Hannchen Friedenstein geb. Schwersenz

Verlegeort
Weichselstr. 17
Bezirk/Ortsteil
Friedrichshain
Verlegedatum
23. März 2021
Geboren
28. August 1875 in Samter (Posen) / Szamotuły
Beruf
Schneiderin
Deportation
am 17. März 1943 nach Theresienstadt
Ermordet
23. Februar 1944 in Theresienstadt

Hannchen Friedenstein kam am 28. August 1875 in Samter in der preußischen Provinz Posen als Tochter des jüdischen Schneiders Louis Leib Schwersenz und seiner Ehefrau Pauline Feigele, geb. Lewin, zur Welt. Die Stadt Samter (heute Szamotuły in Polen) befindet sich 32 km nordwestlich von Posen. Hannchen hatte noch mindestens vier Geschwister: Dorchen (*1866), Nathan (*1868), Joseph (*1869) und Simon (*1873). Über ihre Kindheit und Jugend haben sich keine Zeugnisse erhalten. Die Geschwister Schwersenz erlernten alle das Schneiderhandwerk und zogen als junge Erwachsene in die Reichshauptstadt. Wahrscheinlich folgte ihnen Hannchen in den 1890er-Jahren, nachdem ihre Eltern in Samter verstorben waren.<br />
Sie heiratete am 24. Dezember 1903 den 1879 in Breslau geborenen Schneider Ernst Friedenstein. Auch er gehörte der jüdischen Religionsgemeinschaft an. Zum Zeitpunkt der Hochzeit wohnte Hannchen in der Reichenberger Straße 25, wahrscheinlich zur Untermiete, und verdiente ihren Lebensunterhalt als Schneiderin. <br />
Die Eheleute lebten zunächst in der Zorndorfer Straße 43 (heute Mühsamstraße), direkt am Petersburger Platz. Dort kamen auch ihre Zwillinge zur Welt: Am 15. September 1904 wurden im Abstand von einigen Stunden Cäcilie und Ludwig Friedenstein geboren. Es haben sich keine Informationen erhalten, die einen Einblick in das Leben der Familie in den letzten Jahren des Kaiserreichs, der Zeit des Ersten Weltkriegs und den Jahren in der Weimarer Republik geben könnten. Laut Berliner Adressbuch zog die Familie um das Jahr 1913 in die Weichselstraße 17. Die Kinder Cäcilie und Ludwig besuchten die Volksschule. Ludwig erlernte – wie seine Eltern – das Schneiderhandwerk. Welchen Beruf Cäcilie ergriff, ist nicht bekannt. Die Ehe zwischen Ernst und Hannchen Friedenstein wurde am 3. Januar 1925, nach über 21 Jahren, geschieden. <br />
Mit der schrittweisen Entrechtung und Verfolgung von Juden seit 1933 begannen auch Zwangsmaßnahmen gegen die Familie Friedenstein. Darunter fielen zahlreiche Maßnahmen der Diskriminierung und sozialen Ausgrenzung, des Entzugs staatsbürgerlicher Rechte sowie der Verdrängung aus dem Berufs- und Wirtschaftsleben. <br />
Sohn Ludwig Friedenstein heiratete im Mai 1939 Sidonie Pick, geboren 1912 in Posen. Er lebte fortan mit seiner Ehefrau bei deren Eltern und Bruder in der Friedrichshainer Wühlischstraße 27. <br />
Die ganze Familie musste Zwangsarbeit leisten: Ludwig war in verschiedenen Betrieben als Schneider und Lagerarbeiter beschäftigt. Hannchen Friedenstein war bei der Deutschen Lufthansa in Tempelhof und später in der AEG Fernmeldekabel- und Apparatefabrik Oberspree in Oberschöneweide, Cäcilie als Arbeiterin bei den Siemens-Schuckertwerken zwangsverpflichtet.<br />
Mutter und Tochter wohnten zuletzt in der Matternstraße 5 in einem Zimmer zur Untermiete bei Ludwig Fass.<br />
Hannchen und Cäcilie Friedenstein wurden am 27. Februar 1943 Opfer der „Fabrikaktion“, bei der die bis dahin von der Deportation verschont gebliebenen jüdischen Zwangsarbeiter*innen, die in kriegswichtigen Betrieben zwangsbeschäftigt waren, verhaftet und deportiert wurden. Cäcilie wurde am 1. März 1943 mit dem „31. Osttransport“ nach Auschwitz deportiert und ermordet. Hannchen wurde am 17. März 1943 mit dem „4. großen Alterstransport“ nach Theresienstadt verschleppt, wo sie im Februar 1944 ums Leben kam.<br />
Sohn Ludwig Friedenstein hielt sich am Tag der „Fabrikaktion“ in der Wohnung auf und wurde gewarnt. Er tauchte unter und versteckte sich in der Umgebung von Berlin. 1944 gelang es ihm, Unterkunft bei einer Familie im Baumschulenweg zu finden, bei der er sich bis Kriegsende unter falschem Namen aufhielt. Seine Frau Sidonie und deren Familie wurden nach Auschwitz deportiert und ermordet. Ludwig Friedenstein starb 1999 in Berlin.<br />
Hannchens Bruder Simon Schwersenz war 1941 in Berlin verstorben. Ihre Brüder Nathan und Joseph Schwersenz wurden 1942 nach Theresienstadt deportiert und kamen dort beide 1943 ums Leben. Der ältesten Schwester Dorchen blieb aufgrund ihrer Ehe mit dem nicht jüdischen Emil Petsch, mit dem sie seit 1888 verheiratet war, die Deportation erspart. Sie starb 1946 in Berlin.<br />

Hannchen Friedenstein kam am 28. August 1875 in Samter in der preußischen Provinz Posen als Tochter des jüdischen Schneiders Louis Leib Schwersenz und seiner Ehefrau Pauline Feigele, geb. Lewin, zur Welt. Die Stadt Samter (heute Szamotuły in Polen) befindet sich 32 km nordwestlich von Posen. Hannchen hatte noch mindestens vier Geschwister: Dorchen (*1866), Nathan (*1868), Joseph (*1869) und Simon (*1873). Über ihre Kindheit und Jugend haben sich keine Zeugnisse erhalten. Die Geschwister Schwersenz erlernten alle das Schneiderhandwerk und zogen als junge Erwachsene in die Reichshauptstadt. Wahrscheinlich folgte ihnen Hannchen in den 1890er-Jahren, nachdem ihre Eltern in Samter verstorben waren.
Sie heiratete am 24. Dezember 1903 den 1879 in Breslau geborenen Schneider Ernst Friedenstein. Auch er gehörte der jüdischen Religionsgemeinschaft an. Zum Zeitpunkt der Hochzeit wohnte Hannchen in der Reichenberger Straße 25, wahrscheinlich zur Untermiete, und verdiente ihren Lebensunterhalt als Schneiderin.
Die Eheleute lebten zunächst in der Zorndorfer Straße 43 (heute Mühsamstraße), direkt am Petersburger Platz. Dort kamen auch ihre Zwillinge zur Welt: Am 15. September 1904 wurden im Abstand von einigen Stunden Cäcilie und Ludwig Friedenstein geboren. Es haben sich keine Informationen erhalten, die einen Einblick in das Leben der Familie in den letzten Jahren des Kaiserreichs, der Zeit des Ersten Weltkriegs und den Jahren in der Weimarer Republik geben könnten. Laut Berliner Adressbuch zog die Familie um das Jahr 1913 in die Weichselstraße 17. Die Kinder Cäcilie und Ludwig besuchten die Volksschule. Ludwig erlernte – wie seine Eltern – das Schneiderhandwerk. Welchen Beruf Cäcilie ergriff, ist nicht bekannt. Die Ehe zwischen Ernst und Hannchen Friedenstein wurde am 3. Januar 1925, nach über 21 Jahren, geschieden.
Mit der schrittweisen Entrechtung und Verfolgung von Juden seit 1933 begannen auch Zwangsmaßnahmen gegen die Familie Friedenstein. Darunter fielen zahlreiche Maßnahmen der Diskriminierung und sozialen Ausgrenzung, des Entzugs staatsbürgerlicher Rechte sowie der Verdrängung aus dem Berufs- und Wirtschaftsleben.
Sohn Ludwig Friedenstein heiratete im Mai 1939 Sidonie Pick, geboren 1912 in Posen. Er lebte fortan mit seiner Ehefrau bei deren Eltern und Bruder in der Friedrichshainer Wühlischstraße 27.
Die ganze Familie musste Zwangsarbeit leisten: Ludwig war in verschiedenen Betrieben als Schneider und Lagerarbeiter beschäftigt. Hannchen Friedenstein war bei der Deutschen Lufthansa in Tempelhof und später in der AEG Fernmeldekabel- und Apparatefabrik Oberspree in Oberschöneweide, Cäcilie als Arbeiterin bei den Siemens-Schuckertwerken zwangsverpflichtet.
Mutter und Tochter wohnten zuletzt in der Matternstraße 5 in einem Zimmer zur Untermiete bei Ludwig Fass.
Hannchen und Cäcilie Friedenstein wurden am 27. Februar 1943 Opfer der „Fabrikaktion“, bei der die bis dahin von der Deportation verschont gebliebenen jüdischen Zwangsarbeiter*innen, die in kriegswichtigen Betrieben zwangsbeschäftigt waren, verhaftet und deportiert wurden. Cäcilie wurde am 1. März 1943 mit dem „31. Osttransport“ nach Auschwitz deportiert und ermordet. Hannchen wurde am 17. März 1943 mit dem „4. großen Alterstransport“ nach Theresienstadt verschleppt, wo sie im Februar 1944 ums Leben kam.
Sohn Ludwig Friedenstein hielt sich am Tag der „Fabrikaktion“ in der Wohnung auf und wurde gewarnt. Er tauchte unter und versteckte sich in der Umgebung von Berlin. 1944 gelang es ihm, Unterkunft bei einer Familie im Baumschulenweg zu finden, bei der er sich bis Kriegsende unter falschem Namen aufhielt. Seine Frau Sidonie und deren Familie wurden nach Auschwitz deportiert und ermordet. Ludwig Friedenstein starb 1999 in Berlin.
Hannchens Bruder Simon Schwersenz war 1941 in Berlin verstorben. Ihre Brüder Nathan und Joseph Schwersenz wurden 1942 nach Theresienstadt deportiert und kamen dort beide 1943 ums Leben. Der ältesten Schwester Dorchen blieb aufgrund ihrer Ehe mit dem nicht jüdischen Emil Petsch, mit dem sie seit 1888 verheiratet war, die Deportation erspart. Sie starb 1946 in Berlin.