Erna Cohn geb. Weichmann

Verlegeort
Niebuhrstr. 72
Bezirk/Ortsteil
Charlottenburg
Verlegedatum
11. Dezember 2006
Geboren
03. April 1893 in Kattowitz (Schlesien) / Katowice
Deportation
am 12. März 1943 nach Auschwitz
Ermordet
in Auschwitz

Erna Cohn stammte wie ihr späterer Ehemann aus Kattowitz/O.S. (heute Katowice/Polen). Dort kam sie am 3. April 1893 als Tochter des Kaufmanns Berthold (Baruch) Weichmann (1851–nach 1941) und seiner Ehefrau Sarah geb. Matzdorf (1868–1942) auf die Welt. Die Familie Weichmann besaß eine Graupenmühle, die zum Zeitpunkt von Ernas Geburt als „Berthold Weichmann Schlesische Dampf-Graupen-Mühle“ im Besitz ihres Vaters war. Erna Cohn hatte (mindestens) zwei Geschwister: den Bruder Kurt, der sich später nach Palästina retten konnte, und die Schwester Ruth, die unverheiratet bei den Eltern lebte und 1942 ermordet wurde. Die Familie Weichmann wohnte in der Nähe der Synagoge von Kattowitz, und die Tochter Erna heiratete den Sohn des Rabbiners: Fritz Cohn, 1887 geborener Sohn von Dr. Jakob Cohn und seiner Ehefrau Ernestine geb. Goldstein. Sie hatte ihn wahrscheinlich schon als Kind gekannt. <br />
Das junge Ehepaar zog nach Berlin. Fritz Cohn war Diplomkaufmann und arbeitete bei der Rawack & Grünfeld AG, einer großen Erzhandelsfirma. Dort wurde er sehr schnell Prokurist. Das Ehepaar bekam drei Töchter: 1920 Esther (in den Briefen mit „h“ geschrieben), 1921 Miriam (Mirjam) und 1926 Hannah. – Zur Familie gehörte seit Anfang der 1920er-Jahre auch der 1910 geborene Neffe Franz Josef Altmann, der Sohn von Fritz Cohns Schwester Gertrud, der nach dem frühen Tod seiner Eltern zu Fritz und Erna Cohn zog. <br />
Die Familie wohnte bis Mitte der 1920er-Jahre in der Danckelmannstraße 31 in Charlottenburg. Das repräsentative Eckhaus zum Kaiserdamm 7, das es noch heute gibt, liegt gegenüber vom Lietzenseepark. Nach der Geburt der jüngsten Tochter Hannah zog die Familie in die Pestalozzistraße 53a, wiederum ein Eckhaus in der Nähe des Parks.<br />
Erna Cohn führte das Leben einer gutsituierten bürgerlichen Ehefrau und Mutter. Sie managte den gastfreundlichen Haushalt, die „grobe“ Arbeit erledigte das Dienstmädchen. Fritz Cohn engagierte sich in der orthodoxen Synagoge Münchener Straße in Schöneberg und wurde schließlich Vorsteher der Gemeinde. Die ganze Familie hielt die traditionellen Gesetze ein. Eltern und Kinder verreisten in den Ferien und fuhren regelmäßig zu den Verwandten in Oberschlesien. Erna Cohns Schwiegermutter war bereits 1896 gestorben, der Schwiegervater starb 1916. Die Eltern und Geschwister von Erna Cohn waren nach 1921 im polnisch gewordenen Kattowitz geblieben, und sie besuchte sie dort sehr oft. <br />
Zwei Jahre nach Beginn der NS-Diktatur zogen Erna Cohn und ihre Familie in eine große Wohnung im 2. Stock der Niebuhrstraße 72, Ecke Wielandstraße. Noch besaß ihr Ehemann seinen Arbeitsplatz bei der Rawack & Grünfeld AG. Die Töchter besuchten die zionistische Theodor-Herzl-Schule, sie konnten verreisen, spielten Klavier und waren im Sportverein. Seit 1935 waren „arische“ Dienstmädchen unter 45 Jahren in jüdischen Haushalten verboten, aber Erna Cohn beschäftigte weiterhin eine Hilfe – ob diese älter, eine Jüdin oder eine Verwandte war, bleibt unklar. <br />
Nach dem Novemberpogrom 1938 und der Entlassung von Fritz Cohn wurde die eng miteinander verbundene Familie auseinandergerissen. Im Mai 1939 schickten die Eltern die jüngste Tochter Hannah mit einem Kindertransport nach Großbritannien. Ende August 1939 floh Miriam in die Niederlande und lebte dort in Enschede in einem landwirtschaftlichen Ausbildungslager der orthodoxen Agudas Jisrael. In die Niederlande flohen auch der Neffe und Pflegesohn Franz Josef Altmann und die Nichte Annemarie, Tochter des Schwagers Paul Cohn. Allein Esther blieb bei den Eltern und absolvierte eine Ausbildung zur Kindergärtnerin. <br />
Erna und Fritz Cohn bereiteten sich auf die Emigration vor und besuchten entsprechende Kurse, Erna Cohn einen Zuschneidekursus. Fritz Cohn sandte immer wieder Bitten um Affidavits (Bürgschaften) an Bekannte im Ausland. Zwei, dann drei Zimmer der Wohnung mussten untervermietet werden, und die Eltern und Esther Cohn bewohnten nur noch das ehemalige Esszimmer und die beiden Kinderzimmer. Die gemeinsame Küche brachte ein neues Problem: Nicht jeder Untermieter führte einen rituellen Haushalt. 1941 arbeitete Fritz Cohn ehrenamtlich bei der Reichsvereinigung der Juden in Deutschland. Die Familie musste in die Tile-Wardenberg-Straße 19 in Tiergarten ziehen, in ein Eckhaus zur Solinger Straße 7. In der neuen, fremden Wohngegend wurden sie immer einsamer. Erna Cohn war ständig krank und lag im Sommer 1941 fünf Wochen im Jüdischen Krankenhaus. Im Herbst besuchte das Ehepaar regelmäßig einen koscheren Mittagstisch, um Erna Cohn das Kochen zu ersparen. <br />
Nach dem Überfall der Deutschen auf Polen 1939 hatte Erna Cohn noch ihre Eltern und die Schwester Ruth in Kattowitz besucht, zum Geburtstag ihres Vaters. Am 17. Dezember 1941 wurde dieser im Städtischen Bürgerhaus-Hospital in Charlottenburg 90 Jahre alt. Ihre Mutter Sarah Weichmann und ihre Schwester Ruth lebten 1942 (vielleicht schon länger) in Sosnowitz (heute Sosnowiec/Polen), einem Ghetto in der Nähe von Kattowitz. Sie wurden in Auschwitz ermordet. <br />
Am 26. Oktober 1942 wurde die Tochter Esther Cohn nach Riga deportiert und dort drei Tage später, gleich nach der Ankunft, am 29. Oktober 1942 ermordet. Fritz und Erna Cohn, die überlegt hatten, ob sie ihre Tochter nicht begleiten sollten, mussten ein letztes Mal die Wohnung wechseln. In demselben Eckhaus Solinger Straße 7 bewohnten sie seit dem 1. Februar 1943 zwei Zimmer einer 5-Zimmer-Wohnung. Erna Cohn war zuletzt Zwangsarbeiterin bei der Wäscherei Gubeler & Krause in der Frankfurter Allee im Bezirk Lichtenberg.<br />
Am 12. März 1943 wurden Erna Cohn und ihr Ehemann Fritz Cohn mit dem „36. Osttransport“ nach Auschwitz deportiert und dort ermordet. <br />
Der Pflegesohn Franz Josef Altmann wurde im Juni 1943 in Sobibor getötet. Es überlebten die beiden Töchter Miriam und Hannah: Miriam überlebte in der Illegalität in den Niederlanden und heiratete Justin Seligmann aus Nördlingen, Hannah heiratete Michael Feist. Beide gingen nach Palästina/Israel und gründeten Familien. <br />
Nach Berlin „zurückgekehrt“ ist David Gewirtz (Kwirz), ein Urenkel von Fritz und Erna Cohn, Enkel von Miriam Seligmann. Er arbeitet seit vielen Jahren als Rabbiner an der Schule der orthodoxen Bewegung von Chabad Lubawitsch. <br />

Erna Cohn stammte wie ihr späterer Ehemann aus Kattowitz/O.S. (heute Katowice/Polen). Dort kam sie am 3. April 1893 als Tochter des Kaufmanns Berthold (Baruch) Weichmann (1851–nach 1941) und seiner Ehefrau Sarah geb. Matzdorf (1868–1942) auf die Welt. Die Familie Weichmann besaß eine Graupenmühle, die zum Zeitpunkt von Ernas Geburt als „Berthold Weichmann Schlesische Dampf-Graupen-Mühle“ im Besitz ihres Vaters war. Erna Cohn hatte (mindestens) zwei Geschwister: den Bruder Kurt, der sich später nach Palästina retten konnte, und die Schwester Ruth, die unverheiratet bei den Eltern lebte und 1942 ermordet wurde. Die Familie Weichmann wohnte in der Nähe der Synagoge von Kattowitz, und die Tochter Erna heiratete den Sohn des Rabbiners: Fritz Cohn, 1887 geborener Sohn von Dr. Jakob Cohn und seiner Ehefrau Ernestine geb. Goldstein. Sie hatte ihn wahrscheinlich schon als Kind gekannt.
Das junge Ehepaar zog nach Berlin. Fritz Cohn war Diplomkaufmann und arbeitete bei der Rawack & Grünfeld AG, einer großen Erzhandelsfirma. Dort wurde er sehr schnell Prokurist. Das Ehepaar bekam drei Töchter: 1920 Esther (in den Briefen mit „h“ geschrieben), 1921 Miriam (Mirjam) und 1926 Hannah. – Zur Familie gehörte seit Anfang der 1920er-Jahre auch der 1910 geborene Neffe Franz Josef Altmann, der Sohn von Fritz Cohns Schwester Gertrud, der nach dem frühen Tod seiner Eltern zu Fritz und Erna Cohn zog.
Die Familie wohnte bis Mitte der 1920er-Jahre in der Danckelmannstraße 31 in Charlottenburg. Das repräsentative Eckhaus zum Kaiserdamm 7, das es noch heute gibt, liegt gegenüber vom Lietzenseepark. Nach der Geburt der jüngsten Tochter Hannah zog die Familie in die Pestalozzistraße 53a, wiederum ein Eckhaus in der Nähe des Parks.
Erna Cohn führte das Leben einer gutsituierten bürgerlichen Ehefrau und Mutter. Sie managte den gastfreundlichen Haushalt, die „grobe“ Arbeit erledigte das Dienstmädchen. Fritz Cohn engagierte sich in der orthodoxen Synagoge Münchener Straße in Schöneberg und wurde schließlich Vorsteher der Gemeinde. Die ganze Familie hielt die traditionellen Gesetze ein. Eltern und Kinder verreisten in den Ferien und fuhren regelmäßig zu den Verwandten in Oberschlesien. Erna Cohns Schwiegermutter war bereits 1896 gestorben, der Schwiegervater starb 1916. Die Eltern und Geschwister von Erna Cohn waren nach 1921 im polnisch gewordenen Kattowitz geblieben, und sie besuchte sie dort sehr oft.
Zwei Jahre nach Beginn der NS-Diktatur zogen Erna Cohn und ihre Familie in eine große Wohnung im 2. Stock der Niebuhrstraße 72, Ecke Wielandstraße. Noch besaß ihr Ehemann seinen Arbeitsplatz bei der Rawack & Grünfeld AG. Die Töchter besuchten die zionistische Theodor-Herzl-Schule, sie konnten verreisen, spielten Klavier und waren im Sportverein. Seit 1935 waren „arische“ Dienstmädchen unter 45 Jahren in jüdischen Haushalten verboten, aber Erna Cohn beschäftigte weiterhin eine Hilfe – ob diese älter, eine Jüdin oder eine Verwandte war, bleibt unklar.
Nach dem Novemberpogrom 1938 und der Entlassung von Fritz Cohn wurde die eng miteinander verbundene Familie auseinandergerissen. Im Mai 1939 schickten die Eltern die jüngste Tochter Hannah mit einem Kindertransport nach Großbritannien. Ende August 1939 floh Miriam in die Niederlande und lebte dort in Enschede in einem landwirtschaftlichen Ausbildungslager der orthodoxen Agudas Jisrael. In die Niederlande flohen auch der Neffe und Pflegesohn Franz Josef Altmann und die Nichte Annemarie, Tochter des Schwagers Paul Cohn. Allein Esther blieb bei den Eltern und absolvierte eine Ausbildung zur Kindergärtnerin.
Erna und Fritz Cohn bereiteten sich auf die Emigration vor und besuchten entsprechende Kurse, Erna Cohn einen Zuschneidekursus. Fritz Cohn sandte immer wieder Bitten um Affidavits (Bürgschaften) an Bekannte im Ausland. Zwei, dann drei Zimmer der Wohnung mussten untervermietet werden, und die Eltern und Esther Cohn bewohnten nur noch das ehemalige Esszimmer und die beiden Kinderzimmer. Die gemeinsame Küche brachte ein neues Problem: Nicht jeder Untermieter führte einen rituellen Haushalt. 1941 arbeitete Fritz Cohn ehrenamtlich bei der Reichsvereinigung der Juden in Deutschland. Die Familie musste in die Tile-Wardenberg-Straße 19 in Tiergarten ziehen, in ein Eckhaus zur Solinger Straße 7. In der neuen, fremden Wohngegend wurden sie immer einsamer. Erna Cohn war ständig krank und lag im Sommer 1941 fünf Wochen im Jüdischen Krankenhaus. Im Herbst besuchte das Ehepaar regelmäßig einen koscheren Mittagstisch, um Erna Cohn das Kochen zu ersparen.
Nach dem Überfall der Deutschen auf Polen 1939 hatte Erna Cohn noch ihre Eltern und die Schwester Ruth in Kattowitz besucht, zum Geburtstag ihres Vaters. Am 17. Dezember 1941 wurde dieser im Städtischen Bürgerhaus-Hospital in Charlottenburg 90 Jahre alt. Ihre Mutter Sarah Weichmann und ihre Schwester Ruth lebten 1942 (vielleicht schon länger) in Sosnowitz (heute Sosnowiec/Polen), einem Ghetto in der Nähe von Kattowitz. Sie wurden in Auschwitz ermordet.
Am 26. Oktober 1942 wurde die Tochter Esther Cohn nach Riga deportiert und dort drei Tage später, gleich nach der Ankunft, am 29. Oktober 1942 ermordet. Fritz und Erna Cohn, die überlegt hatten, ob sie ihre Tochter nicht begleiten sollten, mussten ein letztes Mal die Wohnung wechseln. In demselben Eckhaus Solinger Straße 7 bewohnten sie seit dem 1. Februar 1943 zwei Zimmer einer 5-Zimmer-Wohnung. Erna Cohn war zuletzt Zwangsarbeiterin bei der Wäscherei Gubeler & Krause in der Frankfurter Allee im Bezirk Lichtenberg.
Am 12. März 1943 wurden Erna Cohn und ihr Ehemann Fritz Cohn mit dem „36. Osttransport“ nach Auschwitz deportiert und dort ermordet.
Der Pflegesohn Franz Josef Altmann wurde im Juni 1943 in Sobibor getötet. Es überlebten die beiden Töchter Miriam und Hannah: Miriam überlebte in der Illegalität in den Niederlanden und heiratete Justin Seligmann aus Nördlingen, Hannah heiratete Michael Feist. Beide gingen nach Palästina/Israel und gründeten Familien.
Nach Berlin „zurückgekehrt“ ist David Gewirtz (Kwirz), ein Urenkel von Fritz und Erna Cohn, Enkel von Miriam Seligmann. Er arbeitet seit vielen Jahren als Rabbiner an der Schule der orthodoxen Bewegung von Chabad Lubawitsch.