Luise Friedländer geb. Behrens

Verlegeort
Sybelstr. 39
Bezirk/Ortsteil
Charlottenburg
Verlegedatum
08. November 2011
Geboren
12. Februar 1861 in Waren (Müritz)
Deportation
am 12. Juni 1942 nach Theresienstadt
Ermordet
15. September 1942 in Theresienstadt

Luise Friedländer, geb. Behrens, war seit Dezember 1938 Untermieterin von Georg und Rosa Lubszynski, die ihre Wohnung im 4. Stock, rechts, der Sybelstraße 39 hatten. Sie wurde am 12. Februar 1861 in Waren/Müritz geboren.<br />
<br />
Als Witwe erhielt sie seit 1. Januar 1926 eine staatliche Versorgungsrente von 800 RM jährlich, die in zwei Raten ausgezahlt wurde. <br />
<br />
In ihre Vermögenserklärung, die sie vor ihrer Deportation ausfüllen musste, schrieb sie: „Ich wohne in Pension 1 Zimmer teilmöbliert Pensionspreis monatl. 140 RM, Wohnungsinhaber Georg Lubszynski Jude.“ Unter „Beruf“ trug sie ein: „ohne Beschäftigung“, bei „Konfession“ formulierte sie: „Jude“. Ihr früherer Beruf ist unbekannt.<br />
<br />
Offenbar hatte Luise Friedländer etwas zurücklegen können. Neben einem Guthaben von 399 Reichsmark hatte sie bei der Commerzbank elf Wertpapiere für insgesamt 17 600 Reichsmark, die ihr nach der Deportation geraubt wurden. Am 23. Januar 1943 notierten die NS-Behörden in ihrer grausamen Sprache: „Das Vermögen der abgeschobenen Jüdin Luise Friedländer ist … dem Reich verfallen.“ Am 11. Juni 1943 wurde bestätigt, dass ihr Erspartes „zugunsten des Deutschen Reiches eingezogen“ worden ist. Auch Inventar und Wäsche sowie allerlei Gegenstände einschließlich Silberlöffel und Reisekoffer wurden verhökert. Möbel und Hausrat waren auf 30,10 RM taxiert worden und gingen an den Gebrauchtmöbelhändler Wilhelm Hahn, Gatschkestraße 17. Die Textilien wurden von der Firma Hedwig Andruck, Spreestraße 23, für 14 RM aufgekauft. Diese Händler bereicherten sich ebenso wie der Nazi-Staat am Eigentum der am 15. September 1942 im Alter von 74 Jahren ums Leben gebrachten Frau.<br />
<br />
Am 12. Juni 1942 war Luise Friedländer in einem mit 50 alten Menschen vollbesetzten Waggon vom Bahnhof Grunewald ins Ghetto Theresienstadt deportiert worden. Sie sei „mit unbekanntem Ziel nach dem Osten evakuiert“, hielt der Beamte Dr. Schulzenstein von der Reichsschuldenverwaltung am 27. August 1942 fest, der den Auftrag hatte, Geld einzutreiben.<br />
<br />
Besonders absurd erscheint ein im Brandenburgischen Landeshauptarchiv in Potsdam erhaltener amtlicher Vorgang. Am 23. Juni 1942 schrieb Lubczynski an den Oberfinanzpräsidenten Berlin-Brandenburg in unterwürfigem Ton, dass das Zimmer, das er an „die vor 2 Wochen abgewanderte Luise Friedländer“ vermietet habe, „mir gehörige Gegenstände enthält. Für baldige Entsiegelung des Zimmers wäre ich Ihnen sehr verbunden.“ Vier Wochen später erließ die Oberfinanzbehörde tatsächlich eine Verfügung an den „Herrn Vollstreckungsbeamten“, dass die Übergardinen und die Beleuchtungskörper, die dem Hauptmieter Lubszynski gehörten, „freizugeben sind“, die Möbel aber hätten „im Zimmer zu verbleiben“, unterzeichnet: Berger. <br />
<br />
In einem hierzu verfassten Bericht des Beamten Röder vom 17. August 1942 heißt es: „Zimmer bleibt versiegelt, bis die Sachen der Jüdin Friedländer abgeholt werden.“ Und in einem handschriftlichen Zusatz ist zu lesen: „Lubszynski ist inzwischen abgewandert, die Freigabe ist überholt. Händler ist benachrichtigt.“ Unterschrift: Hahn. Dieser Zusatz ist vom 21. August 1942 datiert, obwohl Georg und Rosa Lubszynski erst am 19. Oktober 1942 nach Riga deportiert und dort gleich nach der Ankunft am 22. Oktober 1942 erschossen wurden. Vielleicht waren sie zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr in ihrer Wohnung. Ein Finanzbeamter machte sich über Lubszynski lustig, indem er dessen Namen in einer Akte als „Sauergurki“ verunstaltete. Jedenfalls ist Luise Friedländers Wohnungseinrichtung am 19. September1942 „dem Einzelwarenhändler Wilhelm Hahn zum Händlereinkaufspreis von 30,10 RM übergeben“ worden.<br />
<br />
Das elende Gezerre um Luise Friedländers Nachlass ist ein anschauliches Beispiel für die unmenschliche Bürokratie der deutschen Nationalsozialisten und ihrer willigen Erfüllungsgehilfen, ohne die solche Verbrechen in diesem Ausmaß nicht möglich gewesen wären.

Luise Friedländer, geb. Behrens, war seit Dezember 1938 Untermieterin von Georg und Rosa Lubszynski, die ihre Wohnung im 4. Stock, rechts, der Sybelstraße 39 hatten. Sie wurde am 12. Februar 1861 in Waren/Müritz geboren.

Als Witwe erhielt sie seit 1. Januar 1926 eine staatliche Versorgungsrente von 800 RM jährlich, die in zwei Raten ausgezahlt wurde.

In ihre Vermögenserklärung, die sie vor ihrer Deportation ausfüllen musste, schrieb sie: „Ich wohne in Pension 1 Zimmer teilmöbliert Pensionspreis monatl. 140 RM, Wohnungsinhaber Georg Lubszynski Jude.“ Unter „Beruf“ trug sie ein: „ohne Beschäftigung“, bei „Konfession“ formulierte sie: „Jude“. Ihr früherer Beruf ist unbekannt.

Offenbar hatte Luise Friedländer etwas zurücklegen können. Neben einem Guthaben von 399 Reichsmark hatte sie bei der Commerzbank elf Wertpapiere für insgesamt 17 600 Reichsmark, die ihr nach der Deportation geraubt wurden. Am 23. Januar 1943 notierten die NS-Behörden in ihrer grausamen Sprache: „Das Vermögen der abgeschobenen Jüdin Luise Friedländer ist … dem Reich verfallen.“ Am 11. Juni 1943 wurde bestätigt, dass ihr Erspartes „zugunsten des Deutschen Reiches eingezogen“ worden ist. Auch Inventar und Wäsche sowie allerlei Gegenstände einschließlich Silberlöffel und Reisekoffer wurden verhökert. Möbel und Hausrat waren auf 30,10 RM taxiert worden und gingen an den Gebrauchtmöbelhändler Wilhelm Hahn, Gatschkestraße 17. Die Textilien wurden von der Firma Hedwig Andruck, Spreestraße 23, für 14 RM aufgekauft. Diese Händler bereicherten sich ebenso wie der Nazi-Staat am Eigentum der am 15. September 1942 im Alter von 74 Jahren ums Leben gebrachten Frau.

Am 12. Juni 1942 war Luise Friedländer in einem mit 50 alten Menschen vollbesetzten Waggon vom Bahnhof Grunewald ins Ghetto Theresienstadt deportiert worden. Sie sei „mit unbekanntem Ziel nach dem Osten evakuiert“, hielt der Beamte Dr. Schulzenstein von der Reichsschuldenverwaltung am 27. August 1942 fest, der den Auftrag hatte, Geld einzutreiben.

Besonders absurd erscheint ein im Brandenburgischen Landeshauptarchiv in Potsdam erhaltener amtlicher Vorgang. Am 23. Juni 1942 schrieb Lubczynski an den Oberfinanzpräsidenten Berlin-Brandenburg in unterwürfigem Ton, dass das Zimmer, das er an „die vor 2 Wochen abgewanderte Luise Friedländer“ vermietet habe, „mir gehörige Gegenstände enthält. Für baldige Entsiegelung des Zimmers wäre ich Ihnen sehr verbunden.“ Vier Wochen später erließ die Oberfinanzbehörde tatsächlich eine Verfügung an den „Herrn Vollstreckungsbeamten“, dass die Übergardinen und die Beleuchtungskörper, die dem Hauptmieter Lubszynski gehörten, „freizugeben sind“, die Möbel aber hätten „im Zimmer zu verbleiben“, unterzeichnet: Berger.

In einem hierzu verfassten Bericht des Beamten Röder vom 17. August 1942 heißt es: „Zimmer bleibt versiegelt, bis die Sachen der Jüdin Friedländer abgeholt werden.“ Und in einem handschriftlichen Zusatz ist zu lesen: „Lubszynski ist inzwischen abgewandert, die Freigabe ist überholt. Händler ist benachrichtigt.“ Unterschrift: Hahn. Dieser Zusatz ist vom 21. August 1942 datiert, obwohl Georg und Rosa Lubszynski erst am 19. Oktober 1942 nach Riga deportiert und dort gleich nach der Ankunft am 22. Oktober 1942 erschossen wurden. Vielleicht waren sie zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr in ihrer Wohnung. Ein Finanzbeamter machte sich über Lubszynski lustig, indem er dessen Namen in einer Akte als „Sauergurki“ verunstaltete. Jedenfalls ist Luise Friedländers Wohnungseinrichtung am 19. September1942 „dem Einzelwarenhändler Wilhelm Hahn zum Händlereinkaufspreis von 30,10 RM übergeben“ worden.

Das elende Gezerre um Luise Friedländers Nachlass ist ein anschauliches Beispiel für die unmenschliche Bürokratie der deutschen Nationalsozialisten und ihrer willigen Erfüllungsgehilfen, ohne die solche Verbrechen in diesem Ausmaß nicht möglich gewesen wären.