Helene [Lena, Helena] Becker [Beker] geb. Kunstmann

Verlegeort
Stargarder Straße 6
Bezirk/Ortsteil
Prenzlauer Berg
Verlegedatum
19. August 2006
Geboren
21. August 1893 in Berlin
Beruf
Hausfrau
Deportation
am 01. März 1943 nach Auschwitz
Ermordet
in Auschwitz

Helene Kunstmann wurde am 21. August 1893 in Berlin als Tochter von Emilia Kunstmann, geb. Wiener, und Hermann Kunstmann geboren. Ihre Mutter (geb. 1857) stammte aus dem schlesischen Bunzlau (heute: Bolesławiec / Polen) und hatte in Berlin 1886 den vier Jahre älteren Berliner Kaufmann Hermann Kunstmann geheiratet. Zum Zeitpunkt der Geburt von Helene hatten Emilia und Hermann Kunstmann eine Wohnung in der Landsberger Str. 14 (heute Landsberger Allee) nahe dem Büsching-Platz (dem heutigen Platz der Vereinten Nationen). Helene wuchs hier im Kreis von vier Geschwistern auf: Ihre ältere Schwester Lucie war 1890 geboren worden, ihre jüngeren Schwestern Gertrud und Martha Rahel kamen 1894 und 1899 zur Welt, ihr Bruder Hans wurde 1900 geboren. Über die Kindheit und Jugend von Helene Kunstmann im Berlin der Kaiserzeit haben sich keine weiteren Quellen erhalten. Ihre Eltern gehörten aber aller Wahrscheinlichkeit nach der jüdischen Gemeinde Berlins an.<br />
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Im Februar 1908, da war Helene 15 Jahre alt, starb ihre Mutter Emilie und zwei Jahre später auch ihr Vater Hermann. Möglicherweise mussten Helene und Lucie nach dem Tod ihrer Eltern für ihre jüngeren Geschwister sorgen, aber es gibt keine Belege dafür. 1915 heiratete Helene Kunstmann in Berlin den drei Jahre älteren Alex Becker. Alex arbeitete in Berlin als Kaufmann und führte zwischen 1925 und Ende der 1920er-Jahre eine Großwarenhandlung für Schokolade in der Jablonskistraße 33 im Prenzlauer Berg. Im gleichen Haus lag auch die gemeinsame Wohnung des Ehepaars, das Mitte der 1920er-Jahre Zuwachs bekam: Am 7. Februar 1924 wurde ihre Tochter Erika geboren, 1925 folgte ihr Sohn Wilff. In den 1930er-Jahren verstarb Helenes Ehemann Alex, laut Familienchroniken um 1937, möglicherweise aber auch schon früher, da Helene in den Berliner Adressbüchern dieser Zeit ab 1932 als Haushaltsvorstand geführt wurde. Das Einkommen der Familie bestritt Helene in dieser Zeit aus ihrer Stellung als kaufmännische Angestellte.<br />
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Mit der schrittweisen Entrechtung und Verfolgung von Juden seit 1933 – beziehungsweise aller Personen, die nach den Nürnberger Gesetzen im NS-Staat als Juden galten – begannen auch Zwangsmaßnahmen gegen die Familie Becker. Darunter fielen zahlreiche Maßnahmen der Diskriminierung und sozialen Ausgrenzung, des Entzugs staatsbürgerlicher Rechte sowie der Verdrängung aus dem Berufs- und Wirtschaftsleben. Für Helenes Kinder bedeutete das, dass durch die Maßnahmen im Bildungswesen den antisemitischen Anfeindungen durch Mitschüler_innen und Lehrkräfte, denen sich jüdische Kinder regelmäßig ausgesetzt sahen, auch rechtlich Vorschub geleistet wurde. So sah ein Erlass von 1935 eine „möglichst vollständige Rassentrennung“ durch die „Einrichtung gesonderter jüdischer Schulen“ vor. Erika war zu diesem Zeitpunkt elf, Wilff zehn Jahre alt. 1935 arbeitete Helene als Stenotypistin und die Familie zog aus der Jablonskistraße in eine neue Wohnung in der Elbinger Straße 55 (heute Danziger Straße). Im Jahr 1936 folgte der nächste Schicksalsschlag für die Familie, Helenes Sohn Wilff verstarb im Alter von elf Jahren. Zum Zeitpunkt der Volkszählung im Mai 1939 wohnte Helenes Tochter Erika aus ungeklärten Gründen zur Untermiete bei einer Familie Pagel in der Kommandantenstraße 64 in Kreuzberg, Helene Becker hatte einen Untermieter namens Leopold Ludwig in der Elbinger Straße aufgenommen.<br />
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Ab 1938/1939 setzte in Berlin eine ungezügelte Entrechtung jüdischer Mieter ein. Vielfach mussten aus ihrer Wohnung Vertriebene in sogenannte Judenhäuser und Judenwohnungen ziehen, mit denen eine zwangsweise Konzentration und damit auch Isolation „nichtarischer“ Mieter erreicht wurde. Auch Helene und Erika mussten ihre Wohnung aufgeben. Ab Juni 1941 lebten sie in einem einzelnen, teilmöblierten Zimmer als Untermieterinnen von Israel Schilling in einer Wohnung in der zweiten Etage der Stargarder Straße 6. Im Herbst 1941 wurden die beiden Frauen zu Zwangsarbeit in „kriegswichtigen“ Betrieben in Berlin verpflichtet, Helene im Goerzwerk der „Zeiss Ikon Filmwerk AG“ in Lichtenberg, Erika in den Schuckertwerken von „Siemens & Halske“ in Spandau. Mit der Polizeiverordnung vom 1. September 1941 „über die Kennzeichnung der Juden“ konnten die beiden Frauen sich nur noch mit stigmatisierendem „Judenstern“ zu ihrem Arbeitsplatz bewegen.<br />
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Der vollständigen Entrechtung folgte die Deportation: SS-Angehörige riegelten in Berlin am Morgen des 27. Februars 1943 im Zuge der „Fabrik-Aktion“ schlagartig etwa 100 Betriebe ab und transportierten die Verhafteten auf offenen Lastkraftwagen zu vorbereiteten Sammelstellen. Darunter befanden sich auch Helene und Erika Becker. Am 1. März 1943 wurde die 49-jährige Helene Becker zusammen mit ihrer 19-jährigen Tochter und ihrer Schwester Lucie, verheiratete Wollmann, mit dem „31. Osttransport“ aus Berlin nach Auschwitz deportiert. Dort wurden die drei Frauen vermutlich unmittelbar nach ihrer Ankunft im Vernichtungslager am 2. März ermordet, in jedem Fall gehörten sie nicht zu den wenigen Überlebenden von Auschwitz.<br />
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Helenes Schwager Jacob Wollstein wurde am 2. März nach Auschwitz deportiert und dort ermordet. Helenes Schwestern Gertrud und Martha Rahel Kunstmann überlebten die NS-Verfolgung im Exil in England, Gertrud starb 1946 in Nottingham, Martha Rahel 1966 in London. Ihr Bruder Hans gelang mit seiner 1930 in Berlin geborenen Tochter Eva die Flucht nach Palästina. Er starb 1957 in der israelischen Stadt Cholon südlich von Tel Aviv.

Helene Kunstmann wurde am 21. August 1893 in Berlin als Tochter von Emilia Kunstmann, geb. Wiener, und Hermann Kunstmann geboren. Ihre Mutter (geb. 1857) stammte aus dem schlesischen Bunzlau (heute: Bolesławiec / Polen) und hatte in Berlin 1886 den vier Jahre älteren Berliner Kaufmann Hermann Kunstmann geheiratet. Zum Zeitpunkt der Geburt von Helene hatten Emilia und Hermann Kunstmann eine Wohnung in der Landsberger Str. 14 (heute Landsberger Allee) nahe dem Büsching-Platz (dem heutigen Platz der Vereinten Nationen). Helene wuchs hier im Kreis von vier Geschwistern auf: Ihre ältere Schwester Lucie war 1890 geboren worden, ihre jüngeren Schwestern Gertrud und Martha Rahel kamen 1894 und 1899 zur Welt, ihr Bruder Hans wurde 1900 geboren. Über die Kindheit und Jugend von Helene Kunstmann im Berlin der Kaiserzeit haben sich keine weiteren Quellen erhalten. Ihre Eltern gehörten aber aller Wahrscheinlichkeit nach der jüdischen Gemeinde Berlins an.

Im Februar 1908, da war Helene 15 Jahre alt, starb ihre Mutter Emilie und zwei Jahre später auch ihr Vater Hermann. Möglicherweise mussten Helene und Lucie nach dem Tod ihrer Eltern für ihre jüngeren Geschwister sorgen, aber es gibt keine Belege dafür. 1915 heiratete Helene Kunstmann in Berlin den drei Jahre älteren Alex Becker. Alex arbeitete in Berlin als Kaufmann und führte zwischen 1925 und Ende der 1920er-Jahre eine Großwarenhandlung für Schokolade in der Jablonskistraße 33 im Prenzlauer Berg. Im gleichen Haus lag auch die gemeinsame Wohnung des Ehepaars, das Mitte der 1920er-Jahre Zuwachs bekam: Am 7. Februar 1924 wurde ihre Tochter Erika geboren, 1925 folgte ihr Sohn Wilff. In den 1930er-Jahren verstarb Helenes Ehemann Alex, laut Familienchroniken um 1937, möglicherweise aber auch schon früher, da Helene in den Berliner Adressbüchern dieser Zeit ab 1932 als Haushaltsvorstand geführt wurde. Das Einkommen der Familie bestritt Helene in dieser Zeit aus ihrer Stellung als kaufmännische Angestellte.

Mit der schrittweisen Entrechtung und Verfolgung von Juden seit 1933 – beziehungsweise aller Personen, die nach den Nürnberger Gesetzen im NS-Staat als Juden galten – begannen auch Zwangsmaßnahmen gegen die Familie Becker. Darunter fielen zahlreiche Maßnahmen der Diskriminierung und sozialen Ausgrenzung, des Entzugs staatsbürgerlicher Rechte sowie der Verdrängung aus dem Berufs- und Wirtschaftsleben. Für Helenes Kinder bedeutete das, dass durch die Maßnahmen im Bildungswesen den antisemitischen Anfeindungen durch Mitschüler_innen und Lehrkräfte, denen sich jüdische Kinder regelmäßig ausgesetzt sahen, auch rechtlich Vorschub geleistet wurde. So sah ein Erlass von 1935 eine „möglichst vollständige Rassentrennung“ durch die „Einrichtung gesonderter jüdischer Schulen“ vor. Erika war zu diesem Zeitpunkt elf, Wilff zehn Jahre alt. 1935 arbeitete Helene als Stenotypistin und die Familie zog aus der Jablonskistraße in eine neue Wohnung in der Elbinger Straße 55 (heute Danziger Straße). Im Jahr 1936 folgte der nächste Schicksalsschlag für die Familie, Helenes Sohn Wilff verstarb im Alter von elf Jahren. Zum Zeitpunkt der Volkszählung im Mai 1939 wohnte Helenes Tochter Erika aus ungeklärten Gründen zur Untermiete bei einer Familie Pagel in der Kommandantenstraße 64 in Kreuzberg, Helene Becker hatte einen Untermieter namens Leopold Ludwig in der Elbinger Straße aufgenommen.

Ab 1938/1939 setzte in Berlin eine ungezügelte Entrechtung jüdischer Mieter ein. Vielfach mussten aus ihrer Wohnung Vertriebene in sogenannte Judenhäuser und Judenwohnungen ziehen, mit denen eine zwangsweise Konzentration und damit auch Isolation „nichtarischer“ Mieter erreicht wurde. Auch Helene und Erika mussten ihre Wohnung aufgeben. Ab Juni 1941 lebten sie in einem einzelnen, teilmöblierten Zimmer als Untermieterinnen von Israel Schilling in einer Wohnung in der zweiten Etage der Stargarder Straße 6. Im Herbst 1941 wurden die beiden Frauen zu Zwangsarbeit in „kriegswichtigen“ Betrieben in Berlin verpflichtet, Helene im Goerzwerk der „Zeiss Ikon Filmwerk AG“ in Lichtenberg, Erika in den Schuckertwerken von „Siemens & Halske“ in Spandau. Mit der Polizeiverordnung vom 1. September 1941 „über die Kennzeichnung der Juden“ konnten die beiden Frauen sich nur noch mit stigmatisierendem „Judenstern“ zu ihrem Arbeitsplatz bewegen.

Der vollständigen Entrechtung folgte die Deportation: SS-Angehörige riegelten in Berlin am Morgen des 27. Februars 1943 im Zuge der „Fabrik-Aktion“ schlagartig etwa 100 Betriebe ab und transportierten die Verhafteten auf offenen Lastkraftwagen zu vorbereiteten Sammelstellen. Darunter befanden sich auch Helene und Erika Becker. Am 1. März 1943 wurde die 49-jährige Helene Becker zusammen mit ihrer 19-jährigen Tochter und ihrer Schwester Lucie, verheiratete Wollmann, mit dem „31. Osttransport“ aus Berlin nach Auschwitz deportiert. Dort wurden die drei Frauen vermutlich unmittelbar nach ihrer Ankunft im Vernichtungslager am 2. März ermordet, in jedem Fall gehörten sie nicht zu den wenigen Überlebenden von Auschwitz.

Helenes Schwager Jacob Wollstein wurde am 2. März nach Auschwitz deportiert und dort ermordet. Helenes Schwestern Gertrud und Martha Rahel Kunstmann überlebten die NS-Verfolgung im Exil in England, Gertrud starb 1946 in Nottingham, Martha Rahel 1966 in London. Ihr Bruder Hans gelang mit seiner 1930 in Berlin geborenen Tochter Eva die Flucht nach Palästina. Er starb 1957 in der israelischen Stadt Cholon südlich von Tel Aviv.