Charlotte Stiebel geb. Cohn

Verlegeort
Wilhelmsaue 134
Bezirk/Ortsteil
Wilmersdorf
Verlegedatum
29. November 2005
Geboren
01. Juli 1901 in Berlin
Deportation
am 01. März 1943 nach Auschwitz
Ermordet
in Auschwitz

Lotte (Charlotte) Stiebel, geb. Cohn, kam am 1. Juli 1900 als Tochter des Kaufmanns Israel Cohn und seiner Ehefrau Rosa (Röschen genannt), geb. Rothgießer, in Berlin auf die Welt. Ihr 1862 geborener Vater stammte aus Wreschen in der Provinz Posen und war wie so viele aus dem Osten nach Berlin gekommen. Ihre 1869 geborene Mutter kam aus Ostrowo – auch dies ein Ort in der Provinz Posen. Die Eltern hatten am 24. Oktober 1899 in Berlin geheiratet. Ihre Mutter wohnte zu dieser Zeit in der Klosterstraße in Berlin-Mitte, sie war Schneiderin von Beruf. Als Lotte Cohn im Sommer 1900 geboren wurde, wohnten ihre Eltern in der Straße Siegmundshof 8, fast an der Spree.

Ende des Ersten Weltkriegs war ihr Vater der Verwalter des Hauses Wilhelmsaue 134/135 in Berlin-Wilmersdorf und wurde schnell ein „gewöhnlicher“ Mieter des Hauses. Am 4. Juli 1923 starb Israel Cohn in seiner Wohnung in der Wilhelmsaue. Ein Verwandter seiner Ehefrau, Arthur Rothgießer aus der Wittelsbacher Straße, zeigte seinen Tod an. Lotte Cohn und ihre Mutter blieben in der Wohnung Wilhelmsaue 134/135.

Am 24. Dezember 1928 heiratete Lotte Cohn den 1891 in Kempen in der Provinz Posen geborenen Kaufmann Georg Stiebel. Wann dieser genau nach Berlin gekommen war, ist nicht bekannt. Seine aus Oberschlesien stammenden Eltern hatten 1889 in Kempen geheiratet und dort etliche Jahre gelebt. Später zogen sie nach Breslau, in die Hauptstadt der Provinz Schlesien.

Georg Stiebel wohnte im Jahr seiner Hochzeit in der Kaiser-Wilhelm-Straße 25 in Berlin-Mitte. Dort hatte er wenig später auch seine „Krawattenfabrik“, einen kleinen Betrieb, in dem Krawatten genäht wurden.

Nach der Hochzeit zog Georg Stiebel ebenfalls in die Wilhelmsaue 134/135. In dem bürgerlichen Wohnhaus nicht weit vom Volkspark Wilmersdorf wohnte die Familie im ersten Stock des Vorderhauses.

Am 19. Juni 1930 wurde ihr einziges Kind, der Sohn Wolfgang, geboren. Er wuchs in der ruhigen Wohnstraße auf. Im April 1936 wurde er eingeschult – noch durften die jüdischen Kinder staatliche Schulen besuchen. Der sechsjährige Wolfgang kam in die 5. Gemeindeschule in der Koblenzer Straße 22–24 (heute die Birger-Forell-Grundschule).

Die Schwiegereltern und die verheirateten Schwägerinnen von Lotte Stiebel lebten in Breslau. Ihre Schwiegermutter Berta starb 1937, ihr Schwiegervater Jakob Stiebel im Jahr 1941.

1939 wurde die Firma ihres Ehemannes liquidiert. Das Ehepaar musste wohl Zwangsarbeit leisten. Nach der „Fabrik-Aktion“ Ende Februar 1943 wurden die in der Rüstungsindustrie beschäftigten jüdischen Zwangsarbeiter nach Osten deportiert. Lotte Stiebel wurde mit dem ersten Transport am 1. März 1943 vom Güterbahnhof Moabit nach Auschwitz deportiert. Georg Stiebel wurde mit dem Sohn Wolfgang am 12. März 1943 ebenfalls nach Auschwitz verschleppt. Am 13. März erreichte dieser Transport mit 947 Menschen Auschwitz. Die Kinder wurden sofort ermordet. Auch Georg und Lotte Stiebel kehrten nicht zurück. – Die Schwägerinnen in Breslau wurden ebenfalls ermordet.