Franziska Maass geb. Moses

Verlegeort
Sieglindestr. 1
Bezirk/Ortsteil
Friedenau
Verlegedatum
16. Oktober 2014
Geboren
18. Mai 1880 in Solingen
Deportation
am 14. Dezember 1942 nach Auschwitz
Ermordet
in Auschwitz

Franziska Moses kam am 18. Mai 1880 als Tochter von Philipp und Sophie Moses, geborene Vasen, in Solingen zur Welt. Sie heiratete am 18. Januar 1903 in Köln den Kaufmann Wilhelm Maass, der am 22. August 1874 in Friedeberg/Neumark geboren wurde. Am 20. Dezember 1905 kam in Friedeberg als einziges Kind der übermäßig geliebte und von der ganzen Familie verwöhnte Sohn Heinz Joachim zur Welt. Das Ehepaar lebte in Friedeberg, wo Wilhelm Maass mit großem Erfolg das Familienunternehmen, ein Warenhaus, betrieb. Die Familie war in Friedeberg hoch angesehen und stolz darauf, als jüdische Familie in einer nichtjüdischen Stadt zu leben. Man war sich der eigenen jüdischen Wurzeln durchaus bewusst und zelebrierte die jüdischen Feiertage, andererseits stellte man im Warenhaus einen Weihnachtsbaum auf und feierte auch die christlichen Feste. Infolge der Inflation in den 1920er Jahren gingen die Geschäfte jedoch stark zurück. Der wirtschaftliche Niedergang wird auch dazu beigetragen haben, dass ihr Mann am 31. Oktober 1929 im Alter von nur 55 Jahren viel zu jung verstarb. Der Sohn Heinz Joachim studierte ab April 1924 bis 1927 in Berlin Jura, wurde Hauslehrer im Auerbachschen Waisenhaus in der Schönhauser Allee 162, begann am 13. Juni 1928 sein dreijähriges Referendariat und wurde schließlich Gerichtsassessor. Er arbeitete anschließend als Richter am Amtsgericht in Charlottenburg und befasste sich dort mit Zivilprozessen. Am 1. November 1933 erhielt er Berufsverbot und wurde in den Ruhestand versetzt. Bis 1936 arbeitete er bei einer Rechtsfirma und gab privaten Juraunterricht. Einer seiner Schüler, der heimlich Unterricht bei ihm nahm, war der Enkel des letzten Kaisers Wilhelm II. Die Witwe Franziska Maass folgte ihrem Sohn und zog 1932 nach Berlin. Hier wohnten Mutter und Sohn in der Ortrudstraße 4. Franziska Maass war eine fürsorgliche Mutter und sie verwöhnte ihren Sohn über alle Maßen. Ihr Sohn hat sich später dahingehend geäußert, dass ihm ihre Fürsorge teilweise schon etwas zu viel gewesen sei. Dies änderte sich, als er heiratete und selbst eine Tochter bekam, die er nun verwöhnte. Heinz Joachim hatte die Angewohnheit, allen Familienmitgliedern einen Spitznamen zu verleihen. Aus Gründen, die auch seiner Tochter nicht bekannt sind, nannte er seine Mutter "Dickenstein". Im Dezember 1937 verließ er Deutschland und emigrierte mit seiner Frau Annemarie Ostermann und seiner Tochter Marlene in die USA. Er erreichte die Vereinigten Staaten am 7. Januar 1938 auf der SS Hansa. Heinz Joachim konnte seine Mutter nicht davon überzeugen, mit ihnen auszuwandern. Sie fühlte sich zu alt und zu krank, um in einem neuen Land ein neues Leben zu beginnen. In Chicago lebte ein Onkel von Heinz Joachims Frau, ein reicher Industrieller, der sich darum kümmerte, dass die meisten Mitglieder seiner Familie in die USA auswandern konnten. Heinz Joachim Maass fasste dort sehr schnell Fuß, arbeitete in einer großen Papierfabrik und versuchte weiterhin, die erforderlichen Einwanderungspapiere für seine Mutter zu besorgen. Als ihr Sohn geheiratet hatte, war die Wohnung für Franziska Maass zu groß geworden und sie war am 1. Februar 1936 in die Sieglindestraße 1, Vorderhaus, 1. Etage, bei Frau Ch. Philipsohn in ein Leerzimmer gezogen. Ihre monatliche Miete betrug 27,50 RM. Im Jahre 1939 schließlich war es zu spät für eine Emigration. Zu Beginn der 1940er Jahre gingen jetzt nur noch einige Rote-Kreuz-Briefe hin und her, so die Briefe von Franziska Maass an ihren Sohn vom 8. März 1942, 17. Juli 1942 und 26. September 1942. Der letzte Brief von Franziska Maass datiert vom 8. Oktober 1942. Am 11. März 1942 hatte Heinz Joachim Maass seiner Mutter einen seiner letzten Rote-Kreuz-Brief geschrieben, dieser kam aber erst am 30. September 1942 in Deutschland an. In den Briefen drückt die Mutter ihre Einsamkeit und Sehnsucht nach ihrer Familie aus und bittet Gott um ein Wiedersehen mit ihren Angehörigen. Da es ihm nicht gelungen war, seine Mutter zu retten, fühlte sich Heinz Joachim Maass bis zum Ende seines Lebens schuldig. Am 10. Dezember 1942 füllte Franziska Maass ihre Vermögenserklärung aus. Ihr Vermögen belief sich auf ca. 190,-- RM. Vorsorglich merkte sie an, dass sie die in ihrem Zimmer befindlichen Möbel an Julius Sander in Magdeburg, Große Marktstraße 16, verkauft habe. Am 13. Dezember 1942 wurde ihr die am 1. Oktober 1942 bereits ausgestellte Verfügung über die Einziehung ihres gesamten Vermögens in der Großen Hamburger Straße 26 zugestellt. <br />
Mit dem 25. Transport vom 14. Dezember 1942 wurde Franziska Maass nach Auschwitz verfrachtet. Dort ist sie vermutlich unmittelbar nach ihrer Ankunft ermordet worden.<br />
Die Deutsche Bank teilte der Vermögensverwertungsstelle am 3. Juni 1943 das Guthaben von Franziska Maass mit. Es belief sich auf 193,51 RM. Am 5. Juli 1943 zog die Oberfinanzkasse das Guthaben ein. Das Zimmer von Franziska Maass wurde am 24. Juni 1943 geräumt. Eine Anfrage beim Finanzamt Friedenau ergab, dass ihm keine Vermögenswerte von Franziska Maass bekannt sei. Auch sei sie nicht zur Reichsflucht-steuer herangezogen worden. Am 24. Juli 1943 wurden in die Oberfinanzkasse nochmals 183,71 RM von der Deutschen Bank eingezahlt. Wie es so schön in dem Schreiben formuliert wird, erlosch „damit … [ihre] Geschäftsverbindung mit der Genannten.“ Die am 2. Februar 1943 vorgenommene Taxierung ihres Inventars ergab einen Wert in Höhe von 490,-- RM. Man hatte den Hinweis von Franziska Maass nicht respektiert, dass die Möbel noch von ihr an Julius Sander verkauft worden waren. <br />
Bereits im Mai 1945 begab sich Heinz Joachim Maass auf die Suche nach seiner Mutter. Er schrieb an den Botschafter der Sowjetunion in den USA, an die Spezialabteilung des amerikanischen Außenministeriums für Kriegsfragen und an die Jüdische Schutz- und Emigrations-Hilfsorganisation in New York, um das Schicksal seiner Mutter in Erfahrung zu bringen. Vermutlich konnten ihm die angeschriebenen Stellen zu diesem Zeitpunkt keinerlei Auskünfte erteilen. Heinz Joachim Maass erhielt 1960 eine Wiedergutmachung. Da er bis 1933 und – mit Unterbrechung wegen seines Berufsverbots – von 1945 bis 1960 auch als deutscher Beamter im juristischen Dienst gearbeitet hatte, erhielt er bis zu seinem Tod im Jahre 1995 vom deutschen Staat eine Pension. <br />
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Franziska Moses kam am 18. Mai 1880 als Tochter von Philipp und Sophie Moses, geborene Vasen, in Solingen zur Welt. Sie heiratete am 18. Januar 1903 in Köln den Kaufmann Wilhelm Maass, der am 22. August 1874 in Friedeberg/Neumark geboren wurde. Am 20. Dezember 1905 kam in Friedeberg als einziges Kind der übermäßig geliebte und von der ganzen Familie verwöhnte Sohn Heinz Joachim zur Welt. Das Ehepaar lebte in Friedeberg, wo Wilhelm Maass mit großem Erfolg das Familienunternehmen, ein Warenhaus, betrieb. Die Familie war in Friedeberg hoch angesehen und stolz darauf, als jüdische Familie in einer nichtjüdischen Stadt zu leben. Man war sich der eigenen jüdischen Wurzeln durchaus bewusst und zelebrierte die jüdischen Feiertage, andererseits stellte man im Warenhaus einen Weihnachtsbaum auf und feierte auch die christlichen Feste. Infolge der Inflation in den 1920er Jahren gingen die Geschäfte jedoch stark zurück. Der wirtschaftliche Niedergang wird auch dazu beigetragen haben, dass ihr Mann am 31. Oktober 1929 im Alter von nur 55 Jahren viel zu jung verstarb. Der Sohn Heinz Joachim studierte ab April 1924 bis 1927 in Berlin Jura, wurde Hauslehrer im Auerbachschen Waisenhaus in der Schönhauser Allee 162, begann am 13. Juni 1928 sein dreijähriges Referendariat und wurde schließlich Gerichtsassessor. Er arbeitete anschließend als Richter am Amtsgericht in Charlottenburg und befasste sich dort mit Zivilprozessen. Am 1. November 1933 erhielt er Berufsverbot und wurde in den Ruhestand versetzt. Bis 1936 arbeitete er bei einer Rechtsfirma und gab privaten Juraunterricht. Einer seiner Schüler, der heimlich Unterricht bei ihm nahm, war der Enkel des letzten Kaisers Wilhelm II. Die Witwe Franziska Maass folgte ihrem Sohn und zog 1932 nach Berlin. Hier wohnten Mutter und Sohn in der Ortrudstraße 4. Franziska Maass war eine fürsorgliche Mutter und sie verwöhnte ihren Sohn über alle Maßen. Ihr Sohn hat sich später dahingehend geäußert, dass ihm ihre Fürsorge teilweise schon etwas zu viel gewesen sei. Dies änderte sich, als er heiratete und selbst eine Tochter bekam, die er nun verwöhnte. Heinz Joachim hatte die Angewohnheit, allen Familienmitgliedern einen Spitznamen zu verleihen. Aus Gründen, die auch seiner Tochter nicht bekannt sind, nannte er seine Mutter "Dickenstein". Im Dezember 1937 verließ er Deutschland und emigrierte mit seiner Frau Annemarie Ostermann und seiner Tochter Marlene in die USA. Er erreichte die Vereinigten Staaten am 7. Januar 1938 auf der SS Hansa. Heinz Joachim konnte seine Mutter nicht davon überzeugen, mit ihnen auszuwandern. Sie fühlte sich zu alt und zu krank, um in einem neuen Land ein neues Leben zu beginnen. In Chicago lebte ein Onkel von Heinz Joachims Frau, ein reicher Industrieller, der sich darum kümmerte, dass die meisten Mitglieder seiner Familie in die USA auswandern konnten. Heinz Joachim Maass fasste dort sehr schnell Fuß, arbeitete in einer großen Papierfabrik und versuchte weiterhin, die erforderlichen Einwanderungspapiere für seine Mutter zu besorgen. Als ihr Sohn geheiratet hatte, war die Wohnung für Franziska Maass zu groß geworden und sie war am 1. Februar 1936 in die Sieglindestraße 1, Vorderhaus, 1. Etage, bei Frau Ch. Philipsohn in ein Leerzimmer gezogen. Ihre monatliche Miete betrug 27,50 RM. Im Jahre 1939 schließlich war es zu spät für eine Emigration. Zu Beginn der 1940er Jahre gingen jetzt nur noch einige Rote-Kreuz-Briefe hin und her, so die Briefe von Franziska Maass an ihren Sohn vom 8. März 1942, 17. Juli 1942 und 26. September 1942. Der letzte Brief von Franziska Maass datiert vom 8. Oktober 1942. Am 11. März 1942 hatte Heinz Joachim Maass seiner Mutter einen seiner letzten Rote-Kreuz-Brief geschrieben, dieser kam aber erst am 30. September 1942 in Deutschland an. In den Briefen drückt die Mutter ihre Einsamkeit und Sehnsucht nach ihrer Familie aus und bittet Gott um ein Wiedersehen mit ihren Angehörigen. Da es ihm nicht gelungen war, seine Mutter zu retten, fühlte sich Heinz Joachim Maass bis zum Ende seines Lebens schuldig. Am 10. Dezember 1942 füllte Franziska Maass ihre Vermögenserklärung aus. Ihr Vermögen belief sich auf ca. 190,-- RM. Vorsorglich merkte sie an, dass sie die in ihrem Zimmer befindlichen Möbel an Julius Sander in Magdeburg, Große Marktstraße 16, verkauft habe. Am 13. Dezember 1942 wurde ihr die am 1. Oktober 1942 bereits ausgestellte Verfügung über die Einziehung ihres gesamten Vermögens in der Großen Hamburger Straße 26 zugestellt.
Mit dem 25. Transport vom 14. Dezember 1942 wurde Franziska Maass nach Auschwitz verfrachtet. Dort ist sie vermutlich unmittelbar nach ihrer Ankunft ermordet worden.
Die Deutsche Bank teilte der Vermögensverwertungsstelle am 3. Juni 1943 das Guthaben von Franziska Maass mit. Es belief sich auf 193,51 RM. Am 5. Juli 1943 zog die Oberfinanzkasse das Guthaben ein. Das Zimmer von Franziska Maass wurde am 24. Juni 1943 geräumt. Eine Anfrage beim Finanzamt Friedenau ergab, dass ihm keine Vermögenswerte von Franziska Maass bekannt sei. Auch sei sie nicht zur Reichsflucht-steuer herangezogen worden. Am 24. Juli 1943 wurden in die Oberfinanzkasse nochmals 183,71 RM von der Deutschen Bank eingezahlt. Wie es so schön in dem Schreiben formuliert wird, erlosch „damit … [ihre] Geschäftsverbindung mit der Genannten.“ Die am 2. Februar 1943 vorgenommene Taxierung ihres Inventars ergab einen Wert in Höhe von 490,-- RM. Man hatte den Hinweis von Franziska Maass nicht respektiert, dass die Möbel noch von ihr an Julius Sander verkauft worden waren.
Bereits im Mai 1945 begab sich Heinz Joachim Maass auf die Suche nach seiner Mutter. Er schrieb an den Botschafter der Sowjetunion in den USA, an die Spezialabteilung des amerikanischen Außenministeriums für Kriegsfragen und an die Jüdische Schutz- und Emigrations-Hilfsorganisation in New York, um das Schicksal seiner Mutter in Erfahrung zu bringen. Vermutlich konnten ihm die angeschriebenen Stellen zu diesem Zeitpunkt keinerlei Auskünfte erteilen. Heinz Joachim Maass erhielt 1960 eine Wiedergutmachung. Da er bis 1933 und – mit Unterbrechung wegen seines Berufsverbots – von 1945 bis 1960 auch als deutscher Beamter im juristischen Dienst gearbeitet hatte, erhielt er bis zu seinem Tod im Jahre 1995 vom deutschen Staat eine Pension.