Elly C. Schindler

Verlegeort
Nassauische Str. 26
Bezirk/Ortsteil
Wilmersdorf
Verlegedatum
22. Oktober 2009
Geboren
03. Dezember 1907 in Berlin
Deportation
am 01. November 1941 nach Łódź / Litzmannstadt
Später deportiert
am 08. Mai 1942 nach Chełmno / Kulmhof
Ermordet
in Chełmno / Kulmhof

Elly Cäcilie Schindler wurde am 3. Dezember 1907 in Berlin geboren. Ihr Vater, der 38-jährige Kaufmann Eduard Schindler (geboren am 2. Juli 1869), war gebürtig aus Nicolai (Mikołów), Kreis Pless, Oberschlesien. Ihre Mutter, die 24-jährige Anna Hirsch (geboren am 18. Mai 1883), kam aus Nörenberg (Ińsko) im Kreis Saatzig, Regierungsbezirk Stettin. Geheiratet hatten sie am 20. Januar 1907 in Nörenberg und waren dann in ihre erste gemeinsame Wohnung in die Lippehner Straße (heute Käthe-Niederkirchner-Straße) 34 in Berlin-Prenzlauer Berg (Pankow) gezogen. In dieser Wohnung wurde Elly geboren und wuchs dort auf. 

Als Elly sieben Jahre alt war, starb ihr Vater mit 46 Jahren am 10. September 1915 in der „Irrenanstalt Buch“. Er wurde auf dem Jüdischen Friedhof in Berlin-Weißensee beigesetzt. Ihre Mutter wurde mit 32 Jahren Kaufmannswitwe und alleinerziehende Mutter.

Ca. 1922 schloss Elly ihre Schule ab. Anschließend machte sie eine Berufsausbildung zur Stenotypistin. Ihre Mutter richtete nach dem Tod ihrer 84-jährigen Schwiegermutter Vally Schindler geborene Steiner (gestorben am 8. März 1921 in Berlin-Charlottenburg) in der Lippehner Straße 34 eine Arbeitsstube ein. Ab 1929 betrieb sie dann laut Berliner Adressbuch eine Betriebswerkstatt in der gemeinsamen Wohnung. 

Am 1. April 1932 zogen Mutter und Tochter nach Berlin-Wilmersdorf in die Nassauische Straße 26 in eine 3 ½ -Zimmer-Wohnung im II. Stock des Gartenhauses. Die Miete betrug 98 RM.

Zwei Jahre später, am 28. Mai 1934, starb Ellys Großvater mütterlicherseits, Paul Hirsch, mit 82 Jahren in Nörenberg. Er vererbte Elly ein Grundstück am Flakensee in Nörenberg in der Nähe von Stettin. Drei Jahre später meldete Sigmund Hirsch, Ellys jüngster Onkel, auch den Tod von Ellys Großmutter, Emma Hirsch geborene Aaron. Sie starb mit 79 Jahren am 15. Oktober 1937, ebenfalls in Nörenberg. Aufgrund ihres hohen Alters war mit diesem Tod zu rechnen gewesen.

Vollkommen unerwartet starb Ellys Mutter am 16. August 1938 mit 55 Jahren im Jüdischen Krankenhaus Berlin an einer Rippenfellentzündung und Geschwulst des Gallengangs. 

Elly blieb in schwierigen Zeiten allein zurück. Als einzige nahe Verwandte in Berlin blieb ihr vorerst noch ihre Tante Zalma Schlesinger geborene Hirsch, die bei der „Minderheiten-Volkszählung“ 1939 in der Gieselerstraße 16 in Berlin-Wilmersdorf gemeldet war. Zusammen mit ihrem Ehemann emigrierte sie dann noch 1939 nach Brasilien. Auch ihre fünf Kinder konnten flüchten und überlebten den Holocaust.

Ellys Onkel Sigmund Hirsch und seiner Ehefrau gelang 1939 die Flucht nach Quito, Ecuador.

Ab 1941 musste Elly Zwangsarbeit leisten. Sie arbeitete als „Handarbeiterin“ bei der Siemens & Halske AG im Wernerwerk am Holzdamm in Berlin-Charlottenburg und verdiente wöchentlich ca. 22 RM, das sind 88 RM monatlich. Da die Miete 98 RM betrug, musste sie monatlich ihre Rücklagen antasten. 

Schon am 3. Oktober 1941 wurden ihr die Formulare der Vermögenserklärung zugestellt, die sie auszufüllen hatte. Sie unterschrieb die Erklärung aber erst am 27. Oktober 1941. Als Vermögen gab sie das von ihrem Großvater geerbte Grundstück in Nörenberg und ein Kontoguthaben von 320 RM bei der Dresdner Bank an. Die Zustellungsurkunde mit der Verfügung, dass ihr gesamtes Vermögen zugunsten des Deutschen Reiches eingezogen wurde, erhielt sie am 30. Oktober 1941 in der zum Sammellager umfunktionierten und entweihten Synagoge in der Levetzowstraße 7- 8. 

Gemeinsam mit noch weiteren 1.032 gelisteten Personen musste sie am 1. November 1941 für jeden sichtbar von der Levetzowstraße zu Fuß zum Güterbahnhof Berlin-Grunewald gehen, von wo aus der vierte Deportationszug die Menschen in den „Osten“ transportierte. Das Ziel der Reise wurde ihnen verheimlicht. Es war die polnische Industriestadt Łódź, 478 km von Berlin entfernt, welche die deutschen Besatzer nach dem Überfall auf Polen 1939 zu Ehren des preußischen Generals und NSDAP-Mitgliedes, Karl Litzmann, in Litzmannstadt umbenannt hatten. Ein Teil des Stadtgebietes hatten sie als Ghetto abgeriegelt. Dort wurde Elly Schindler in der Hohensteiner Straße 62 in Raum 3 einquartiert. In erbärmlichen Verhältnissen verbrachte sie hier den Winter und das Frühjahr 1942.

Als Anfang Mai 1942 die Transporte in das siebzig Kilometer entfernte Dorf Chełmno, von den Deutschen in Kulmhof umbenannt, zusammengestellt wurden, erhielt auch Elly einen „Ausreisebefehl“ für den 6. Mai 1942. In der Vernichtungsstätte Kulmhof wurde sie am 8. Mai 1942 in einem Gaswagen ermordet.

Elly Cäcilie Schindler musste mit 34 Jahren aufgrund von antisemitischem Rassenwahn und Verschwörungstheorien sterben.