Dagobert Marchand gehörte zu denjenigen Jüdinnen und Juden, die aus dem Westen Deutschlands nach Berlin gekommen waren: Er wurde am 10. September 1886 in Wesel, einer Kleinstadt am Niederrhein, geboren. Sein Vater Jakob Marchand (1856–1900) war Viehhändler und Metzger, geboren im nahen Hamminkeln. Er gehörte zu einer in Wesel und anderen Orten der Umgebung lebenden großen Familie mit dem wohl aus dem Französischen stammenden Namen „Marchand“ = merchant, der Händler. Seine Mutter Friederike Marchand war eine geborene Herz, Tochter einer Kaufmannsfamilie aus dem westpreußischen Gorzno (Górzno/Polen).
Die genaue Anzahl seiner Geschwister ist bis jetzt unbekannt. Sicher ist, dass es einen 1893 in Wesel geborenen Bruder Louis Marchand gab. Der Vater von Dagobert Marchand starb im Jahr 1900 in Wesel, sein Grab existiert noch auf dem neuen Jüdischen Friedhof „Am Ostglacis“.
Geschäft und/oder Wohnung der Eltern befanden sich zumindest zeitweise am Entenmarkt 17, einer Straße in der Altstadt von Wesel.
Dagobert Marchand war Handlungsgehilfe in seiner Heimatstadt , als er 1914 in den Ersten Weltkrieg zog. Er wurde bereits am 22. August 1914 in der „Grenzschlacht“ um Lothringen schwer verwundet, blieb aber als „Schreiber“ bei der Armee und kehrte mit dem „Verwundetenabzeichen“ aus dem Krieg zurück..
Am 23. Juli 1919 heiratete Dagobert Marchand in Berlin die 1892 geborene Erna Kasper aus Gorzno, dem Geburtsort seiner Mutter. (Diese lebte als Witwe in Wesel.) Dagobert Marchand blieb in Berlin. Hatte er zum Zeitpunkt seiner Hochzeit noch allein zur Untermiete in der Holsteinischen Straße in Wilmersdorf gewohnt, zog das Ehepaar 1919/1920 in die Berliner Straße 22 in Berlin-Wilmersdorf. Dort sollten Dagobert und Erna Marchand bis zum Ende der Weimarer Republik wohnen. Dagobert Marchand übernahm in dem Haus an der Ecke zur Nassauischen Straße das Geschäft von Carl Seitz und führte nun ein Geschäft für Manufakturwaren, Damenputz und -hüte, Damenkonfektion – die Bezeichnungen im Berliner Adressbuch wechselten im Laufe der Jahre. Das Geschäft ging 1926 in Konkurs, aber das Ehepaar behielt seine Wohnung. 1932 zogen Dagobert Marchand und seine Ehefrau in eine 1930/31 gebaute Wohnanlage am Schoelerpark und an der Wilhelmsaue. Die Wohnungen waren relativ klein (anderthalb bis drei Zimmer), besaßen aber Balkone oder im Erdgeschoss verglaste Veranden. Die neue Anschrift war Schoelerpark 14. In der grünen Umgebung blieben sie bis 1939.
Danach wechselten Dagobert und Erna Marchand ein letztes Mal die Wohnung: Bis zu ihrer Deportation lebten sie im vierten Stock des ersten Hinterhofs der Wilhelmsaue 136. Untermieter war der mit ihnen befreundete Erich Hamel (1893–1943).
Am 3. März 1943 wurden Erna Marchand und Erich Hamel im Rahmen der „Fabrikaktion“ nach Auschwitz deportiert und dort ermordet.
Dagobert Marchand wurde zwei Wochen später, am 17. März 1943, – auch dies noch Teil der „Fabrikaktion“ – nach Theresienstadt verschleppt: Dort verlor er am 21. April 1944 sein Leben.
Sein Bruder Louis Marchand war am 20. Juli 1942 mit Ehefrau und zwei Kindern aus Köln, wo die Familie zuletzt gewohnt hatte, nach Minsk deportiert und im nahen Vernichtungslager Maly Trostinec ermordet worden. In Köln, Wesel und Hamminkeln erinnern unzählige Stolpersteine an die ermordeten Mitglieder der Familie Marchand.