Herz und Nieren waren schwer geschädigt. Ende der 1950er Jahre wurde ihm eine kleine Rente für verfolgungsbedingte Gesundheitsschäden bewilligt. Nachdem er lange Zeit über das Schicksal seiner Familie geschwiegen hatte, gab er 1996 der von Steven Spielberg gegründeten Shoah Foundation ein sechsstündiges Interview. <br />
<br />
Am 27. Februar 2008, dem 65. Jahrestag der Fabrikaktion, wurde ein in Mahlsdorf zwischen Kieler Straße und Am Rosenhag gelegener Platz nach Leopold Guthmanns Familie benannt. Er kehrte aus diesem Anlass nach Berlin zurück und hielt, wie auch seine Tochter Charlotte, bei der feierlichen Benennung eine Rede. <br />
<br />
Leopold Guthmann starb am 26. Mai 2009 im Alter von 83 Jahren in Brüssel. Seine Tochter Charlotte berichtete in ihrer Rede anlässlich der Stolpersteinverlegung, dass sich ihr Vater nie von dem Verlust seiner Familie erholt hat. In den letzten Monaten seines Lebens sprach er viel über seine Eltern und Geschwister. <br />

Leopold Guthmann wurde am 2. September 1925 in Berlin geboren. Seine Mutter Charlotte Guthmann (geborene Weil) stammte aus Budapest und war gelernte Korsettschneiderin. Sein Vater Otto Guthmann war Besitzer einer kleinen Druckerei. Er benannte Leopold nach seinem Bruder, der als Soldat im Ersten Weltkrieg umgekommen war. Leopold war das zweitälteste von fünf Kindern. Seine Brüder Bernhard und Hans wurden 1924 und 1927 geboren, seine Schwestern Eva und Maria 1928 und 1937.

Seine ersten Lebensjahre verbrachte Leopold in Kreuzberg, wo er mit seinen Eltern und Geschwistern in der Halleschen Straße 21 in der Nähe des Anhalter Bahnhofs wohnte. In der Weltwirtschaftskrise musste sein Vater die Druckerei aufgeben, fand aber eine Stelle als Materialverwalter bei dem großen jüdischen Bauunternehmen Jacobowitz und die Familie zog Anfang der 1930er Jahre nach Lichtenberg in die Bornitzstraße 41a.

Ostern 1931 wurde Leopold mit fünfeinhalb Jahren in der Schule am Roederplatz eingeschult. Jeden Sabbat besuchte er mit seiner Familie den Gottesdienst in der Synagoge an der Frankfurter Allee. Beim Tennisclub Grün-Weiß in der Bornitzstraße war Leopold Balljunge, bis die Turn- und Sportvereine kurz nach der Machtübertragung an die Nationalsozialisten mit der Ausgrenzung jüdischer Mitglieder begannen.

Leopolds Vater wurde erneut arbeitslos, da sein jüdischer Arbeitgeber emigrierte und die Baufirma aufgelöst wurde. Eine Verwandte, die ebenfalls auswanderte, überließ der Familie ein Grundstück in der Lemkestraße 156 in Mahlsdorf. Dort baute Leopolds Vater ein Haus, in das die Familie Mitte der 1930er Jahre einzog. Leopolds Eltern gründeten einen landwirtschaftlichen Betrieb mit einer kleinen Schafzucht und bewirtschafteten auch das gegenüberliegende Pachtgrundstück.

In der Hönower Straße bei Familie Holz bekamen Leopold und seine Geschwister jüdischen Religionsunterricht. Da alle Synagogen bereits geschlossen worden waren, wurde Leopolds Bar Mitzwa heimlich im jüdischen Krankenhaus gefeiert. Bis 1938 besuchte er die Volksschule in Mahlsdorf, von der nach den Novemberpogromen alle jüdischen Kinder verwiesen wurden. Mit seiner Schwester Eva und seinem Bruder Hans musste er zur jüdischen Schule in der Kaiserstraße (heute Jacobystraße) nahe dem Alexanderplatz wechseln.

An die Mahlsdorfer Nachbarschaft hatte Leopold Guthmann später überwiegend gute Erinnerungen. Die Verkäuferin eines Geschäfts an der Kieler Straße half der Familie mit Lebensmitteln aus. Ein in der Nähe wohnender Fuhrunternehmer unterstützte sie ebenfalls und bot Leopold Arbeit an. Während der Novemberpogrome 1938 wehrte ein anderer Nachbar einen Überfall von Nationalsozialisten ab, indem er das Grundstück bewachte, sich den Angreifern in den Weg stellte und sie schließlich vertrieb.

1939 schloss Leopold die Schule ab und begann eine Maurerlehre bei der internationalen jüdischen Gesellschaft für handwerkliche und landwirtschaftliche Arbeit ORT (Organisation – Reconstruction – Training) in der Fruchtstraße (heute Straße der Pariser Kommune in Friedrichshain).

Die Familie plante, nach Südamerika zu emigrieren. Leopolds Vater stand mit dem bolivianischen Konsulat in Kontakt und hatte bereits Geld für die Auswanderung gezahlt, aber der Plan scheiterte.

Seine Lehre konnte Leopold nicht abschließen, da er – wie seine Brüder und sein Vater – zur Zwangsarbeit verpflichtet wurde. Anfangs wurde er als Kohlentrimmer bei den Weser-Flugzeugwerken Tempelhof zu körperlicher Schwerstarbeit gezwungen. Ab Mitte 1942 musste er dann Zwangsarbeit bei den Kodak-Werken in Köpenick leisten.

Anfang September 1942 wurde Leopold Guthmanns damals 18-jähriger Bruder Berthold verhaftet. Er wurde verdächtigt, an Widerstandsaktionen beteiligt gewesen zu sein. Berthold wurde am 5. September nach Riga deportiert und von dort weiter ins KZ Stutthof, bevor er im August 1944 nach Buchenwald kam. Er starb im März 1945, wenige Wochen vor der Befreiung, im Außenlager Rehmsdorf.

Knapp fünf Monate nach der Deportation von Berthold wurden Leopold Guthmann, sein Vater und sein Bruder Hans am 27. Februar 1943 bei der sogenannten Fabrikaktion an ihren Arbeitsstellen verhaftet. Leopold kam in das Sammellager „Clou“ in der Zimmerstraße, Ecke Mauerstraße, eine ehemalige Markthalle, in der sich bis Ende der 1930er Jahre das damals größte Vergnügungslokal Berlins befunden hatte. Am 3. März 1943, einen Tag nach seinem Bruder Hans und einen Tag vor seinen Eltern und Schwestern, wurde Leopold mit dem 33. Osttransport nach Auschwitz deportiert. Von den 1750 Männern, Frauen und Kindern, die sich auf dem Transport befanden, wurden 1033 nach der Ankunft am 4. März in den Gaskammern ermordet. Leopold befand sich unter den restlichen 517, die als Arbeitssklaven in das Lager eingewiesen wurden. Er bekam die Häftlingsnummer 105946.

Wie sein Bruder Hans kam Leopold nach Monowitz ins Lager Buna der IG Farben. Er sah Hans dort noch ein einziges Mal. Über das Schicksal seines Vaters gab Leopold später an, dass er ebenfalls nach Monowitz gekommen sei.

Leopold überlebte als einziger. Mehr als zwanzig seiner Familienangehörigen, darunter seine Eltern und Geschwister, wurden von den Nationalsozialisten ermordet. Ihre Todesdaten sind nicht bekannt, es ist aber davon auszugehen, dass seine Mutter, die fünfjährige Maria und die 14-jährige Eva unmittelbar nach ihrer Ankunft in Auschwitz am 6. März 1943 in den Gaskammern ermordet wurden.

In Monowitz wurde Leopold Guthmann von der SS zweimal zu jeweils 25 Stockschlägen verurteilt und so schwer verprügelt, dass er zusammenbrach. Durch die Schwerstarbeit in Kälte und Schnee ohne ausreichende Kleidung erkrankte er an einer Lungenentzündung. Im Mai 1943 wurde er gezwungen, einen Lastwagen voller toter Häftlinge zu besteigen. Für die 1995 erschienene Publikation „Juden in Lichtenberg“ schilderte er seine entsetzlichen Erlebnisse: „Zuerst wurden die Toten eingeladen, die Häftlingsnummer auf die Brust geschmiert, alle nackt. Auch mir zog man die Häftlingskleidung aus, und ich musste während des Transports auf den nackten Leichen sitzen, selbst nackt und bestimmt fürs Krematorium. Ich weiß nicht wie ich dort entwich und im Krankenbau von Auschwitz landete.“

Da er im Krankenbau miterlebte, dass die Schwächsten jeden Tag fortgebracht wurden, meldete er sich trotz hohen Fiebers zur Arbeit. Ungefähr Ende November 1943 kam er zum Arbeitseinsatz in die Kohlegruben von Jaworzno. Als die Rote Armee näher rückte, wurde er Anfang 1945 evakuiert. Den Todesmarsch von 4000 Häftlingen, die von der SS wochenlang durch das Grenzgebiet zwischen Polen, der Tschechoslowakei und dem Deutschen Reich getrieben wurden, überlebten nur einige wenige. Wer vor Hunger und Schwäche zusammenbrach, wurde von SS-Männern erschossen. Der Marsch endete im KZ Groß-Rosen, wo Leopold Guthmann in einen offenen Viehwaggon geladen wurde. In Weimar, so erinnerte er sich später, wurde der Zug von der US-Luftwaffe angegriffen, Waggons wurden getroffen, „Gleise stellten sich wie Laternenpfähle in die Luft“. Wer während des Angriffs zu fliehen versuchte, wurde in einem anschließenden Großeinsatz von Polizei, Feuerwehr und Wehrmachtssoldaten aufgespürt.

Mitte Februar 1945 kam Leopold Guthmann im KZ Buchenwald an. Dass sein seit August 1944 dort inhaftierter Bruder Berthold zu diesem Zeitpunkt noch am Leben gewesen ist und sich ganz in seiner Nähe befunden hat, erfuhr Leopold Guthmann erst Jahrzehnte später.

Am 14. März 1945 kam Leopold Guthmann ins Außenlager Altenburg, das sich auf dem Gelände der Munitionsfabrik Hugo Schneider AG befand. Vier Wochen später wurde er von der SS auf einen erneuten Todesmarsch Richtung Waldenburg geschickt. Am folgenden Tag wurde er von amerikanischen Soldaten befreit.

Nach der Befreiung wollte Leopold Guthmann eigentlich nach Palästina gehen, stattdessen wurde er von einem US-Offizier nach Belgien geschickt. Dort lebte er zunächst in einer Unterkunft der jüdischen Hilfsorganisation Joint Distribution Committee.

Von einem ehemaligen Nachbarn, zu dem er Kontakt aufnahm, erfuhr Leopold Guthmann, dass sein Elternhaus nach ihrer Deportation geplündert und im März 1943 durch einen Luftangriff zerstört worden sei. Das Grundstück in der Lemkestraße 156, auf dem sich das Haus befunden hatte, wurde 1967 enteignet. Es ist heute Teil des Mahlsdorfer Friedhofs.

In Belgien lernte Leopold Guthmann das Kürschnerhandwerk und arbeitete als Gehilfe in diesem Gewerbe. 1948 meldete er sich als Freiwilliger bei der israelischen Armee und nahm als Marinesoldat am Unabhängigkeitskrieg teil. Er blieb bis 1951 in Israel und lernte dort seine spätere Ehefrau Sina Berkowitz kennen, die 1934 in Kiew geboren worden ist. Ein Großteil ihrer Familie wurde 1941 beim Massaker in der Schlucht von Babi Jar ermordet. Zusammen mit ihr kehrte er nach Belgien zurück, wo er den Rest seines Lebens verbrachte. Zwischen 1952 und 1959 wurden seine drei Töchter geboren, die er nach seiner Mutter, seinen Schwestern und dem zweiten Vornamen eines seiner Brüder Charlotte Eva, Simone und Marianne nannte.

Durch die Zwangsarbeit und KZ-Haft behielt Leopold Guthmann sein Leben lang schwere gesundheitliche Beeinträchtigungen zurück. Er erlitt mehrere Krebserkrankungen, Herz und Nieren waren schwer geschädigt. Ende der 1950er Jahre wurde ihm eine kleine Rente für verfolgungsbedingte Gesundheitsschäden bewilligt. Nachdem er lange Zeit über das Schicksal seiner Familie geschwiegen hatte, gab er 1996 der von Steven Spielberg gegründeten Shoah Foundation ein sechsstündiges Interview.

Am 27. Februar 2008, dem 65. Jahrestag der Fabrikaktion, wurde ein in Mahlsdorf zwischen Kieler Straße und Am Rosenhag gelegener Platz nach Leopold Guthmanns Familie benannt. Er kehrte aus diesem Anlass nach Berlin zurück und hielt, wie auch seine Tochter Charlotte, bei der feierlichen Benennung eine Rede.

Leopold Guthmann starb am 26. Mai 2009 im Alter von 83 Jahren in Brüssel. Seine Tochter Charlotte berichtete in ihrer Rede anlässlich der Stolpersteinverlegung, dass sich ihr Vater nie von dem Verlust seiner Familie erholt hat. In den letzten Monaten seines Lebens sprach er viel über seine Eltern und Geschwister.