Margot Bendheim

Verlegeort
Skalitzer Str. 32
Bezirk/Ortsteil
Kreuzberg
Geboren
05. November 1921 in Berlin
Überlebt
Anni Margot Bendheim kam am 5. November 1921 als Tochter von Arthur Bendheim (1892) und seiner Frau Auguste, geb. Gross (*1894), in Berlin zur Welt. Ihre Eltern hatten sich kurz nach dem Ersten Weltkrieg kennengelernt und am 4. November 1920 geheiratet. Am 7. August wurde Margots Bruder Ralph geboren.
Margots Mutter Auguste hatte bis zur Geburt ihrer Tochter ein Ladengeschäft für Knöpfe in der neuen Grünstraße in Berlin-Mitte geführt. Ihr Mann Arthur baute das Geschäft zu einem Engroshandel für Knopfmaschinen und Zubehör aus. Die Familie lebte finanziell gut gestellt in einer 11-Zimmer-Wohnung mit Dienstmädchen in der Neuen Friedrichstraße in Berlin Mitte. Vor dem Umzug in die sehr repräsentative Wohnung hatte die Familie in der Lindenstraße in Berlin-Mitte gelebt. August Bendheim verkaufte an alle großen Modehäuser Berlins und entsprechende Unternehmen in Dänemark, Schweden und den Niederlanden sehr erfolgreich seine Maschinen samt Zubehör. Er war viel auf Dienstreisen, während sich die Mutter intensiv um ihre Kinder kümmerte und sie verwöhnte. Margot und später auch Ralph verbrachten vor allem an den Wochenenden viel Zeit auf dem Familiengut „Waldfrieden“ am Scharmützelsee. Hier traf die große Verwandtschaft sowohl mütterlicherseits als auch väterlicherseits aufeinander. Während der jüngere Ralph ein guter Schüler war, tat sich Margot schwerer mit der Schule, hatte jedoch von klein auf sehr großes Interesse an Mode und ein Talent für Gestaltung. Nach dem Besuch der jüdischen Mittelschule in der großen Hamburger Straße von 1931 bis 1936 wollte Margot zunächst Mode- und Reklamezeichnerin werden und besuchte ein Jahr lang die jüdische Kunstgewerbeschule „Feige und Strassburger“. Anschließend begann sie eine Schneiderlehre im Salon von Rosa Lang-Nathanson und Heinz Nathanson, zunächst in der Kalkreuthstraße und dann in der Bamberger Straße 28 in Berlin-Schöneberg. Sie war zudem sportlich aktiv in der Leichtathletikabteilung im jüdischen Turnverein Bar Kochba.
Ab Mitte der 1930er-Jahre zeichnete sich das Ende der Ehe von Auguste und Arthur Bendheim ab. Nach zwei Trennungen ließ sich das Paar 1937 schließlich scheiden. Dieses Ereignis veränderte Margots Lebensverhältnisse nachhaltig. Die Mutter verließ mit ihren Kindern die große Familienwohnung und bezog mit Margot und Ralph zwei Zimmer in der Pension Mandowsky am Ludwigkirchplatz in Berlin-Charlottenburg. Margot war mit der Tochter der Pensionswirtsleute befreundet, was ihr die neue Situation erleichterte. Den Vater sahen Margot und Ralph jedoch nur noch selten, meist an den Wochenenden. Auguste Bendheim versuchte in der Zeit nach der Scheidung, mit ihren Kindern auszuwandern. Ihre Bemühungen, nach Brasilien oder Shanghai zu gelangen, scheiterten jedoch, auch deswegen, weil Arthur Bendheim seiner Frau nicht die Erlaubnis erteilte, mit den Kindern auszuwandern. Er selbst blieb 1939 in Belgien, als er dort auf Geschäftsreise war, und verließ die Familie damit ganz. Für Margot war die Jahreswende 1938/1939 noch aus anderen Gründen schwierig: Sie erlebte auf dem Weg zu ihrer Ausbildungsstätte in Berlin-Schöneberg das Pogrom vom 9. November 1938 mit. Infolge des Pogroms musste wiederum ihr Ausbilder Heinz Nathanson sein Geschäft aufgeben. Margot verlor ihren Ausbildungsplatz und nähte fortan für den Jüdischen Kulturbund Kostüme um. Nach der Auflösung des Kulturbundes wurde sie 1941 zur Zwangsarbeit in den Deuta-Werken in Berlin-Kreuzberg, einem rüstungsrelevanten metallverarbeitenden Betrieb, verpflichtet. Margot arbeitete nachts. Noch im selben Jahr musste sie mit ihrer Mutter Auguste und ihrem Bruder Ralph in eine „Judenwohnung“ in die Skalitzer Str. 32 nach Berlin-Kreuzberg umziehen. Rachela Meisner und ihre Tochter Kläre bewohnten die 3-Zimmer-Wohnung in der zweiten Etage des Vorderhauses, in der sie nun Margot und ihre Familie aufnehmen mussten. 1943 verhaftete die Gestapo in der Wohnung Margots Bruder Ralph, Rachela Meisner sowie ihre Tochter Kläre. Margots Mutter und sie selbst waren nicht da. Während Margot spontan untertauchte, als sie bei ihrer Heimkehr zur Wohnung einen Gestapomann sah, entschied sich Margots Mutter Auguste, zur Gestapo zu gehen, um so bei ihrem Sohn bleiben zu können. Für ihre Tochter hinterließ sie bei einer Nachbarin nur ihre Handtasche mit Notizbuch, eine Bernsteinkette und die mündliche Nachricht „Versuche Dein Leben zu machen“. Margot sah ihre Mutter und ihren Bruder nicht wieder. Am 29. Januar 1943 wurden Auguste und Ralph Bendheim sowie Rachela Meisner mit dem „27. Osttransport“ nach Auschwitz deportiert. Keiner von ihnen überlebte. Margots Vater Arthur Bendheim wurde am 10. August 1942 von Frankreich aus nach Auschwitz deportiert und kam ebenfalls dort um. Margot Bendheim musste immer wieder ihre Verstecke wechseln und neue Unterstützer finden. Sie trennte ihren gelben Stern ab und veränderte mehrfach ihr Aussehen – färbte sich die schwarzen Haare tizianrot, unterzog sich einer Nasenoperation und trug ein Kreuz als Anhänger an ihrer Halskette, um sich als Christin zu tarnen. Ihr letztes Versteck befand sich in der Wohnung von Hugo und Irmgard Camplair in der Fasanenstraße, gegenüber dem heutigen Literaturhaus. Auf dem Weg zum nahen Zoobunker wurde Margot Bendheim im Frühjahr 1944 von „Greifern“ auf der Straße aufgehalten. Sie wurde verhaftet und mit dem „107. Alterstransport“ am 16. Juni 1944 als laufende Nummer 1 ins Ghetto Theresienstadt deportiert. In Theresienstadt traf Margot Bendheim Adolf Friedländer wieder, den ehemaligen Verwaltungschef des Jüdischen Kulturbundes, den sie letztmalig 1941 bei ihrer Arbeit für den Kulturbund gesehen hatte. Beide erlebten die Befreiung, heirateten 1945 und wanderten 1946 in die USA aus. Dort führten sie den Nachnamen „Friedlander“. Adolf Friedlander starb 1997 in New York, ohne jemals wieder in Deutschland gewesen zu sein. Margot Friedländer kehrte 2003 erstmals auf Einladung des Berliner Senats in ihre Geburtsstadt Berlin zurück. Seit 2010 lebt Margot Friedländer dauerhaft in Berlin und engagiert sich als Autorin und Zeitzeugin für die Erinnerungsarbeit und den Kampf gegen Antisemitismus und Rechtsradikalismus. 2011 wurde sie mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande ausgezeichnet, 2018 Ehrenbürgerin Berlins. Seit 2014 werden Projekte von Jugendlichen, die sich gegen Antisemitismus und Rechtsradikalismus engagieren, mit dem „Margot-Friedländer-Preis“ der Schwarzkopfstiftung ausgezeichnet.
Anni Margot Bendheim kam am 5. November 1921 als Tochter von Arthur Bendheim (1892) und seiner Frau Auguste, geb. Gross (*1894), in Berlin zur Welt. Ihre Eltern hatten sich kurz nach dem Ersten Weltkrieg kennengelernt und am 4. November 1920 geheiratet. Am 7. August wurde Margots Bruder Ralph geboren.
Margots Mutter Auguste hatte bis zur Geburt ihrer Tochter ein Ladengeschäft für Knöpfe in der neuen Grünstraße in Berlin-Mitte geführt. Ihr Mann Arthur baute das Geschäft zu einem Engroshandel für Knopfmaschinen und Zubehör aus. Die Familie lebte finanziell gut gestellt in einer 11-Zimmer-Wohnung mit Dienstmädchen in der Neuen Friedrichstraße in Berlin Mitte. Vor dem Umzug in die sehr repräsentative Wohnung hatte die Familie in der Lindenstraße in Berlin-Mitte gelebt. August Bendheim verkaufte an alle großen Modehäuser Berlins und entsprechende Unternehmen in Dänemark, Schweden und den Niederlanden sehr erfolgreich seine Maschinen samt Zubehör. Er war viel auf Dienstreisen, während sich die Mutter intensiv um ihre Kinder kümmerte und sie verwöhnte. Margot und später auch Ralph verbrachten vor allem an den Wochenenden viel Zeit auf dem Familiengut „Waldfrieden“ am Scharmützelsee. Hier traf die große Verwandtschaft sowohl mütterlicherseits als auch väterlicherseits aufeinander. Während der jüngere Ralph ein guter Schüler war, tat sich Margot schwerer mit der Schule, hatte jedoch von klein auf sehr großes Interesse an Mode und ein Talent für Gestaltung. Nach dem Besuch der jüdischen Mittelschule in der großen Hamburger Straße von 1931 bis 1936 wollte Margot zunächst Mode- und Reklamezeichnerin werden und besuchte ein Jahr lang die jüdische Kunstgewerbeschule „Feige und Strassburger“. Anschließend begann sie eine Schneiderlehre im Salon von Rosa Lang-Nathanson und Heinz Nathanson, zunächst in der Kalkreuthstraße und dann in der Bamberger Straße 28 in Berlin-Schöneberg. Sie war zudem sportlich aktiv in der Leichtathletikabteilung im jüdischen Turnverein Bar Kochba.
Ab Mitte der 1930er-Jahre zeichnete sich das Ende der Ehe von Auguste und Arthur Bendheim ab. Nach zwei Trennungen ließ sich das Paar 1937 schließlich scheiden. Dieses Ereignis veränderte Margots Lebensverhältnisse nachhaltig. Die Mutter verließ mit ihren Kindern die große Familienwohnung und bezog mit Margot und Ralph zwei Zimmer in der Pension Mandowsky am Ludwigkirchplatz in Berlin-Charlottenburg. Margot war mit der Tochter der Pensionswirtsleute befreundet, was ihr die neue Situation erleichterte. Den Vater sahen Margot und Ralph jedoch nur noch selten, meist an den Wochenenden. Auguste Bendheim versuchte in der Zeit nach der Scheidung, mit ihren Kindern auszuwandern. Ihre Bemühungen, nach Brasilien oder Shanghai zu gelangen, scheiterten jedoch, auch deswegen, weil Arthur Bendheim seiner Frau nicht die Erlaubnis erteilte, mit den Kindern auszuwandern. Er selbst blieb 1939 in Belgien, als er dort auf Geschäftsreise war, und verließ die Familie damit ganz. Für Margot war die Jahreswende 1938/1939 noch aus anderen Gründen schwierig: Sie erlebte auf dem Weg zu ihrer Ausbildungsstätte in Berlin-Schöneberg das Pogrom vom 9. November 1938 mit. Infolge des Pogroms musste wiederum ihr Ausbilder Heinz Nathanson sein Geschäft aufgeben. Margot verlor ihren Ausbildungsplatz und nähte fortan für den Jüdischen Kulturbund Kostüme um. Nach der Auflösung des Kulturbundes wurde sie 1941 zur Zwangsarbeit in den Deuta-Werken in Berlin-Kreuzberg, einem rüstungsrelevanten metallverarbeitenden Betrieb, verpflichtet. Margot arbeitete nachts. Noch im selben Jahr musste sie mit ihrer Mutter Auguste und ihrem Bruder Ralph in eine „Judenwohnung“ in die Skalitzer Str. 32 nach Berlin-Kreuzberg umziehen. Rachela Meisner und ihre Tochter Kläre bewohnten die 3-Zimmer-Wohnung in der zweiten Etage des Vorderhauses, in der sie nun Margot und ihre Familie aufnehmen mussten. 1943 verhaftete die Gestapo in der Wohnung Margots Bruder Ralph, Rachela Meisner sowie ihre Tochter Kläre. Margots Mutter und sie selbst waren nicht da. Während Margot spontan untertauchte, als sie bei ihrer Heimkehr zur Wohnung einen Gestapomann sah, entschied sich Margots Mutter Auguste, zur Gestapo zu gehen, um so bei ihrem Sohn bleiben zu können. Für ihre Tochter hinterließ sie bei einer Nachbarin nur ihre Handtasche mit Notizbuch, eine Bernsteinkette und die mündliche Nachricht „Versuche Dein Leben zu machen“. Margot sah ihre Mutter und ihren Bruder nicht wieder. Am 29. Januar 1943 wurden Auguste und Ralph Bendheim sowie Rachela Meisner mit dem „27. Osttransport“ nach Auschwitz deportiert. Keiner von ihnen überlebte. Margots Vater Arthur Bendheim wurde am 10. August 1942 von Frankreich aus nach Auschwitz deportiert und kam ebenfalls dort um. Margot Bendheim musste immer wieder ihre Verstecke wechseln und neue Unterstützer finden. Sie trennte ihren gelben Stern ab und veränderte mehrfach ihr Aussehen – färbte sich die schwarzen Haare tizianrot, unterzog sich einer Nasenoperation und trug ein Kreuz als Anhänger an ihrer Halskette, um sich als Christin zu tarnen. Ihr letztes Versteck befand sich in der Wohnung von Hugo und Irmgard Camplair in der Fasanenstraße, gegenüber dem heutigen Literaturhaus. Auf dem Weg zum nahen Zoobunker wurde Margot Bendheim im Frühjahr 1944 von „Greifern“ auf der Straße aufgehalten. Sie wurde verhaftet und mit dem „107. Alterstransport“ am 16. Juni 1944 als laufende Nummer 1 ins Ghetto Theresienstadt deportiert. In Theresienstadt traf Margot Bendheim Adolf Friedländer wieder, den ehemaligen Verwaltungschef des Jüdischen Kulturbundes, den sie letztmalig 1941 bei ihrer Arbeit für den Kulturbund gesehen hatte. Beide erlebten die Befreiung, heirateten 1945 und wanderten 1946 in die USA aus. Dort führten sie den Nachnamen „Friedlander“. Adolf Friedlander starb 1997 in New York, ohne jemals wieder in Deutschland gewesen zu sein. Margot Friedländer kehrte 2003 erstmals auf Einladung des Berliner Senats in ihre Geburtsstadt Berlin zurück. Seit 2010 lebt Margot Friedländer dauerhaft in Berlin und engagiert sich als Autorin und Zeitzeugin für die Erinnerungsarbeit und den Kampf gegen Antisemitismus und Rechtsradikalismus. 2011 wurde sie mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande ausgezeichnet, 2018 Ehrenbürgerin Berlins. Seit 2014 werden Projekte von Jugendlichen, die sich gegen Antisemitismus und Rechtsradikalismus engagieren, mit dem „Margot-Friedländer-Preis“ der Schwarzkopfstiftung ausgezeichnet.