Alice Schlesinger geb. Weigert

Verlegeort
Schlüterstr. 54
Bezirk/Ortsteil
Charlottenburg
Verlegedatum
23. September 2010
Geboren
12. Dezember 1894 in Berlin
Deportation
am 28. Juni 1943 nach Auschwitz
Ermordet
in Auschwitz

Alice Schlesinger war Berlinerin. Sie wurde in der Hauptstadt am 12. Dezember 1894 als Alice Weigert geboren. Wir wissen nichts über ihr Elternhaus, auch nicht, wann sie Adolf Schlesinger heiratete und welchem Beruf dieser nachging. Das Paar hatte eine Tochter, Hedi Leonie, am 13. April 1924 geboren. Möglich, dass sie weitere Kinder hatten. <br />
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Am 10. Juni 1930, Hedi war sechs Jahre alt, starb Adolf Schlesinger. Alice Schlesinger zog mit ihrer Tochter in eine vermutlich kleinere Wohnung in der Barbarossastraße 44. Etwa vier Jahre später bezogen sie in der Schlüterstraße 54 eine Wohnung, die groß genug war, um mehrere Zimmer weiter zu vermieten, „Familienheim Schlesinger“ steht im Adressbuch. Damit konnte Alice ihren Lebensunterhalt verdienen, denn es gab eine große Nachfrage nach jüdischen Pensionen unter noch vergleichsweise wohlhabenden Juden, die genötigt wurden, ihre geräumigen Wohnungen zu verlassen. Im Haus Schlüterstraße 54 wird sich ein Jahr später eine weitere Pension, Pension Phiebig, etablieren und auch andere Hausbewohner hatten Untermieter. Alice Schlesinger vermietete nicht nur möblierte Zimmer, sondern auch solche, wo Mieter eigene Möbel mitbringen konnten.<br />
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1939 steht das „Familienheim“ letztmalig im Adressbuch. Das heißt zwar nicht unbedingt, dass Alice Schlesinger ihre Pension ganz aufgegeben hatte. Aber spätestens ab Ende 1940, mit der Verfügung zur Zwangsarbeit für alle Juden - vielleicht aber auch vorher - wurde Alice Schlesinger zur Arbeit in der Industrie zwangsverpflichtet und konnte vermutlich ihre Pension nicht weiterbetreiben. Das bedeutete wohl auch, dass sie die Wohnung nicht mehr halten konnte. Im Mai 1942 wurde sie zur Untermiete um die Ecke in der Niebuhrstrasse 77 bei Eylenburg eingewiesen. Unklar ist, ob sie erst dann aus der Schlüterstraße 54 auszog. Dr. Ernst Eylenburg war ein Frauenarzt, der sich seit der entsprechenden Verordnung im Juli 1938 nur noch „jüdischer Krankenbehandler“ nennen und nur Juden behandeln durfte. Auch seine Frau Elisabeth war Ärztin.<br />
<br />
Alice Schlesinger war zu diesem Zeitpunkt zur Arbeit bei Hermann Henseler eingesetzt, eine Fassondreherei in der Hollmanstraße 32, vermutlich ein Zulieferer für die Rüstungsindustrie. Alice verdiente dort 20.- RM in der Woche, allein ihre Zimmermiete betrug 60.- RM im Monat. So verwundert es auch nicht, dass auch Hedi, 1942 gerade 18 geworden, bei Henseler arbeitete, sie für 18.- RM die Woche. Mutter und Tochter hatten schon in der Schlüterstraße Deportationen in ihrem unmittelbaren Umfeld mitbekommen, nun mussten sie auch erleben, wie Gunda Eylenburg geb. Radt, Jahrgang 1857 und vermutlich Ernst Eylenburgs Mutter, im September 1942 nach Theresienstadt deportiert wurde. Es musste Alice klar sein, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis auch sie und Hedi dieses Schicksal ereilen würde. Am 16. Februar 1943 tauchten Alice und Hedi Schlesinger unter. Sie hatten kein Glück: Anfang Juni wurden sie aufgegriffen und zur Deportation in das Sammellager Große Hamburger Straße 26 gebracht, ein umfunktioniertes jüdisches Altersheim. Dort mussten beide eine „Vermögenserklärung“ ausfüllen, in der Alice angab, 1000-1200 RM zu besitzen und an Hausrat und Kleidung lediglich „diverses“. Die Formulare sind am 9. Juni 1943 unterschrieben.<br />
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Noch fast drei Wochen mussten Alice und Hedi in dem Sammellager bleiben. Am 28. Juni<br />
<br />
1943 wurden sie dann mit 312 anderen Menschen nach Auschwitz deportiert. 163 davon wurden sofort ermordet, die übrigen – darunter 95 Frauen – zur Zwangsarbeit ausgewählt. Dies bedeutete für die meisten Vernichtung durch Arbeit. Auch Alice und Hedi, so sie nicht gleich getötet wurden, überlebten nicht. Ihr Todesdatum ist nicht bekannt.<br />
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Monate später, im Oktober, überwies der Chef der Sicherheitspolizei an die Oberfinanzdirektion zwei Beträge: 206,80 und 275,65 RM, offenbar das Geld, das Alice und Hedi bei ihrer Verhaftung bei sich hatten. Der Versuch, auch aus ihren letzten Habseligkeiten Kapital zu schlagen, blieb erfolglos. Der Schätzer meldete: „Schlesinger hat möbliert gewohnt und eigene Sachen nicht besessen. Die Wohnung des Vermieters ist bereits geräumt“. Tatsächlich waren Ernst Eylenburg und seine Frau Elisabeth geb. Marcuse am 4. August nach Theresienstadt verschleppt worden. In der Wohnung blieb Walter Eylenburg, 1929 geboren und wahrscheinlich ein Sohn. Er wurde am 10. September nach Theresienstadt gebracht. Alle drei wurden von dort im Oktober 1944 nach Auschwitz weiter deportiert und dort ermordet.

Alice Schlesinger war Berlinerin. Sie wurde in der Hauptstadt am 12. Dezember 1894 als Alice Weigert geboren. Wir wissen nichts über ihr Elternhaus, auch nicht, wann sie Adolf Schlesinger heiratete und welchem Beruf dieser nachging. Das Paar hatte eine Tochter, Hedi Leonie, am 13. April 1924 geboren. Möglich, dass sie weitere Kinder hatten.

Am 10. Juni 1930, Hedi war sechs Jahre alt, starb Adolf Schlesinger. Alice Schlesinger zog mit ihrer Tochter in eine vermutlich kleinere Wohnung in der Barbarossastraße 44. Etwa vier Jahre später bezogen sie in der Schlüterstraße 54 eine Wohnung, die groß genug war, um mehrere Zimmer weiter zu vermieten, „Familienheim Schlesinger“ steht im Adressbuch. Damit konnte Alice ihren Lebensunterhalt verdienen, denn es gab eine große Nachfrage nach jüdischen Pensionen unter noch vergleichsweise wohlhabenden Juden, die genötigt wurden, ihre geräumigen Wohnungen zu verlassen. Im Haus Schlüterstraße 54 wird sich ein Jahr später eine weitere Pension, Pension Phiebig, etablieren und auch andere Hausbewohner hatten Untermieter. Alice Schlesinger vermietete nicht nur möblierte Zimmer, sondern auch solche, wo Mieter eigene Möbel mitbringen konnten.

1939 steht das „Familienheim“ letztmalig im Adressbuch. Das heißt zwar nicht unbedingt, dass Alice Schlesinger ihre Pension ganz aufgegeben hatte. Aber spätestens ab Ende 1940, mit der Verfügung zur Zwangsarbeit für alle Juden - vielleicht aber auch vorher - wurde Alice Schlesinger zur Arbeit in der Industrie zwangsverpflichtet und konnte vermutlich ihre Pension nicht weiterbetreiben. Das bedeutete wohl auch, dass sie die Wohnung nicht mehr halten konnte. Im Mai 1942 wurde sie zur Untermiete um die Ecke in der Niebuhrstrasse 77 bei Eylenburg eingewiesen. Unklar ist, ob sie erst dann aus der Schlüterstraße 54 auszog. Dr. Ernst Eylenburg war ein Frauenarzt, der sich seit der entsprechenden Verordnung im Juli 1938 nur noch „jüdischer Krankenbehandler“ nennen und nur Juden behandeln durfte. Auch seine Frau Elisabeth war Ärztin.

Alice Schlesinger war zu diesem Zeitpunkt zur Arbeit bei Hermann Henseler eingesetzt, eine Fassondreherei in der Hollmanstraße 32, vermutlich ein Zulieferer für die Rüstungsindustrie. Alice verdiente dort 20.- RM in der Woche, allein ihre Zimmermiete betrug 60.- RM im Monat. So verwundert es auch nicht, dass auch Hedi, 1942 gerade 18 geworden, bei Henseler arbeitete, sie für 18.- RM die Woche. Mutter und Tochter hatten schon in der Schlüterstraße Deportationen in ihrem unmittelbaren Umfeld mitbekommen, nun mussten sie auch erleben, wie Gunda Eylenburg geb. Radt, Jahrgang 1857 und vermutlich Ernst Eylenburgs Mutter, im September 1942 nach Theresienstadt deportiert wurde. Es musste Alice klar sein, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis auch sie und Hedi dieses Schicksal ereilen würde. Am 16. Februar 1943 tauchten Alice und Hedi Schlesinger unter. Sie hatten kein Glück: Anfang Juni wurden sie aufgegriffen und zur Deportation in das Sammellager Große Hamburger Straße 26 gebracht, ein umfunktioniertes jüdisches Altersheim. Dort mussten beide eine „Vermögenserklärung“ ausfüllen, in der Alice angab, 1000-1200 RM zu besitzen und an Hausrat und Kleidung lediglich „diverses“. Die Formulare sind am 9. Juni 1943 unterschrieben.

Noch fast drei Wochen mussten Alice und Hedi in dem Sammellager bleiben. Am 28. Juni

1943 wurden sie dann mit 312 anderen Menschen nach Auschwitz deportiert. 163 davon wurden sofort ermordet, die übrigen – darunter 95 Frauen – zur Zwangsarbeit ausgewählt. Dies bedeutete für die meisten Vernichtung durch Arbeit. Auch Alice und Hedi, so sie nicht gleich getötet wurden, überlebten nicht. Ihr Todesdatum ist nicht bekannt.

Monate später, im Oktober, überwies der Chef der Sicherheitspolizei an die Oberfinanzdirektion zwei Beträge: 206,80 und 275,65 RM, offenbar das Geld, das Alice und Hedi bei ihrer Verhaftung bei sich hatten. Der Versuch, auch aus ihren letzten Habseligkeiten Kapital zu schlagen, blieb erfolglos. Der Schätzer meldete: „Schlesinger hat möbliert gewohnt und eigene Sachen nicht besessen. Die Wohnung des Vermieters ist bereits geräumt“. Tatsächlich waren Ernst Eylenburg und seine Frau Elisabeth geb. Marcuse am 4. August nach Theresienstadt verschleppt worden. In der Wohnung blieb Walter Eylenburg, 1929 geboren und wahrscheinlich ein Sohn. Er wurde am 10. September nach Theresienstadt gebracht. Alle drei wurden von dort im Oktober 1944 nach Auschwitz weiter deportiert und dort ermordet.