„<i>In der großen französischen Revolution wurden als Ideal die allgemeinen Menschrechte verkündigt, über welche Du heute wohl vielfach spotten hörst. Ihnen gegenüber stellt man heute vielfach die Rechte der einzelnen Nation als das höchste Ideal hin. </i>[...] <i>Lasse Dir von dem vielen Unsinn, der Dir in der Schule vorgesagt wird, Dein Gehirn nicht verwirren. Du bist ja jetzt schon reif, dass Du deutlich erkennst, was für einen blödsinnigen Unsinn einige Deiner Lehrer Dir oft vorsetzen. Ich erinnere nur an Deinen Deutschlehrer, der in jeder Stunde ein paar Juden verzehren will und der sich sogar zu dem Ausspruch verstiegen hat, wenn er Herr Hitler wäre, würde er alle Juden an die Wand stellen und erschießen lassen.</i><br />
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Bruno Borchardt in einem Brief an seinen Sohn Wolfgang vom 22. 10. 1938<br />
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Bruno Borchardt stammte aus einer jüdischen Kaufmannsfamilie. Nach dem Tod des Vaters zog seine Mutter mit den sechs Kindern nach Berlin. Bruno Borchardt studierte Mathematik und Physik in Berlin und promovierte 1885 in Kiel mit einer Abhandlung über das Höhenmessen mit dem Barometer. Anschließend war er Lehrer am Königlichen Gymnasium in Spandau. 1886 ließ sich Borchardt evangelisch taufen. Um diese Zeit gab er die Lehrerlaufbahn auf, wurde freier Schriftsteller und publizierte Bücher und Aufsätze auf dem Gebiet der Physik. Seit Beginn der 1890er Jahre wirkte er als Lehrer in der Arbeiterbildung, nachdem er sich durch die Bodenreformbewegung der SPD politisch angenähert hatte. Von 1901 bis 1920 war er Stadtverordneter der SPD in der damals noch selbständigen Stadt Charlottenburg, die ihn nach den ersten Wahlen nach demokratischem Wahlrecht 1919 zum Vorsteher der Versammlung wählte. Schon seit 1912 war er auch Abgeordneter im Brandenburgischen Provinziallandtag, der ihn 1919 zum Präsidenten wählte. Im Februar 1919 wurde er zum Referenten in das Preußische Ministerium für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung berufen. Die Berliner Stadtverordnetenversammlung entsandte ihn Ende 1921 als stellvertretendes Mitglied und von März 1922 bis Februar 1926 als Mitglied in den Preußischen Staatsrat. Mit dem Erreichen des 65. Lebensjahres schied er 1924 aus dem Preußischen Kultusministerium aus. Nach dem Machtantritt der Nationalsozialisten wurde Borchardt das Ruhegehalt aus politischen Gründen gestrichen. Seine Frau Gertrud, die Konrektorin war, wurde strafversetzt und später aus dem Schuldienst entlassen, ebenso seine Tochter Brunhilde, die Diplom-Handelslehrerin war. Die Tochter Marie, eine Schauspielerin, erhielt Auftrittsverbot. Um sich der in Berlin spürbaren gesellschaftlichen Ächtung zu entziehen, zogen die Borchardts 1937 nach Falkensee, wo sie ein Haus erworben hatten. Am 10. 11. 1938 überfielen SA-Angehörige das Haus, misshandelten den erblindeten Bruno Borchardt und zerstörten die Wohnungseinrichtung. Am 27. 1. 1939 wurde der Familie Borchardt die Verfügungsgewalt über ihr Vermögen entzogen, da die Oberfinanzdirektion eine Auswanderung befürchtete.<br />
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Bruno Borchardt war Stadtverordneter 1920 – 1925 Wahlkreis 7 Charlottenburg (SPD).
Bruno Borchardt in einem Brief an seinen Sohn Wolfgang vom 22. 10. 1938
Bruno Borchardt stammte aus einer jüdischen Kaufmannsfamilie. Nach dem Tod des Vaters zog seine Mutter mit den sechs Kindern nach Berlin. Bruno Borchardt studierte Mathematik und Physik in Berlin und promovierte 1885 in Kiel mit einer Abhandlung über das Höhenmessen mit dem Barometer. Anschließend war er Lehrer am Königlichen Gymnasium in Spandau. 1886 ließ sich Borchardt evangelisch taufen. Um diese Zeit gab er die Lehrerlaufbahn auf, wurde freier Schriftsteller und publizierte Bücher und Aufsätze auf dem Gebiet der Physik. Seit Beginn der 1890er Jahre wirkte er als Lehrer in der Arbeiterbildung, nachdem er sich durch die Bodenreformbewegung der SPD politisch angenähert hatte. Von 1901 bis 1920 war er Stadtverordneter der SPD in der damals noch selbständigen Stadt Charlottenburg, die ihn nach den ersten Wahlen nach demokratischem Wahlrecht 1919 zum Vorsteher der Versammlung wählte. Schon seit 1912 war er auch Abgeordneter im Brandenburgischen Provinziallandtag, der ihn 1919 zum Präsidenten wählte. Im Februar 1919 wurde er zum Referenten in das Preußische Ministerium für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung berufen. Die Berliner Stadtverordnetenversammlung entsandte ihn Ende 1921 als stellvertretendes Mitglied und von März 1922 bis Februar 1926 als Mitglied in den Preußischen Staatsrat. Mit dem Erreichen des 65. Lebensjahres schied er 1924 aus dem Preußischen Kultusministerium aus. Nach dem Machtantritt der Nationalsozialisten wurde Borchardt das Ruhegehalt aus politischen Gründen gestrichen. Seine Frau Gertrud, die Konrektorin war, wurde strafversetzt und später aus dem Schuldienst entlassen, ebenso seine Tochter Brunhilde, die Diplom-Handelslehrerin war. Die Tochter Marie, eine Schauspielerin, erhielt Auftrittsverbot. Um sich der in Berlin spürbaren gesellschaftlichen Ächtung zu entziehen, zogen die Borchardts 1937 nach Falkensee, wo sie ein Haus erworben hatten. Am 10. 11. 1938 überfielen SA-Angehörige das Haus, misshandelten den erblindeten Bruno Borchardt und zerstörten die Wohnungseinrichtung. Am 27. 1. 1939 wurde der Familie Borchardt die Verfügungsgewalt über ihr Vermögen entzogen, da die Oberfinanzdirektion eine Auswanderung befürchtete.
Bruno Borchardt war Stadtverordneter 1920 – 1925 Wahlkreis 7 Charlottenburg (SPD).