Ernst Goldstein wurde am 23. April 1915 in Berlin geboren, sein Vater Julius Goldstein betrieb einen Getreide- und Futtermittelhandel, die Mutter Elly geb. Jonas hatte Julius ein Jahr vor Ernsts Geburt geheiratet. 1920 bekam Ernst einen Bruder, Werner Nathan. Die Familie wohnte in der Niebuhrstraße 57. Die Brüder wurden im jüdisch-liberalen Geist erzogen.
Ernst wurde das Sorgenkind der Familie, schon mit 11 Jahren war er verhaltensauffällig und wurde mehrere Wochen in der Nervenklinik in der Charité behandelt. Sechs Jahre später führten Angstzustände und Wahnvorstellungen zum Aufenthalt in einem Sanatorium, von wo er nach einigen Wochen mit dem Verdacht auf Schizophrenie in die Heilanstalt Buch eingewiesen wurde. Von dort kam er schließlich, nach einem weiteren halben Jahr, in das St.Joseph-Krankenhaus in Weißensee. In diesem wurde er, nach einem Beschluss des „Erbgesundheitsgerichts“, 1935 sterilisiert. Angeblich habe der 20jährige - nach „Aufklärung“ - den Antrag dazu selbst gestellt.
Inzwischen waren seine Eltern, nach fast 20 Jahren in der Niebuhrstraße 57, 1932 in die Niebuhrstraße 67 umgezogen. Mit der Übertragung der Macht an Hitler verschlechterten sich die Lebensbedingungen für Juden spürbar. Wie alle Juden waren Goldsteins betroffen von den Ausgrenzungs- und Diskriminierungsmaßnahmen der Nationalsozialisten. Nach den Pogromen vom 9./10. November 1938 vermehrten sich entsprechende Verordnungen sprunghaft. Ernsts Bruder Werner, der in Berlin keine Lehrstelle gefunden hatte und deshalb eine Lehre in Luckenwalde machte, wurde noch im November 1938 dort verhaftet und in das KZ Sachsenhausen verbracht. Im Dezember wurde er mit der Auflage entlassen, so schnell wie möglich Deutschland zu verlassen. Es gelang ihm im Februar 1939 nach Großbritannien zu flüchten. Ernst, der 1935 aus der Klinik in Weißensee entlassen worden war, bekam Arbeit in einer Matratzenfabrik als „Matratzenspanner“.
Am 29. Mai 1941 starb Elly Goldstein im Jüdischen Krankenhaus, vermutlich infolge der vielen Entbehrungen, denen Juden inzwischen ausgesetzt waren. Der Tod der Mutter verursachte bei Ernst einen akuten Krankheitsschub und er wurde in die Wittenauer Heilstätten (seit 1957 Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik) eingewiesen. Die Heilstätten waren während der NS-Zeit in Euthanasie-Morde und Patienten Sterilisierungen mit eingebunden. In dem Buch „Totgeschwiegen“ (2020) wird auf die immer gleichlautenden Eintragungen über ums Leben gekommene Patienten hingewiesen: „ … Nach einem meist recht ausführlichen Aufnahmebefund wurde der weitere Verlauf nur spärlich dokumentiert. Wenige Tage vor dem Todesdatum findet man in der Regel die lapidare Diagnose „allgemeiner Kräfteverfall“. Danach, in den meisten Fällen mit der selben Handschrift eingetragen, die kurze Feststellung „Exitus letalis ...“ „Bronchopneumonie“ gehörte neben „Herzschwäche“ zu den am häufigsten angeführten Todesursachen. Beide Diagnosen sprechen für den gewaltsamen Tod der Patienten.“ (Seite 185/186)
All das trifft auf Ernst Goldstein zu. Er starb, völlig abgemagert, am 11. Juli 1941, wenige Wochen nach der Aufnahme. Als Todesursachen werden u.a. Lungenentzündung und Herz-Kreislaufschwäche genannt – man muss wohl davon ausgehen, dass auch er einen gewaltsamen Tod erlitt.
Julius Goldstein verlor also in kurzer Zeit seine Frau und seinen Sohn. Am 19. Februar 1942 wurde er nach Auschwitz deportiert. Wahrscheinlich gehörte er nicht zu denen, die zur Zwangsarbeit „selektiert“ wurden, sondern wurde gleich in den Gaskammern ermordet.
Ernsts Bruder Werner Nathan Goldstein überlebte als einziger. Er wurde bei Kriegsbeginn in England interniert und nach Australien deportiert, 1941 kam er zurück nach London. 1947 siedelte er nach Ostberlin um, er war inzwischen KPD-Mitglied geworden. Er studierte Journalistik in Leipzig, um anschließend als Auslandskorrespondent und Wirtschaftsredakteur für die Zeitung "Neues Deutschland" zu arbeiten. Er starb 2006.