Julius Goldstein

Verlegeort
Niebuhrstr. 67
Bezirk/Ortsteil
Charlottenburg
Verlegedatum
11. Dezember 2006
Geboren
22. Dezember 1879 in Görlitz
Deportation
am 19. Februar 1943 nach Auschwitz
Ermordet
in Auschwitz

Julius Goldstein kam am 22. Dezember 1879 in Görlitz auf die Welt. Sein Vater, Nathan Goldstein, war Kaufmann und wohnte mit seiner Frau, der Mutter von Julius, Helene geb. Praschkauer in der Elisabethstraße 17. Sie hatten bereits zwei Söhne, Benno (*1874) und Harry (*1878). Später folgten noch Regina Auguste (*1884) und Isidor (*1887). Von Georg, einem weiteren Bruder Julius', ist das Geburtsdatum nicht bekannt.

Wenige Jahre nach Julius' Geburt pachtete Nathan Goldstein das vornehme Hotel Victoria, das den Mittelteil des imposanten Gebäudes Postplatz 19-20 einnahm, welches der Kaufmann Eduard Schultze 1863-68 auf dem Gelände des ehemaligen Frauenspitals hatte erbauen lassen. Das Gebäude steht heute noch. Um 1885 zog die Familie Goldstein selbst von der Elisabethstraße in die Poststraße 20. Einige Jahre später kam zu dem Hotelbetrieb noch eine Weinhandlung. 

Diese Art der Geschäfte lassen vermuten, dass Nathan Goldstein wohlhabend genug war, seinen Kindern eine gute Ausbildung zu ermöglichen. Julius wurde wie sein Vater Kaufmann, sollte sich später auf Getreide- und Futtermittelhandel spezialisieren. 

Etwa seit der Jahrhundertwende unterhielt Nathan Goldstein eine Agentur in Berlin, in der Magazinstraße 2, vielleicht um seine Weine zu vertreiben. Dies ist auch die Adresse, mit der Julius Goldstein erstmalig 1912 im Adressbuch genannt ist, mit einer im Handelsregister eingetragenen Firma "Julius Goldstein jr. Getreide- und Futterartikel". Er wohnte auch in der Magazinstraße 2. Sein Vater setze sich um 1912 zur Ruhe, zuletzt betrieb er nur noch den Weinhandel. Er siedelte nach Berlin um und lebte als Privatier ebenfalls in der Magazinstraße 2.

Am 19. Juni 1914 heiratete Julius Goldstein Elly Jonas in Berlin-Schöneberg. Das Paar zog in die Niebuhrstraße 57. Wenige Häuser weiter, in der Nr. 67, lebte Julius' Bruder Harry, seines Zeichens Textilhändler. Elly und Julius bekamen zwei Söhne: Ernst wurde am 23. April 1915 geboren, Werner Nathan am 26. März 1920. Sie erzogen ihre Söhne im jüdisch-liberalen Geist. Ernst sollte  das Sorgenkind der Familie werden, schon mit 11 Jahren litt er an Angst- und Wahnvorstellungen und musste wiederholt in Nervenkliniken behandelt werden.

Nach fast 20 Jahren in der Niebuhrstraße 57, zog Julius Goldstein 1932 in das Haus um, in dem sein Bruder Harry wohnte, Niebuhrstraße 67. Ob das eine Verbesserung oder eine Verschlechterung war, bleibt offen. Vielleicht hatte Julis bereits mit den Vorboten der NS-Judendiskriminierung zu kämpfen. Mit Sicherheit verschlechterte sich seine berufliche Lage mit der Übertragung der Macht an Hitler. Die Konsequenzen hatte auch Sohn Werner zu tragen. Bis 1935 konnte er noch das Charlottenburger Realgymnasium besuchen, fand dann jedoch in Berlin als Jude keine Lehrstelle. Er ging nach Luckenwalde, wo er in der Metallwarenfabrik des ungarisch-jüdischen Dr. Kellermann eine Ausbildung als Werkzeugmacher bis 1938 machen konnte. Die Firma war 1933 von Berlin nach Luckenwalde verlegt worden. Ernst fand Arbeit in einer Matratzenfabrik als „Matratzenspanner“.

Wie alle Juden waren Goldsteins betroffen von den Ausgrenzungs- und Diskriminierungsmaßnahmen der Nationalsozialisten. Nach den Pogromen vom 9./10. November 1938 vermehrten sich entsprechende Verordnungen sprunghaft. Noch im November wurden in Luckewalde alle jüdischen Männer zwischen 16 und 60 verhaftet, darunter der 18jährige Werner Goldstein. In Berlin wurde auch Werners Onkel Harry Goldstein festgenommen, beide kamen in das KZ Sachsenhausen. Im Dezember wurden sowohl Werner wie auch Harry entlassen - mit der Auflage, so schnell wie möglich Deutschland zu verlassen. Werner gelang es im Februar 1939 nach Großbritannien zu flüchten, Harry emigrierte mit seiner Frau Rosa nach Shanghai, nach dem Krieg konnten sie in die USA gelangen.

Am 29. Mai 1941, so musste es Julius zwei Tage später zu Protokoll geben, starb Elly Goldstein im Jüdischen Krankenhaus. Der Tod der Mutter verursachte bei Ernst einen akuten Krankheitsschub und er wurde in die Wittenauer Heilstätten (seit 1957 Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik) eingewiesen.  Dort starb er nach wenigen Wochen am 11. Juli 1941. Möglicherweise wurde er Opfer der Euthanasiemorde, in die auch die Wittenauer Heilstätten verstrickt waren.

Julius Goldstein verlor also in kurzer Zeit seine Frau und seinen Sohn. Er wurde zur Zwangsarbeit herangezogen bei der Spinnstoff AG in Zehlendorf für 28 RM in der Woche. Mitte November 1942 wurde er auch gezwungen, seine Wohnung in der Niebuhrstraße aufzugeben und ein Leerzimmer bei Nelly Schwalbe in der Mommsenstraße 55 zu beziehen. Rund drei Monate später musste er die "Vermögenserkärung" ausfüllen, wie alle zur Deportation Bestimmten. Sein ganzes verbliebenes Vermögen war ein Sparbuch mit 25,56 RM, die die Reichsfinanzdirektion sich überweisen ließ. Julius unterschrieb die Erklärung am 12. Februar 1943, möglicherweise war er da schon in die  Große Hamburger Straße 26 verbracht worden, ein von der Gestapo als "Sammelstelle" missbrauchtes jüdisches Altersheim. Eine Woche später, am 19. Februar wurde Julius Goldstein mit knapp 1000 weiteren Menschen nach Auschwitz deportiert. Dort wurden 85 Frauen und 140 Männer zur Zwangsarbeit bestimmt - eher unwahrscheinlich, dass der 63jährige Julius dazu gehörte. Alle anderen wurden in den Gaskammern ermordet. Julius Goldsteins Todesdatum ist nicht bekannt. 

Aus Julius Familie überlebten sein Sohn Werner, sein Bruder Harry und die Schwester Regina Auguste, verheiratete Levy, die mit Mann und zwei Kindern nach Südafrika fliehen konnte. Julius' Bruder Isidor und seine Frau Alice wurden am 6. März 1943 auch nach Auschwitz deportiert und dort ermordet. Für sie liegen Stolpersteine vor dem Haus Goethepark 13. Benno kam in der jüdischen Blindenanstalt Süd-West am 24. Oktober 1941 ums Leben, unklar bleibt, ob er dort Patient oder Angestellter war. Georg war bereits 1936 gestorben.

Harry Goldstein starb 1955 in San Francisco und Regina Auguste Levy bereits 1948 in Johannesburg. Werner Nathan Goldstein wurde bei Kriegsbeginn in England interniert und nach Australien deportiert, 1941 kam er zurück nach London. 1947 siedelte er  nach Ostberlin um, er war inzwischen KPD-Mitglied geworden. Er studierte Journalistik in Leipzig, um anschließend als Auslandskorrespondent und Wirtschaftsredakteur für die Zeitung "Neues Deutschland" zu arbeiten. Er starb 2006.