Martha Silbermann kam 1884 in Berlin als Tochter der Eheleute Bernstein zur Welt. 1908 heiratete sie den aus dem russischen Odessa stammenden Salomon Silbermann. <br />
Martha war elf Jahre jünger als ihr Mann und sie blieb zunächst kinderlos, bis sich Martha und Salomon Silbermann 1918 zur Adoption der dreijährigen Gerda entschlossen, die 1934 Werner Levinsohn heiraten und mit ihm drei Kinder haben wird.<br />
1923 erhielt Marthas Mann die deutsche Staatsbürgerschaft. Er gab den erlernten Beruf als Buchbinder auf und eröffnete einen Elektro-Großhandelsbetrieb. Anfangs aus seiner Wohnung in der Neuen Königsstraße 32 nahe dem Strausberger Platz betrieben, eröffnete Salomon 1922 einen Geschäftsbetrieb in der Neuen Promenade 7 (jetzt Hackescher Markt), den er 1927 in die Blumenstraße 7 nahe Alexanderplatz verlegte.<br />
Spätestens 1934 zeichnete sich der Niedergang des bis dahin erfolgreichen Lebens der Silbermanns ab: die wachsenden Repressionen gegen Juden sorgten für den wirtschaftlichen Niedergang des Geschäfts – ein regelmäßiger Wohnungswechsel war die Folge, bis das Ehepaar Silbermann im April 1937 eine Wohnung in der Thomasiusstraße 17 (VH 1. Etage links) bezog. <br />
Da vom Verlust praktisch aller Bürgerrechte auch andere Juden betroffen waren, mussten die Silbermanns schließlich das Ehepaar Rotholz und die Witwe Clara Hipp bei sich aufnehmen – nun lebten drei Mietparteien in der 3-Zimmer-Wohnung.<br />
Am 1. Juni 1939 wurde Marthas Mann durch neue Gesetze gezwungen, die Löschung der Firma aus dem Handelsregister zu beantragen. Die Kostenrechnung für diesen Vorgang nennt als Gegenstandswert: Kaufpreis 3.000 RM.<br />
Der „Gegenstand“ ist ein 220 qm großes Ladengeschäft mit Einrichtung, Lagerbestand und LKW, das 1933 einen Jahresumsatz von 60.000 RM und sieben Beschäftigte hatte.<br />
Fortan bestand das Leben zunehmend aus Demütigung und Entbehrung: 1942 wies das Konto bei der Filiale der Deutschen Bank (gleich an der Ecke Thomasiusstraße) noch 650 RM aus. Die Inventarbewertung des Vollzugsbeamten Fechner und des Trödlers Berndt beinhaltete wenig später keine Gemälde mehr, keinen Schmuck, keine Teppiche, keine Bücher: Alles musste verkauft oder getauscht werden, um das Minimum zur Lebenserhaltung zu sichern.<br />
Am 11. Juni 1942 wurden Martha und Salomon Silbermann im „4. Alterstransport“ mit dem Personenzug 3. Klasse nach Theresienstadt deportiert: Nach 17 Stunden erreichte der Zug der Silbermanns um 18.47 Uhr den Bahnhof Bohušovice. Es folgte ein drei Stunden dauernder Fußmarsch für die 2,5 Kilometer bis zur Festung Theresienstadt. <br />
Am Lagereingang, der „Schleuse“, erfolgten die Durchsuchung des Gepäcks, sofern dies nicht verloren gegangen war, sowie Registratur, Befragungen und Quartierszuteilung. Diese Prozedur dauerte oft einen ganzen Tag.<br />
Es ist nicht bekannt, wo und wie die Silbermanns zunächst unterkamen. Aber wir wissen, dass in dem Lager zu dieser Zeit mit über 58.000 Personen bereits der Höchststand der Zwangsbevölkerung erreicht wurde – für Juni 1942 wurden 269 Todesfälle, davon fünf Selbstmorde, verzeichnet.<br />
Vor Martha Silbermann und ihrem Mann Salomon lagen nun schlimme Zeiten: Aufgrund der erbärmlichen Lebensbedingungen starben in den folgenden Monaten über 22.000 Menschen. Am 27. Juni 1943, also ein Jahr nach der Deportation und zwei Monate vor seinem 70. Geburtstag, starb auch Marthas Ehemann. Dem Totenschein entnehmen wir, dass er im Raum 50 und seine Frau Martha im Raum 22 von Blocks E VII untergebracht war, der wie folgt beschrieben wird:<br />
„Das verkommene und unbewohnte Gebäude mit Kasematten diente 1942 als Schleuse, später wurden hier unter schrecklichen Bedingungen alte und in einem Teil auch geisteskranke Häftlinge untergebracht“.<br />
Zehn Wochen nach dem Tod Ihres Mannes wurde im September 1943 Martha Silbermann mit dem als „Arbeitseinsatz“ deklarierten Transport D1 zusammen mit einem zweiten Transport nach Auschwitz-Birkenau deportiert. Die 5.007 Deportierten dieser beiden Züge wurden im sogenannten Familienlager, zwischen dem Frauenlager und dem großen ungarischen Lagerabschnitt, untergebracht.<br />
Anders als den übrigen KZ-Häftlingen wurden den Ankömmlingen nicht die Haare geschoren, Familien wurden nicht getrennt, sie konnten ihr Gepäck behalten, ihre mitgebrachten Kleidung tragen und sie wurden nicht zu Arbeitseinsätzen gezwungen. Alle aber trugen den Vermerk „SB-Transport tschechischer Juden mit sechsmonatiger Quarantäne“ in den Akten – das bedeutete die geplante Ermordung nach sechs Monaten. Unterkunft, Verpflegung und die grausame Behandlung waren nicht anders als im übrigen Lager und forderte, vorwiegend unter den älteren Häftlingen, 1.100 Tote.<br />
In der Nacht vom 8. auf den 9. März 1944 (das ist das Datum des jüdischen Purim-Freudenfests) wurden 3.791 Menschen, zuerst die Männer, dann die Frauen, in den Gaskammern ermordet. Alle wussten, anders als die meisten Selektionsopfer, die gleich nach Ankunft der Transporte in den Tod gingen, was das Betreten der „Duschräume“ für sie bedeutete.<br />
Martha Silbermann, deren letztes Lebenszeichen der Transportschein nach Auschwitz ist, hat diesen Tag ganz sicher nicht überlebt – wegen ihres Alters- und Gesundheitszustandes gehört sie eher zu den 1.100 schon vorher Verstorbenen des Theresienstadt-Transportes.<br />
Es ist nicht festzustellen, ob Martha Silbermann je erfuhr, was ihrer Adoptivtochter Gerda widerfuhr: Gerda Levinsohn wurde 1942 mit ihrem Ehemann und ihren drei Kindern bei einer Razzia der Gestapo verhaftet und ebenfalls in Auschwitz ermordet.<br />
Martha war elf Jahre jünger als ihr Mann und sie blieb zunächst kinderlos, bis sich Martha und Salomon Silbermann 1918 zur Adoption der dreijährigen Gerda entschlossen, die 1934 Werner Levinsohn heiraten und mit ihm drei Kinder haben wird.
1923 erhielt Marthas Mann die deutsche Staatsbürgerschaft. Er gab den erlernten Beruf als Buchbinder auf und eröffnete einen Elektro-Großhandelsbetrieb. Anfangs aus seiner Wohnung in der Neuen Königsstraße 32 nahe dem Strausberger Platz betrieben, eröffnete Salomon 1922 einen Geschäftsbetrieb in der Neuen Promenade 7 (jetzt Hackescher Markt), den er 1927 in die Blumenstraße 7 nahe Alexanderplatz verlegte.
Spätestens 1934 zeichnete sich der Niedergang des bis dahin erfolgreichen Lebens der Silbermanns ab: die wachsenden Repressionen gegen Juden sorgten für den wirtschaftlichen Niedergang des Geschäfts – ein regelmäßiger Wohnungswechsel war die Folge, bis das Ehepaar Silbermann im April 1937 eine Wohnung in der Thomasiusstraße 17 (VH 1. Etage links) bezog.
Da vom Verlust praktisch aller Bürgerrechte auch andere Juden betroffen waren, mussten die Silbermanns schließlich das Ehepaar Rotholz und die Witwe Clara Hipp bei sich aufnehmen – nun lebten drei Mietparteien in der 3-Zimmer-Wohnung.
Am 1. Juni 1939 wurde Marthas Mann durch neue Gesetze gezwungen, die Löschung der Firma aus dem Handelsregister zu beantragen. Die Kostenrechnung für diesen Vorgang nennt als Gegenstandswert: Kaufpreis 3.000 RM.
Der „Gegenstand“ ist ein 220 qm großes Ladengeschäft mit Einrichtung, Lagerbestand und LKW, das 1933 einen Jahresumsatz von 60.000 RM und sieben Beschäftigte hatte.
Fortan bestand das Leben zunehmend aus Demütigung und Entbehrung: 1942 wies das Konto bei der Filiale der Deutschen Bank (gleich an der Ecke Thomasiusstraße) noch 650 RM aus. Die Inventarbewertung des Vollzugsbeamten Fechner und des Trödlers Berndt beinhaltete wenig später keine Gemälde mehr, keinen Schmuck, keine Teppiche, keine Bücher: Alles musste verkauft oder getauscht werden, um das Minimum zur Lebenserhaltung zu sichern.
Am 11. Juni 1942 wurden Martha und Salomon Silbermann im „4. Alterstransport“ mit dem Personenzug 3. Klasse nach Theresienstadt deportiert: Nach 17 Stunden erreichte der Zug der Silbermanns um 18.47 Uhr den Bahnhof Bohušovice. Es folgte ein drei Stunden dauernder Fußmarsch für die 2,5 Kilometer bis zur Festung Theresienstadt.
Am Lagereingang, der „Schleuse“, erfolgten die Durchsuchung des Gepäcks, sofern dies nicht verloren gegangen war, sowie Registratur, Befragungen und Quartierszuteilung. Diese Prozedur dauerte oft einen ganzen Tag.
Es ist nicht bekannt, wo und wie die Silbermanns zunächst unterkamen. Aber wir wissen, dass in dem Lager zu dieser Zeit mit über 58.000 Personen bereits der Höchststand der Zwangsbevölkerung erreicht wurde – für Juni 1942 wurden 269 Todesfälle, davon fünf Selbstmorde, verzeichnet.
Vor Martha Silbermann und ihrem Mann Salomon lagen nun schlimme Zeiten: Aufgrund der erbärmlichen Lebensbedingungen starben in den folgenden Monaten über 22.000 Menschen. Am 27. Juni 1943, also ein Jahr nach der Deportation und zwei Monate vor seinem 70. Geburtstag, starb auch Marthas Ehemann. Dem Totenschein entnehmen wir, dass er im Raum 50 und seine Frau Martha im Raum 22 von Blocks E VII untergebracht war, der wie folgt beschrieben wird:
„Das verkommene und unbewohnte Gebäude mit Kasematten diente 1942 als Schleuse, später wurden hier unter schrecklichen Bedingungen alte und in einem Teil auch geisteskranke Häftlinge untergebracht“.
Zehn Wochen nach dem Tod Ihres Mannes wurde im September 1943 Martha Silbermann mit dem als „Arbeitseinsatz“ deklarierten Transport D1 zusammen mit einem zweiten Transport nach Auschwitz-Birkenau deportiert. Die 5.007 Deportierten dieser beiden Züge wurden im sogenannten Familienlager, zwischen dem Frauenlager und dem großen ungarischen Lagerabschnitt, untergebracht.
Anders als den übrigen KZ-Häftlingen wurden den Ankömmlingen nicht die Haare geschoren, Familien wurden nicht getrennt, sie konnten ihr Gepäck behalten, ihre mitgebrachten Kleidung tragen und sie wurden nicht zu Arbeitseinsätzen gezwungen. Alle aber trugen den Vermerk „SB-Transport tschechischer Juden mit sechsmonatiger Quarantäne“ in den Akten – das bedeutete die geplante Ermordung nach sechs Monaten. Unterkunft, Verpflegung und die grausame Behandlung waren nicht anders als im übrigen Lager und forderte, vorwiegend unter den älteren Häftlingen, 1.100 Tote.
In der Nacht vom 8. auf den 9. März 1944 (das ist das Datum des jüdischen Purim-Freudenfests) wurden 3.791 Menschen, zuerst die Männer, dann die Frauen, in den Gaskammern ermordet. Alle wussten, anders als die meisten Selektionsopfer, die gleich nach Ankunft der Transporte in den Tod gingen, was das Betreten der „Duschräume“ für sie bedeutete.
Martha Silbermann, deren letztes Lebenszeichen der Transportschein nach Auschwitz ist, hat diesen Tag ganz sicher nicht überlebt – wegen ihres Alters- und Gesundheitszustandes gehört sie eher zu den 1.100 schon vorher Verstorbenen des Theresienstadt-Transportes.
Es ist nicht festzustellen, ob Martha Silbermann je erfuhr, was ihrer Adoptivtochter Gerda widerfuhr: Gerda Levinsohn wurde 1942 mit ihrem Ehemann und ihren drei Kindern bei einer Razzia der Gestapo verhaftet und ebenfalls in Auschwitz ermordet.