Victor Leopold Tugendhat

Verlegeort
Uhlandstr. 77
Bezirk/Ortsteil
Wilmersdorf
Verlegedatum
07. Oktober 2020
Geboren
10. Dezember 1873 in Mosciska (Galizien) / Mostyska
Beruf
Bankbeamter
Deportation
am 18. Oktober 1941 nach Łódź / Litzmannstadt
Ermordet
in Łódź / Litzmannstadt

Victor Leopold Tugendhat wurde in Galizien in der Stadt Mosciska (ukrainisch Mostyska) am 10. Dezember 1873 - nach einigen Quellen 1875 - geboren. Mosciska gehörte damals zu Österreich-Ungarn, nach dem Ersten Weltkrieg wurde die Stadt polnisch und nach dem Zweiten Weltkrieg dann der Ukraine zugeschlagen. Mosciska liegt heute nahe der polnisch/ukrainischen Grenze.

Bereits im 18. Jahrhundert war die Stadt ein wichtiges Zentrum der Juden Galiziens. Victors Vater Joseph Tugendhat hatte Medizin studieren können und brachte es zum K.u.k. - Bezirksarzt in Mosciska. Schon 1861 war er als Mitglied in das Kollegium der medizinischen Fakultät der Universität Wien aufgenommen worden. Mit seiner Frau Hermine geb. Tugendhat hatte er außer Victor noch vier Kinder: Moritz, Hugo Samuel, Bruno und Stefanie. Victor war der Zweitjüngste.

Victor machte eine Bankkaufmannslehre. Vermutlich verschlug es ihn dabei nach Berlin, wo er seine spätere Ehefrau Marta Exiner kennenlernte. Marta war in Berlin am 23. April 1873 als Tochter des Kaufmanns Adolf Exiner und seiner Frau Ernestine geb. Badt geboren worden. Sie hatte zwei Schwestern, Berta und Ida und zwei Brüder, Salomon und Zigfried. Adolf Exiner war Mitinhaber der Stoffhutfabrik J. Badt & Co, zusammen mit J. Badt, wahrscheinlich seinem Schwiegervater.

Marta und Victor dürften zum Zeitpunkt ihrer Heirat noch ziemlich jung gewesen sein, denn schon 1895 bekamen sie einen Sohn, Josef. Das Paar lebte inzwischen im mährischen Groß Steurowitz (tschechisch Starovice), zog aber wohl bald nach Josefs Geburt wieder nach Berlin. Im Berliner Adressbuch ist Victor erstmalig 1900 in der Dorotheenstraße 82 verzeichnet, Beruf: Bankbeamter. Am 17. März 1902 erblickte die Tochter Irma das Licht der Welt, nun in der Blankenfeldstraße 3. Ein Jahr nach Irmas Geburt zog die Familie in die Wallner-Theater-Straße 7, in das Haus, in dem Martas Eltern wohnten. Folgt man dem Adressbuch, blieben sie dort, bis sie 1907 in Charlottenburg eine Wohnung in der Grolmanstraße 64 bezogen. Dort wohnten sie noch, als 1936 - die Nationalsozialisten waren bereits drei Jahre an der Macht - Victor in den Ruhestand versetzt wurde. Victor war 63 oder 65 Jahre alt, offen bleibt, ob er „regulär“ in Pension ging oder als Jude frühzeitig entlassen wurde. Tochter Irma war schon zu Beginn der NS-Herrschaft 1933 mit ihrem Mann Paul Unger zunächst nach England und weiter nach Palästina ausgewandert.

In die Uhlandstraße 77 zogen Victor und Marta erst 1938. Sie wünschten sich, zur Tochter ziehen zu können, hatten aber weder das Geld noch ein Visum. Wie die meisten Juden waren sie inzwischen durch die Verfolgung und Diskriminierung seitens der Regierung entrechtet und verarmt. Die letzten erhaltenen Dokumente sind ein Briefwechsel zwischen Victor Tugendhat und seinem Bruder Bruno Tugendhat (wohnhaft in Stuttgart). In diesen Briefen (1939-1941) ist von der zunehmenden Verarmung, von Hunger und von der Angst vor der drohenden Wohnungskündigung und Abholung die Rede, außerdem von den hilflosen Versuchen Geld und die Möglichkeit zur Emigration zu finden.

Mit dem Beginn der Deportationen aus Berlin im Oktober 1941 ereilte auch sie dieses Schicksal. Gleich mit dem ersten „Transport“ am 18. Oktober 1941 wurden Marta und Victor nach Lodz/Litzmannstadt verschleppt und dort in dem Ghetto in die Kreuzstraße 2a eingewiesen. Die Lebensbedingungen im durch Stacheldraht abgeriegelten Ghetto waren katastrophal. Keine Heizung, keine Toiletten, keine Betten, weitgehend mussten die Menschen auf Strohsäcken oder dem nackten Boden in Massenunterkünften schlafen, die Ernährung war völlig unzureichend. Hunger, Kälte, Erschöpfung und Krankheiten rafften viele Leute dahin. Auch Victor Leopold Tugendhat überlebte nicht lange, er starb am 11. oder 12. März 1942. Wenige Wochen darauf, am 12. Mai 1942, wurde Marta Tugendhat in das Vernichtungslager Kulmhof (Chelmno) weiter deportiert und dort ermordet.

Der Sohn Josef Tugendhat überlebte, er starb 1956 in Wilhelmshaven. Auch Victors Bruder Bruno überstand dank seiner nichtjüdischen Ehefrau den Krieg. Von Victors Schwester Stefanie weiß man nur, dass sie 1920 in New York lebte. Das Schicksal der anderen Geschwister ist unbekannt.

Victor Leopold Tugendhat wurde in Galizien in der Stadt Mosciska (ukrainisch Mostyska) am 10. Dezember 1873 – nach einigen Quellen 1875 – geboren. Mosciska gehörte damals zu Österreich-Ungarn, nach dem Ersten Weltkrieg wurde die Stadt polnisch und nach dem Zweiten Weltkrieg dann der Ukraine zugeschlagen. Mosciska liegt heute nahe der polnisch-ukrainischen Grenze. Bereits im 18. Jahrhundert war die Stadt ein wichtiges Zentrum der Juden Galiziens.

Victors Vater Joseph Tugendhat hatte Medizin studieren können und brachte es zum K.u.k. - Bezirksarzt in Mosciska. Schon 1861 war er in das Kollegium der medizinischen Fakultät der Universität Wien aufgenommen worden. Mit seiner Frau Hermine, geb. Tugendhat, hatte er außer Victor noch vier Kinder: Moritz, Hugo Samuel, Bruno und Stefanie. Victor war der Zweitjüngste.

Victor machte eine Bankkaufmannslehre. Vermutlich verschlug es ihn dabei nach Berlin, wo er seine spätere Ehefrau Marta Exiner kennenlernte. Marta war am 23. April 1873 als Tochter des Kaufmanns Adolf Exiner und seiner Frau Ernestine, geb. Badt, in Berlin geboren worden. Sie hatte zwei Schwestern, Berta und Ida, und zwei Brüder, Salomon und Zigfried. Adolf Exiner war Mitinhaber der Stoffhutfabrik J. Badt & Co, zusammen mit J. Badt, wahrscheinlich seinem Schwiegervater.

Marta und Victor dürften zum Zeitpunkt ihrer Heirat noch ziemlich jung gewesen sein, denn schon 1895 bekamen sie einen Sohn, Josef. Das Paar lebte inzwischen im mährischen Groß Steurowitz (tschechisch Starovice), zog aber wohl bald nach Josefs Geburt wieder nach Berlin. Im Berliner Adressbuch ist Victor erstmalig 1900 in der Dorotheenstraße 82 verzeichnet, Beruf: Bankbeamter. Am 17. März 1902 erblickte die Tochter Irma das Licht der Welt, nun in der Blankenfeldstraße 3. Ein Jahr nach Irmas Geburt zog die Familie in die Wallner-Theater-Straße 7, in das Haus, in dem Martas Eltern wohnten. Folgt man dem Adressbuch, blieben sie dort, bis sie 1907 in Charlottenburg eine Wohnung in der Grolmanstraße 64 bezogen. Dort wohnten sie noch, als 1936 – die Nationalsozialisten waren bereits drei Jahre an der Macht – Victor in den Ruhestand versetzt wurde. Victor war 63 oder 65 Jahre alt, offen bleibt, ob er „regulär“ in Pension ging oder als Jude frühzeitig entlassen wurde. Tochter Irma war schon zu Beginn der NS-Herrschaft 1933 mit ihrem Mann Paul Unger zunächst nach England und weiter nach Palästina ausgewandert.

In die Uhlandstraße 77 zogen Victor und Marta erst 1938. Sie wünschten sich, zur Tochter ziehen zu können, hatten aber weder das Geld noch ein Visum. Wie die restliche jüdische Bevölkerung waren sie inzwischen durch die Verfolgung und Diskriminierung seitens der Regierung entrechtet und verarmt. Die letzten erhaltenen Dokumente sind ein Briefwechsel zwischen Victor Tugendhat und seinem Bruder Bruno Tugendhat (wohnhaft in Stuttgart). In diesen Briefen (1939–1941) ist von der zunehmenden Verarmung, von Hunger und von der Angst vor der drohenden Wohnungskündigung und Abholung die Rede, außerdem von den hilflosen Versuchen Geld und die Möglichkeit zur Emigration zu finden.

Mit dem Beginn der Deportationen aus Berlin im Oktober 1941 ereilte auch sie dieses Schicksal. Gleich mit dem ersten „Transport“ am 18. Oktober 1941 wurden Marta und Victor Tugendhat nach Lodz/Litzmannstadt verschleppt und dort in dem Ghetto in die Kreuzstraße 2a eingewiesen. Die Lebensbedingungen im durch Stacheldraht abgeriegelten Ghetto waren katastrophal. Keine Heizung, keine Toiletten, keine Betten, weitgehend mussten die Menschen auf Strohsäcken oder dem nackten Boden in Massenunterkünften schlafen, die Ernährung war völlig unzureichend. Hunger, Kälte, Erschöpfung und Krankheiten rafften viele Leute dahin. Auch Victor Leopold Tugendhat überlebte nicht lange, er starb am 11. oder 12. März 1942. Wenige Wochen darauf, am 12. Mai 1942, wurde Marta Tugendhat in das Vernichtungslager Kulmhof (Chelmno) weiter deportiert und dort ermordet.

Der Sohn Josef Tugendhat überlebte, er starb 1956 in Wilhelmshaven. Auch Victors Bruder Bruno überstand dank seiner nichtjüdischen Ehefrau den Krieg. Von Victors Schwester Stefanie weiß man nur, dass sie 1920 in New York lebte. Das Schicksal der anderen Geschwister ist unbekannt.