Walter Lustig

Verlegeort
Oranienstr. 206
Bezirk/Ortsteil
Kreuzberg
Geboren
31. Oktober 1903 in Berlin
Deportation
am 01. März 1943 nach Auschwitz
Später deportiert
nach Mauthausen
Verstorben an den Folgen von Haft und Folter
12. Mai 1945 in Mauthausen

Walter Lustig wurde am 31. Oktober 1903 in der damals noch von Berlin unabhängigen Ortschaft Köpenick geboren. Er war der Sohn des Buchbinders Moritz Lustig und dessen Frau Malvine, geborene Krieger, die beide aus Wien stammten und am 11. Juli 1903 in Köpenick geheiratet hatten. Walter hatte zwei jüngere Geschwister: Sein Bruder Erich Lustig wurde 1906 geboren, seine Schwester Helene Lustig 1914 in Berlin. Zum Zeitpunkt der Geburt von Walter lebte die Familie in der Köpenicker Gartenstraße 29. Über die Kindheit und Jugend von Erich Lustig und seinen Geschwistern haben sich keine Informationen erhalten. Seine Eltern gehörten aber aller Wahrscheinlichkeit nach zur Jüdischen Gemeinde Köpenicks und dann Berlins. 1914 zogen sie in eine größere Wohnung in der Reichenberger Straße 162 in Kreuzberg.<br />
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Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs gaben Moritz und Malvine Lustig ihre österreichische Nationalität auf und wurden 1919 in Preußen eingebürgert. In diesem Jahr zog die Familie noch einmal um. Diesmal ging es in die Köpenicker Straße 24. Walters Vater gab Mitte der 1920er-Jahre seinen Beruf als Buchbinder auf. Seit 1926 wurde er in den Berliner Adressbüchern als Handelsmann geführt und er eröffnete ein Ladengeschäft. Frau Eva Neufeld, eine bekannte der Familie erinnerte sich später: „Ich kann bestätigen, dass Herr Moritz Lustig im Zentrum von Berlin einen Laden und Stand besaß, unweit des Rathauses, wo unter anderem Zigarren, Zigaretten, Süßigkeiten und Obst verkauft wurden. Soweit ich mich erinnern kann, stand die Familie damals in guten wirtschaftlichen Verhältnissen.“ Das Ladengeschäft befand sich Anfang der 1930er-Jahre in der kleinen Poststraße 4 in Mitte, später in der Spandauer Straße 28.<br />
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Walter Lustig absolvierte nach seinem Schulabschluss ein Studium an der Deutschen Hochschule für Leibesübungen (DHfL), eines Instituts der Friedrich-Wilhelms-Universität (heute HU Berlin), an der Sportlehrer und Trainer ausgebildet wurden. Es ist aber fraglich, ob er längere Zeit in diesem Arbeitsfeld tätig war, da er später als Kaufmann und Werkzeugmacher in den Berliner Adressbüchern geführt wurde. Sein Bruder Erich hatte eine Lehre im Textilhandwerk aufgenommen und erlernte den Beruf eines Maßschneiders für Herren. Von 1925 bis 1933 war er als Schneider bei verschiedenen Unternehmen in der Hauptstadt tätig. Seine Schwester Helene arbeitete als Stenotypistin und Buchhalterin, zunächst 1930/1931 beim Zentralverband der Arbeitsinvaliden und Witwen Deutschlands und ab 1932 in der Allgemeinen Ortskrankenkasse der Stadt Berlin. Am 17. Juli 1929 heiratete Walter Lustig die aus Rixdorf (Neukölln) stammende Lucie Borchert. Seine Ehefrau war ein Jahr jünger als Walter, am 3. Dezember 1904 geboren, und arbeitete als Stenotypistin in Berlin. Leider haben sich keine weiteren Quellen erhalten, die einen Einblick in das Leben der Familienmitglieder im Berlin der Weimarer Republik geben könnten.<br />
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Mit der schrittweisen Entrechtung und Verfolgung von Juden seit 1933 – beziehungsweise aller Personen, die nach den Nürnberger Gesetzen im NS-Staat als Juden galten – begannen auch staatliche Zwangsmaßnahmen gegen Walter Lustig und seine Angehörigen. Darunter fielen zahlreiche Maßnahmen der Diskriminierung und sozialen Ausgrenzung, des Entzugs staatsbürgerlicher Rechte sowie der Verdrängung aus dem Berufs- und Wirtschaftsleben. Bereits in der Zeit der Weimarer Republik war Berlin zum Schauplatz antisemitischer Ausschreitungen geworden und Anfang der 1930er-Jahre hatte die sichtbare Brutalität in Form von Straßenkämpfen, Saalschlachten und SA-Aufmärschen in den Straßen massiv zugenommen. Ab 1933 institutionalisierte sich der Rassismus mit Hilfe staatlicher Autorität; Erlasse und Sondergesetze drängten die Lustigs zunehmend in die Position von Rechtlosen.<br />
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Zur existentiellen Unsicherheit der Familienmitglieder trug bei, dass der Polizeipräsident Berlins am 11. Oktober 1933 die Einbürgerung von Moritz Lustig und seiner Ehefrau aus dem Jahr 1919 für nichtig erklärt hatte und das Ehepaar sowie Walter, Erich und Helene damit „staatenlos“ geworden waren. Walter Lustig lebte seit 1934/1935 mit seiner Ehefrau Lucie und deren Mutter Emma Borchert, geborene Mauck, in einer Wohnung in der Weisestraße 21 in Neukölln nahe des Herrfurthplatzes. Im März 1939 wurde gegen seine Schwester Helene auf der Grundlage der Ausländerpolizeiverordnung vom August 1938 ein „Aufenthaltsverbot für das Reichsgebiet“ erlassen. Sie musste Deutschland innerhalb von acht Wochen verlassen, andernfalls drohten Geld- und Haftstrafen sowie eine Zwangsabschiebung. Helene verließ daraufhin im Juli 1939 Deutschland und rettete sich nach England. Eine gleichartige Aufforderung erhielten auch Walters Eltern im Dezember 1939. Die Androhung der Abschiebung wurde aber offenbar gegen diese nicht durchgesetzt. Im selben Jahr ließ sich Walter Lustig nach zehn Jahren Ehe und vermutlich angesichts massiven Drucks seitens der Behörden und der Gestapo von seiner nichtjüdischen Ehefrau Lucie scheiden. Helene Lustig erklärte später: „Die Ehe meines Bruder Walter wurde unter dem Druck der damaligen Verhältnisse auf Wunsch meines Bruders und gegen den Willen meiner Schwägerin […] geschieden.“<br />
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Nach der Scheidung bezog Walter Lustig ein Zimmer zur Untermiete bei Hohenstein in der Oranienstraße 206 in Berlin-Kreuzberg. Spätestens Anfang der 1940er-Jahre war das Leben für ihn, seinen Bruder und seine Eltern in Berlin zum Existenzkampf geworden. Um nur eine der vielen einschneidenden Maßnahmen zu nennen, konnten sie sich mit der Polizeiverordnung vom 1. September 1941 „über die Kennzeichnung der Juden“ nur noch mit stigmatisierendem „Judenstern“ in der Öffentlichkeit bewegen.<br />
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Der Entrechtung folgte die Deportation: Am 1. Oktober 1941 hatte die Gestapo die Jüdischen Gemeinde Berlins informiert, dass die „Umsiedlung“ der Berliner Juden beginnen würde. Zuerst traf es aus der Familie die Eltern von Walter. Sie wurden Ende 1941 aus ihrer langjährigen Wohnung in der Köpenicker Straße 24 in eines der Berliner Sammellager verschleppt und am 27. November 1941 nach Riga deportiert. Dort wurden sie nach Ankunft am 30. November 1941 ermordet. Walter Lustig lebte noch bis 1943 in Berlin. Er wurde im Rahmen der „Fabrik-Aktion“, bei der die letzten offiziell in der Hauptstadt verbliebenen Juden deportiert werden sollten, am 27. Februar 1943 in Berlin verhaftet. Am 1. März 1943 wurde er mit dem „31. Osttransport“ in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert. Nach der Ankunft des Transports wurde er am 2. März 1943 mit der Häftlingsnummer „104812“ in das Lager selektiert. Er überlebte fast zwei Jahre unter unmenschlichsten Bedingungen, bevor der 41-Jährige kurz vor Kriegsende in das Konzentrationslager Mauthausen weiterverschleppt wurde, wo er am 29. Januar 1945 als Häftling registriert wurde. Walter Lustig erlebte noch die Befreiung durch US-Truppen am 5. Mai 1945, starb aber wenige Tage später, am 12. Mai 1945, an den Folgen jahrelanger Schwerstarbeit („Vernichtung durch Arbeit“), körperlicher Misshandlungen, Mangelversorgung und vollkommener Entkräftung.<br />
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Seine Schwester Helene Lustig, später verheiratete Gowa, überlebte im Exil in England und emigrierte nach Kriegsende in die USA. Lucie Lustig, später wiederverheiratete Kozak, wurde nach der erzwungenen Trennung von Walter nicht mehr aus rassistisch motivierten Gründen („Rassenverrat“) verfolgt und lebte später am Bodensee. Walters Bruder Erich und seine Ehefrau Ida waren zusammen mit ihren beiden Pflegekindern Manfred Cohn und Peter Schönwald – wenige Tage vor der Deportation von Walter Lustig – am 26. Februar 1943 nach Auschwitz deportiert und dort ermordet worden.

Walter Lustig wurde am 31. Oktober 1903 in der damals noch von Berlin unabhängigen Ortschaft Köpenick geboren. Er war der Sohn des Buchbinders Moritz Lustig und dessen Frau Malvine, geborene Krieger, die beide aus Wien stammten und am 11. Juli 1903 in Köpenick geheiratet hatten. Walter hatte zwei jüngere Geschwister: Sein Bruder Erich Lustig wurde 1906 geboren, seine Schwester Helene Lustig 1914 in Berlin. Zum Zeitpunkt der Geburt von Walter lebte die Familie in der Köpenicker Gartenstraße 29. Über die Kindheit und Jugend von Erich Lustig und seinen Geschwistern haben sich keine Informationen erhalten. Seine Eltern gehörten aber aller Wahrscheinlichkeit nach zur Jüdischen Gemeinde Köpenicks und dann Berlins. 1914 zogen sie in eine größere Wohnung in der Reichenberger Straße 162 in Kreuzberg.

Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs gaben Moritz und Malvine Lustig ihre österreichische Nationalität auf und wurden 1919 in Preußen eingebürgert. In diesem Jahr zog die Familie noch einmal um. Diesmal ging es in die Köpenicker Straße 24. Walters Vater gab Mitte der 1920er-Jahre seinen Beruf als Buchbinder auf. Seit 1926 wurde er in den Berliner Adressbüchern als Handelsmann geführt und er eröffnete ein Ladengeschäft. Frau Eva Neufeld, eine bekannte der Familie erinnerte sich später: „Ich kann bestätigen, dass Herr Moritz Lustig im Zentrum von Berlin einen Laden und Stand besaß, unweit des Rathauses, wo unter anderem Zigarren, Zigaretten, Süßigkeiten und Obst verkauft wurden. Soweit ich mich erinnern kann, stand die Familie damals in guten wirtschaftlichen Verhältnissen.“ Das Ladengeschäft befand sich Anfang der 1930er-Jahre in der kleinen Poststraße 4 in Mitte, später in der Spandauer Straße 28.

Walter Lustig absolvierte nach seinem Schulabschluss ein Studium an der Deutschen Hochschule für Leibesübungen (DHfL), eines Instituts der Friedrich-Wilhelms-Universität (heute HU Berlin), an der Sportlehrer und Trainer ausgebildet wurden. Es ist aber fraglich, ob er längere Zeit in diesem Arbeitsfeld tätig war, da er später als Kaufmann und Werkzeugmacher in den Berliner Adressbüchern geführt wurde. Sein Bruder Erich hatte eine Lehre im Textilhandwerk aufgenommen und erlernte den Beruf eines Maßschneiders für Herren. Von 1925 bis 1933 war er als Schneider bei verschiedenen Unternehmen in der Hauptstadt tätig. Seine Schwester Helene arbeitete als Stenotypistin und Buchhalterin, zunächst 1930/1931 beim Zentralverband der Arbeitsinvaliden und Witwen Deutschlands und ab 1932 in der Allgemeinen Ortskrankenkasse der Stadt Berlin. Am 17. Juli 1929 heiratete Walter Lustig die aus Rixdorf (Neukölln) stammende Lucie Borchert. Seine Ehefrau war ein Jahr jünger als Walter, am 3. Dezember 1904 geboren, und arbeitete als Stenotypistin in Berlin. Leider haben sich keine weiteren Quellen erhalten, die einen Einblick in das Leben der Familienmitglieder im Berlin der Weimarer Republik geben könnten.

Mit der schrittweisen Entrechtung und Verfolgung von Juden seit 1933 – beziehungsweise aller Personen, die nach den Nürnberger Gesetzen im NS-Staat als Juden galten – begannen auch staatliche Zwangsmaßnahmen gegen Walter Lustig und seine Angehörigen. Darunter fielen zahlreiche Maßnahmen der Diskriminierung und sozialen Ausgrenzung, des Entzugs staatsbürgerlicher Rechte sowie der Verdrängung aus dem Berufs- und Wirtschaftsleben. Bereits in der Zeit der Weimarer Republik war Berlin zum Schauplatz antisemitischer Ausschreitungen geworden und Anfang der 1930er-Jahre hatte die sichtbare Brutalität in Form von Straßenkämpfen, Saalschlachten und SA-Aufmärschen in den Straßen massiv zugenommen. Ab 1933 institutionalisierte sich der Rassismus mit Hilfe staatlicher Autorität; Erlasse und Sondergesetze drängten die Lustigs zunehmend in die Position von Rechtlosen.

Zur existentiellen Unsicherheit der Familienmitglieder trug bei, dass der Polizeipräsident Berlins am 11. Oktober 1933 die Einbürgerung von Moritz Lustig und seiner Ehefrau aus dem Jahr 1919 für nichtig erklärt hatte und das Ehepaar sowie Walter, Erich und Helene damit „staatenlos“ geworden waren. Walter Lustig lebte seit 1934/1935 mit seiner Ehefrau Lucie und deren Mutter Emma Borchert, geborene Mauck, in einer Wohnung in der Weisestraße 21 in Neukölln nahe des Herrfurthplatzes. Im März 1939 wurde gegen seine Schwester Helene auf der Grundlage der Ausländerpolizeiverordnung vom August 1938 ein „Aufenthaltsverbot für das Reichsgebiet“ erlassen. Sie musste Deutschland innerhalb von acht Wochen verlassen, andernfalls drohten Geld- und Haftstrafen sowie eine Zwangsabschiebung. Helene verließ daraufhin im Juli 1939 Deutschland und rettete sich nach England. Eine gleichartige Aufforderung erhielten auch Walters Eltern im Dezember 1939. Die Androhung der Abschiebung wurde aber offenbar gegen diese nicht durchgesetzt. Im selben Jahr ließ sich Walter Lustig nach zehn Jahren Ehe und vermutlich angesichts massiven Drucks seitens der Behörden und der Gestapo von seiner nichtjüdischen Ehefrau Lucie scheiden. Helene Lustig erklärte später: „Die Ehe meines Bruder Walter wurde unter dem Druck der damaligen Verhältnisse auf Wunsch meines Bruders und gegen den Willen meiner Schwägerin […] geschieden.“

Nach der Scheidung bezog Walter Lustig ein Zimmer zur Untermiete bei Hohenstein in der Oranienstraße 206 in Berlin-Kreuzberg. Spätestens Anfang der 1940er-Jahre war das Leben für ihn, seinen Bruder und seine Eltern in Berlin zum Existenzkampf geworden. Um nur eine der vielen einschneidenden Maßnahmen zu nennen, konnten sie sich mit der Polizeiverordnung vom 1. September 1941 „über die Kennzeichnung der Juden“ nur noch mit stigmatisierendem „Judenstern“ in der Öffentlichkeit bewegen.

Der Entrechtung folgte die Deportation: Am 1. Oktober 1941 hatte die Gestapo die Jüdischen Gemeinde Berlins informiert, dass die „Umsiedlung“ der Berliner Juden beginnen würde. Zuerst traf es aus der Familie die Eltern von Walter. Sie wurden Ende 1941 aus ihrer langjährigen Wohnung in der Köpenicker Straße 24 in eines der Berliner Sammellager verschleppt und am 27. November 1941 nach Riga deportiert. Dort wurden sie nach Ankunft am 30. November 1941 ermordet. Walter Lustig lebte noch bis 1943 in Berlin. Er wurde im Rahmen der „Fabrik-Aktion“, bei der die letzten offiziell in der Hauptstadt verbliebenen Juden deportiert werden sollten, am 27. Februar 1943 in Berlin verhaftet. Am 1. März 1943 wurde er mit dem „31. Osttransport“ in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert. Nach der Ankunft des Transports wurde er am 2. März 1943 mit der Häftlingsnummer „104812“ in das Lager selektiert. Er überlebte fast zwei Jahre unter unmenschlichsten Bedingungen, bevor der 41-Jährige kurz vor Kriegsende in das Konzentrationslager Mauthausen weiterverschleppt wurde, wo er am 29. Januar 1945 als Häftling registriert wurde. Walter Lustig erlebte noch die Befreiung durch US-Truppen am 5. Mai 1945, starb aber wenige Tage später, am 12. Mai 1945, an den Folgen jahrelanger Schwerstarbeit („Vernichtung durch Arbeit“), körperlicher Misshandlungen, Mangelversorgung und vollkommener Entkräftung.

Seine Schwester Helene Lustig, später verheiratete Gowa, überlebte im Exil in England und emigrierte nach Kriegsende in die USA. Lucie Lustig, später wiederverheiratete Kozak, wurde nach der erzwungenen Trennung von Walter nicht mehr aus rassistisch motivierten Gründen („Rassenverrat“) verfolgt und lebte später am Bodensee. Walters Bruder Erich und seine Ehefrau Ida waren zusammen mit ihren beiden Pflegekindern Manfred Cohn und Peter Schönwald – wenige Tage vor der Deportation von Walter Lustig – am 26. Februar 1943 nach Auschwitz deportiert und dort ermordet worden.