Willi A. Rothschild

Verlegeort
Nassauische Str. 60
Bezirk/Ortsteil
Wilmersdorf
Verlegedatum
22. Mai 2012
Geboren
21. Mai 1875 in Menden
Deportation
am 25. Januar 1942 nach Riga
Ermordet

Willi Aron wurde am 21. Mai 1875 in Menden, Kreis Iserlohn, im Norden des Sauerlandes in die alteingesessene Bankiersfamilie Rothschild geboren. 

Sein Vater, der Bankier und Stadtabgeordnete Nathan Rothschild (geboren am 23. Januar 1829), und seine Mutter Cäcilie Rothschild geborene Rothschild (geboren am 20. November 1848) hatten vor Willi schon drei Söhne bekommen, Carl (*1868), Paul (*1869) und Arthur (*1873). Seine Schwester Thekla kam 1877 zur Welt, wurde aber nur zwei Monate alt. 1878 wurde seine Schwester Irma, 1881 sein Bruder Georg und 1883 sein Bruder Hugo in Menden geboren. Danach zog die Familie nach Düsseldorf, wo 1884 der jüngste Bruder Victor zur Welt kam.

Seine Kindheit verbrachte Willi demnach in Menden und seine Jugendzeit in Düsseldorf. Schon Anfang der 1890er Jahre waren seine älteren Brüder Paul und Arthur nach Berlin gegangen und hatten das Bankhaus A. & P. Bankgeschäfte in der Mittelstr. 23 in Berlin-Mitte gegründet. 

Ende der 1890er-Jahre, als Willis Vater in Rente ging, zog die gesamte Familie nach Berlin. Willi war damals ca. 24 Jahre alt und Kaufmann von Beruf. Die Familie wohnte in einer Parterrewohnung in der Augsburger Straße 73/74 in Berlin-Charlottenburg. 

Sein älterer Bruder Paul heiratete 1898 Martha Lewisson (*14.7.1873 in Berlin). Sie bekamen einen Sohn Walter Otto (*1900) und zwei Töchter, Alice (*1899) und Gerda (*1902), und wohnten in der Grolmannstr. 52 und später in der Pariser Str. 37 in Berlin-Charlottenburg.

Willis jüngere Schwester Irma heiratete am 26. April 1901 mit 22 Jahren den 35-jährigen Fabrikbesitzer Richard Treumann Saalfeld (geboren 1. März 1866 in Stettin). Die beiden wurden Eltern von zwei Töchtern, Edith Hertha (*1902) und Margot Fanny (*1905). Sie wohnten anfangs in der Kurfürstenstraße 128 in Berlin-Charlottenburg und ab 1905 in der Neuen Ansbacher Straße 12 in Berlin-Schöneberg.

Am 10. April 1903 starb Willis Vater Nathan Rothschild mit 74 Jahren. Er wurde auf dem jüdischen Friedhof in Berlin-Weißensee beigesetzt. 

Sein älterer Bruder Paul starb mit 45 Jahren am 24. Januar 1915. Sein Bruder und langjähriger Bankgeschäftspartner Arthur meldete seinen Tod beim Standesamt. 

Arthur nahm am Ersten Weltkrieg teil, wurde Unteroffizier und mit dem Eisernen Kreuz II. Klasse ausgezeichnet. Er starb am 22. April 1917 mit 44 Jahren im Lazarett zu Altena an einer Lungenentzündung, die er sich an der Front zugezogen hatte. 

Ein Jahr später, am 21. April 1918, starb auch der älteste Bruder Carl mit 49 Jahren. Dadurch wurde Willi zum Familienoberhaupt der Rothschilds. Als seine Nichte Alice, älteste Tochter seines Bruders Paul, am 29. November 1919 heiratete, war Willi ihr Trauzeuge.

Zu der Zeit wohnte er zusammen mit seiner Mutter in der Duisburger Straße 2 in Berlin-Wilmersdorf. 

Sein jüngerer Bruder, der Bankier Hugo Rothschild, heiratete einen Monat nach Alice am 23. Dezember 1919 Hertha Lichtenfeld (geboren 2. März 1890 in Danzig). Auch sie bekamen zwei Töchter, Eva (*1923) und Cecile (*1925) und lebten in der Mommsenstraße 60.

Willis Mutter Cäcilie Rothschild starb am 8. November 1924 kurz vor ihrem 78. Geburtstag. Sie wurde ebenfalls auf dem jüdischen Friedhof in Berlin-Weißensee beigesetzt.

Auch bei seinem jüngsten Bruder Victor war Willi Trauzeuge, als dieser Frida Carolina Oliven (geboren am 21. August 1889 in Frankfurt an der Oder) am 18. August 1925 heiratete. 

Bis ca. 1934 wohnte Willi als Privatier weiterhin im 2. Stock der Duisburger Straße 2. Am 21. Februar 1935 starb sein Bruder Georg mit 53 Jahren. Willi zog vermutlich in dieser Zeit in eine kleinere Wohnung in die Meierottostraße 5. Bei der „Minderheiten-Volkszählung" am 17. Mai 1939 war er, zusammen mit anderen nicht-jüdischen Untermietern, in der Nassauischen Straße 60 im III. Stock gemeldet. In diesem Haus wohnten noch zwei weitere jüdische Mieter im 1. Stock – der langjährige Mieter Siegfried Mottek und in einer anderen Wohnung Elise Schwarz geborene Daus. Der damalige Eigentümer des Hauses war der Zigarrengeschäftsinhaber P. Jung aus der Güntzelstr. 22.

Durch die verpflichtende Zahlung der Reichsfluchtsteuer und der Judenvermögensabgabe nach der Pogromnacht im November 1938 war Willi A. Rothschild weitgehend verarmt. Sein Bruder Victor war schon Anfang 1938 mit seiner Ehefrau über Havanna nach San Pedro in Kalifornien, USA ausgereist. Sein Neffe Walter, der Sohn seines Bruders Paul, emigrierte am 19. April 1939 über Antwerpen, Belgien nach New York. 

Die jüngste Tochter seiner Schwester Irma, Margot Fanny Wolff geborene Saalfeld, starb am 18. Oktober 1938 mit 33 Jahren an einer Blutvergiftung der Halsdrüsen nach einer Angina. Der älteren Tochter, Edith Hertha Weil, und deren 9-jähriger Tochter Gabriele Ruth Weil, gelang kurz nach der „Minderheiten-Volkszählung" am 24. Juni 1939 die Flucht nach England. Irma und ihr Ehemann Richard Treumann Saalfeld blieben alleine in der Motzstraße 90 in Berlin-Schöneberg zurück. Hier starb Richard Treumann Saalfeld am 17. Februar 1940 an einem Herzinfarkt.  

Wahrscheinlich Anfang der 1940er Jahre floh der Bruder Hugo mit seiner Familie ins „freie Frankreich“, den südlichen Teil des Landes. Hugo wurde dort gefangen genommen und im Lager Drancy interniert. Am 27. März 1944 wurde er in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert und ermordet. Seine Ehefrau Hertha (*1890) und seine Töchter Eva (*1923) und Cecilie (*1925) überlebten den Holocaust. Sie hatten sich in einem abgelegenen Dorf in Belgien versteckt. 

Seine Nichte Alice Busch flüchtete am 12. August 1941 in die USA. Ihrer damals 68-jährigen Mutter Martha gelang noch am 2. September 1941 die Flucht über Lissabon, Portugal in die USA. Ihr Schwager Victor hatte für die beiden Geld für eine Bürgschaft im Jewish Transmigration Bureau eingezahlt. Allein die zweite Tochter, Gerda Weygold geborene Rothschild, überlebte in Berlin den Holocaust. Ihre 1928 geschlossene Ehe mit einem evangelischen Ehemann schützte sie vor der Deportation und rettete ihr das Leben.

Es ist anzunehmen, dass Willis Schwester, die Witwe Irma Saalfeld, Anfang der 1940er-Jahre in eine Zwangswohnung in der Mommsenstraße 52 umziehen musste und ein weiterer Umzug in die Sybelstraße 18 anstand. Am 8. Januar 1942 wurde sie von der Polizei tot in ihrer Wohnung in der Mommsenstraße 52 aufgefunden. Auf dem Totenschein wurde als Todesursache eine Herzmuskelverschwielung angegeben. Diese Todesursache wurde häufig genutzt, um einen Selbstmord zu vertuschen.

Ab September 1941 wurde Willi, wie alle Juden und Jüdinnen im Deutschen Reich gezwungen, den gelben Stern zu tragen. Auch wurde er zur Zwangsarbeit eingesetzt. Bei der späteren Deportation gab er als Beruf Arbeiter an. 

Willis letzter Wohnsitz in Berlin war die Sybelstraße 18. Hier bekam er Mitte Januar den Deportationsbefehl. Zusammen mit weiteren 1.000 Berliner Juden und Jüdinnen wurde er am 25. Januar 1942 nach Riga deportiert und dort ermordet.

Willi Aaron Rothschild starb mit 67 Jahren.

 

Das Foto von Willi Rothschild stammt aus dem Familienfotoalbum von Hugo Rothschilds Tochter, Eva-Hava Abramov, und zeigt Willi Aaron Rothschild auf einem Familienausflug 1927.