Max Borchardt

Verlegeort
Nassauische Str. 61
Bezirk/Ortsteil
Wilmersdorf
Verlegedatum
15. April 2010
Geboren
29. September 1885 in Mogilno (Posen)
Deportation
am 12. Januar 1943 nach Auschwitz
Ermordet
in Auschwitz

Max Borchardt wurde am 29. September 1885 in Mogilnow, Kreis Posen geboren. Seine Eltern waren der Spediteur Jacob Borchardt (1835 – 1912) und Berta, geb. Alexander.


Max hatte 5 standesamtlich bekannte ältere Geschwister:
Auguste, verh. Goldemann wurde am 17. Januar 1867 geboren und am 12. November 1942 in Theresienstadt ermordet.
Rosalie, verh. Hirsch, geb. 24. Dezember 1868 starb am 28. November 1939 im Jüdischen Krankenhaus in Berlin an einem Gehirntumor.
Paula, verh. Danielewska, geb. am 8. Dezember 1870 wurde am 12. September 1942 in Theresienstadt ums Leben gebracht.
Emma, verh. Jacobi kam am 13. Oktober 1872 auf die Welt. Sie wurde über Theresienstadt am 23. September 1942 nach Treblinka deportiert und ermordet.
Franz wurde am 15. Mai 1877 geboren, sein Sterbedatum ist nicht bekannt.

Max Borchardt besuchte das Gymnasium in Mogilnow und verließ es mit der Mittleren Reife. Er machte eine kaufmännische Ausbildung bei der Firma Rappold & Söhne in Hamburg, eine renommierte Firma im Besitz der jüdische Familie Rappold, die hoch qualitative Modeerzeugnisse herstellte.


In Berlin wurde Max Borchardt Mitinhaber der Firma „Max Gärtner“, die Hüte und Mützen produzierte.

1926 heiratete Max die geschiedene Lydia Flörsheim geb. Ruben. Deren Ehe mit Theodor Flörsheim war schon nach wenigen Jahren zerbrochen. Sie brachte ihre beiden Töchter, die 5-jährige Hella und die 3-jährige Gerda, mit in die Ehe ein. Die Familie bezog eine 5-Zimmerwohnung im 4. Stock in der Nassauischen Straße 61 in Wilmersdorf.

Die Geschäfte der Firma „Max Gärtner“ in der Wallstraße in Berlin-Mitte liefen ausgezeichnet. Max Borchardt und sein Kompagnon Fedor Krebs beschäftigten 80 Angestellte in der Fabrik und 100 Heimarbeiter. Von 1933 bis 1936 machte die Firma einen Jahresumsatz von ca. 600 000 RM. Max Borchardt konnte somit zwischen 1500 und 2000 RM im Monat für den Lebensunterhalt seiner Familie entnehmen.


Im Juli 1938 wurde die Firma „arisiert“. Der Käufer, ein Dr. Rudolf Häussler aus Krefeld, zahlte 107 000 RM, obwohl die Firma ein Vielfaches wert war. Von den 55 000 RM, die durch den Verkauf auf Max Borchardt entfielen, verblieben ihm nach der Vermögensabgabe und der Reichsfluchtsteuer noch 5000 RM. Aber auch über diese Summe konnte er nicht frei verfügen. Das Geld lag auf einem Sperrkonto und Max Borchardt konnte lediglich 250 RM monatlich für seinen Lebensunterhalt abheben. Der Käufer der Firma, Dr. Rudolf Häussler, zeigte in dieser Situation seine menschliche Seite. So wurde vereinbart, dass Max Borchardt noch für 6 Monate eine Mitarbeit in der Firma für 500 RM monatlichem Lohn gewährt wurde. „Ich habe daher persönlich Herrn Borchardt mit Geld, später als nach seiner Zwangsverpflichtung in den Schlachthof sein körperlicher Verfall offensichtlich wurde, auch mit Lebensmitteln unterstützt.“, erklärte Rudolf Häussler 1957 in einer eidesstattlichen Erklärung.

1936 erfuhr Max Borchardt einen gewaltsamen Übergriff am eigenen Leibe. Er wurde eines Tages schwer verletzt nach Hause gebracht. Auf offener Straße hatten ihn SA-Männer niedergeschlagen und auf ihn eingetreten. Sein Gesicht war durch die Misshandlungen völlig entstellt und er musste sich monatelang in ärztliche Behandlung begeben. Sein seelischer Zustand war so schlecht, dass er geplante Geschäftsreisen absagen musste.

Die Familie entschloss sich, das Land zu verlassen. 1938 reiste Lydia Borchardt nach Amerika, um für die Familie Affidavits zu bekommen – was ihr auch gelang. Die Quotennummer war jedoch so hoch, dass eine rechtzeitige Ausreise nicht mehr möglich gewesen wäre. Von Amerika reiste sie mit einem Besuchervisum nach England weiter, um von dort aus eine Ausreise organisieren zu können. Der Kriegsausbruch verhinderte sowohl eine Flucht der Familie, als auch ihre eigene Rückkehr nach Berlin.

Inzwischen war Max zur Zwangsarbeit verpflichtet worden. Auf dem Berliner Schlachthof musste er die Tierhäute verwerten. Die ungewohnte schwere körperliche Arbeit über mehrere Jahre hinweg führte zu einem katastrophalen körperlichen Verfall, er war am Ende kaum noch wiederzuerkennen, wie Rudolf Häussler ebenfalls eidesstattlich erklärte. Der tägliche Umgang mit Salzen und Säuren hatte außerdem seine Hände verätzt.

In die Wohnung in der Nassauischen Straße war inzwischen auch Egon Nossek eingezogen, der Freund seiner Stieftochter Gerda. Die beiden heirateten in der schlimmsten Zeit der Verfolgung im September 1941 und Gerda bekam am 9. Januar 1943 ein Baby.

Drei Tage nach der Geburt seine Enkeltochter wurde Max Borchardt zusammen mit der Stieftochter Hella und sechs weiteren Menschen aus dem Haus mit dem 26. Osttransport vom 12. Januar 1943 in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert und ermordet.
Gerda und Eugen Nossek wurden zusammen mit ihrer kleinen 1 1/2 Monate alten Tochter Jedidja am 26. Februar 1943 ebenfalls nach Auschwitz verschleppt.

Lydia Borchardt lebte in England fern von ihrer Familie mittellos und in völliger Ungewissheit. Sie wird wohl erst nach Kriegsende von deren Schicksal erfahren haben. In London lernte sie dann Michael (Mieczlaw) Fromberg kennen. Er hatte in Warschau ebenfalls seine Familie in der Shoah verloren. Lydia und Michael Fromberg heirateten am 15. September 1947 in Paddington. Mitte der 50er-Jahre stellte Lydia Fromberg Anträge auf Wiedergutmachung und Entschädigung für den Verlust ihrer Familie und ihres Eigentums. Da sich die Verfahren über Jahre hinzogen und Lydia aufgrund ihres schlechten Allgemeinzustandes dringend auf Entschädigungszahlungen angewiesen war, wandte sie sich in Briefen u.a. verzweifelt an den Evangelischen Bischof von Berlin und den damaligen Innenminister Gerhard Schröder mit der Bitte, sich für ihre Sache einzusetzen. Eine Antwort darauf ist nicht bekannt.